Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Neue Kamera im TestSo fotografiert es sich mit der berühmtesten und schwierigsten Leica

Kann passieren: Wer den Objektivdeckel drauflässt, merkt erst nachträglich, dass das Foto schwarz ist.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Als 1914 Leica die Kompaktkamera erfand und in den folgenden Jahren auf den Markt brachte, galt die Kamera in Profikreisen als Spielzeug und ein Witz. Nie würde so was die damals üblichen wuchtigen und professionellen Kameras, die nur auf Stativen funktionierten, ersetzen können.

Eine Leica von 1923. Dieses Modell wurde 2011 für 1,3 Millionen Euro versteigert.

Freilich kam in den folgenden hundert Jahren alles anders. Erst das Kamerahandy setzte dem Siegeszug der Kompaktkamera ein Ende. Allerdings mit erstaunlichen Parallelen: Auch Handykameras wurden anfangs als Witz und Spielzeug verlacht.

Viele berühmte Fotos

Doch was wurde aus der Kompaktkamera von Leica? Die hat sich mit den Jahren weiterentwickelt, sie bekam ein besseres manuelles Fokussiersystem und wurde in den Nullerjahren digital. Viele der berühmtesten Fotos entstanden mit Nachfahren dieser Kamera (Liste berühmter Leica-Fotos).

Nun erscheint mit der M11 (9290 Franken) die neuste Variante dieser Kamera. Kurz zusammengefasst: Sie bietet 60 Megapixel, Wechselobjektive, 64 GB internen Speicher, USB-C, einen SD-Karten-Slot und einen Touchscreen. Alles sehr hochwertig, aber rein technisch nicht sensationell oder bahnbrechend.

Optisch unauffällig, aber schwerer, als man meint: Die neue M11.

Spannender als technische Superlative war an der Leica M aber schon immer, was sie alles nicht hat. Die Kamera kommt nämlich ausgesprochen minimalistisch und vor allem ohne Autofokus daher. Das heisst, man muss jedes Foto von Hand scharf stellen. Und das will geübt sein.

Um scharf zu stellen gibt es zwei Möglichkeiten: Blickt man durch den Sucher, sieht man in der Mitte ein etwas milchiges Rechteck. Möchte man einen Farbstift fotografieren, sieht man im Rechteck zwei Stifte. Nun muss man so lange am Fokusrad am Objektiv drehen, bis diese zwei Stifte perfekt übereinanderliegen. Dann ist das Bild scharf und man kann abdrücken.

Gar nicht so einfach zu fotografieren: Der Fokussierprozess der Leica M

Man kann sich auch leicht vor- und zurückbewegen und so beim Fokussieren nachhelfen. Aber schon jetzt wird deutlich, mit einer Leica M fotografiert man besser keine Sportveranstaltungen oder Kindergeburtstage. Mindestens nicht als Anfänger.

Bei dieser Art zu fokussieren gibt es aber neben der eigenen Ungeschicklichkeit noch eine weitere erhebliche Fehlerquelle, die man im Digitalzeitalter nicht mehr gewohnt ist. Da man nicht durchs Objektiv schaut, kann es passieren, dass man glaubt, das beste Foto der Welt geschossen zu haben, und merkt dann nachträglich: «Oh nein! Der Objektivdeckel war noch drauf!»

Eine Frage der Perspektive

Zudem ist es schwierig, etwa durch ein Gitter zu fotografieren, da Sucher und Objektiv leicht unterschiedliche Perspektiven haben. So kann es passieren, dass ein Draht des Gitters dann im fertigen Foto exakt durchs Gesicht statt drum herum geht.

Um das zu verhindern, kommt die zweite Fokussiermethode ins Spiel: Man kann nämlich auch mit dem Bildschirm auf der Rückseite scharf stellen. Wie man das von anderen Digitalkameras kennt, werden die Ränder rot eingefärbt, wenn ein Objekt scharf ist. Das ist praktisch für Anfänger und Perfektionisten, die exakt sehen wollen, wie das Foto wird.

Hat man das Fokussieren im Griff, hat man es schon fast geschafft. Für die richtige Mischung aus Verschlusszeit und Lichtempfindlichkeit (ISO) gibt es eine Automatik. Die kann man freilich auch abschalten. Nur die Blende muss oder eher darf man von Hand am Objektiv einstellen.

Wer will, kann Verschlusszeit und ISO auch von Hand einstellen.

Das grosse Highlight an den M-Kameras sind nämlich die Objektive. Die sind winzig im Vergleich zu den wuchtigen Kalibern, die man bei Canon, Nikon, Sony und Co. findet. Da die Objektive ohne Automatik und Motoren auskommen, sind sie deutlich kleiner und vor allem rückwärtskompatibel bis 1954. Damals wurde das heute noch verwendete Objektiv-Bajonett (so nennt man den Anschluss) mit der Leica M3 eingeführt.

Hat endlich alles mit Fokus, Blende und Motiv geklappt, freut man sich über jedes gelungene Foto. Mehr als bei anderen Kameras. Denn selbst mit reichlich Übung misslingen immer wieder Aufnahmen. Sodass man sich doppelt über scharfe Fotos freut.

Nicht schreierisch

Die Bildqualität ist, wie wir das schon bei anderen Leica-Kamera-Tests festgestellt haben, einzigartig: ein Hauch retro, kein bisschen schreierisch und sehr stimmige Farben. Verschickt man Fotos der M11 an Freunde, kommt fast immer postwendend die Frage: «Was ist denn das für ein Filter, was ist denn das für eine Kamera?»

Nicht selten kam der Kommentar: «Das sieht ja retro aus oder wie in den 80ern». Und postwendend kam regelmässig die zweite Frage: «Kann ich das Bild grösser haben?» Ja, selbst wenn der Fokus nicht ganz perfekt war, haben die Bilder mit der M11 gerade in Zeiten von perfekt scharfen und mit ebenso perfekt wie künstlich ausgeleuchteten Handyfotos ihren eigenen Charme. Und das direkt aus der Kamera. Ganz ohne Nachbearbeitungsaufwand.

1 / 6
Im Zoo ist man mit der M11 häufig erst parat, wenn das Tier schon keine Lust mehr hat.
Ein paar unbearbeitete Testfotos mit der M11. Die über die Feiertage mit der M11 geschossenen Fotos der Familie und von Freunden kann ich hier freilich nicht zeigen. Etwa an einem Konzert…
… gelangen mit der M11 grossartige Fotos…

Bei allem Lob für die Bildqualität und ihren eigentümlichen Charme, muss die M11 natürlich auch Kritik einstecken:

Nein, nicht wegen des Preises. Dass die M11 (von den Objektiven ganz zu schweigen) nicht billig ist, gehört bei einer Nischenkamera, die Design-, Luxus-, Kunst- und Lieberhaberobjekt ist, dazu. Dass man mit der Kamera nicht filmen kann, ist mehr Statement als technische Unfähigkeit. Praktisch wäre es freilich gewesen, aber hier kann man das verschmerzen.

Ärgerlicher ist im Alltag, dass die M11 für eine Kompaktkamera doch ziemlich gross und schwer ist. Einfach mal so in die Jackentasche passt die Kamera kaum noch.

Schade ist auch, dass man immer erst den Akku herausnehmen muss, um an die SD-Karte heranzukommen. Zugegeben, bei den früheren M-Kameras musste man erst eine Bodenplatte entfernen, das war noch mühsamer. Dennoch ist es immer noch nicht besonders elegant.

Fazit: Dank dem hochauflösenden Sensor und dem USB-C-Anschluss ist die neuste M gerüstet für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Wer schon lange mit einer M geliebäugelt hat, wird mit der M11 nichts falsch machen. Aber klar, andere Leute kaufen sich für das Geld eine komplette Fotoausrüstung und einen Flug an einen der fotogensten Orte dieser Welt. Und noch mal andere bleiben beim Smartphone und machen mit demselben Geld eine Weltreise.