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Schutzkonzept an Olympia 2022Wie die Corona-Bubble in Peking funktioniert

Anfang Januar wurde rund um die Pekinger Olympia-Bubble ein Zaun aufgebaut. Teilnehmende und Bevölkerung sollen keinen Kontakt haben.

Knapp einen Monat vor dem Start der Olympischen Winterspiele hat Peking die Sportstätten von der Aussenwelt abgeschottet. Eine solche Bubble gab es letzten Sommer auch schon in Tokio oder an einigen Weltmeisterschaften, doch in der chinesischen Hauptstadt ist alles nochmals deutlich strenger. Es handelt sich nun um ein komplett abgeschlossenes System für die Teilnehmenden, Mitarbeitenden und Freiwilligen. Wer in der Bubble drin ist, soll keinen Kontakt zur chinesischen Bevölkerung haben. Dafür wurde eine komplette Parallelwelt geschaffen – mit Köchen, Fahrerinnen, Putzpersonal und eigenen Transportmitteln. Sie verlassen die Bubble während der gesamten Spiele nie.

Wie dies für die Zuschauerinnen und Zuschauer geregelt wird, ist noch unklar. Wenn solche überhaupt zugelassen werden. Eigentlich soll wenigstens die chinesische Bevölkerung an die Spiele dürfen. Weniger als einen Monat vor Beginn sind aber noch keine Tickets in den Verkauf gelangt.

Für die Athletinnen und Athleten und ihre Delegationen ist der Fall bereits klar. Sie werden von China nicht viel sehen, auf jeden Fall nichts ausserhalb des abgeschotteten Systems. Einlass ins Land gibt es nur über den internationalen Flughafen von Peking, von dort müssen auch alle wieder abreisen. Wer an die Spiele will, muss bereits zwei Wochen vor Abflug täglich Gesundheitsdaten in eine App eintippen. Dann müssen zwei PCR-Tests innerhalb von 96 Stunden vor Ankunft in Peking gemacht werden. Dort werden die Ankommenden von anderen Passagieren getrennt und noch am Flughafen ein weiteres Mal getestet. Danach werden sie mit Spezialtransporten ins olympische Dorf gefahren.

Spiele hinter Absperrungen: Das Maskottchen Bing Dwen Dwen freut sich trotzdem auf die Teilnehmenden.

Zumindest wer vollständig geimpft ist. Ungeimpfte müssen in eine 21-tägige Quarantäne, falls sie sich überhaupt für eine Teilnahme unter diesen Bedingungen einlassen. Im olympischen Dorf sind tägliche Corona-Tests obligatorisch, auch die Körpertemperatur wird überall gescannt. Wer positiv getestet wird, und die Offiziellen rechnen durchaus mit Ausbrüchen und Covid-Clustern, muss in eine Quarantäneeinrichtung umziehen. Wer zudem Symptome hat, wird sofort in eines der dafür vorbereiteten Spitäler in Peking verlegt.

Freiwillige reissen sich um Einsätze

Wer negativ bleibt, Corona-mässig, darf sich zumindest innerhalb der Bubble bewegen, unter strengen Vorschriften natürlich. Zu den Sportstätten geht es mit separaten Bussen oder in separaten Waggons der chinesischen Hochgeschwindigkeitszüge. Auch hier gilt: Wer in der Parallelwelt ist, darf keinen Kontakt zu Aussenstehenden haben.

Kein Zugang für die Bevölkerung: Ein Sicherheitsangestellter schliesst den Zugang zum Stadion und dem olympischen Park.

Damit das funktioniert, werden auch Tausende Chinesinnen und Chinesen wochenlang in dieser Bubble eingeschlossen. Alle Mitarbeitenden für Fahrdienste, Mahlzeiten, Reinigung, aber auch alle freiwilligen Helferinnen und Helfer bleiben bis zum Ende der Paralympischen Spiele Mitte März in der Parallelwelt. Und dürfen dann trotzdem erst nach einer dreiwöchigen Quarantäne nach Hause zurück. Damit nicht genug, sie müssen natürlich auch vor Beginn der Spiele schon in der Bubble sein, und das heisst für die Mitarbeitenden und Freiwilligen nichts anderes, als dass sie das chinesische Neujahr, das mit Abstand wichtigste Familienfest, komplett verpassen. Das Jahr des Tigers startet am 1. Februar, Olympia drei Tage später, eine Teilnahme an den vielen Familientreffen ist damit unmöglich.

Trotzdem ist die Euphorie für die Spiele im Reich der Mitte gross. 20’000 freiwillige Helferinnen und Helfer wurden gesucht, Hunderttausende Chinesinnen und Chinesen bewarben sich dafür. Und nahmen dafür eine harte Prüfung auf sich. 20 Online-Lektionen mussten durchgearbeitet werden, es folgte ein Test über Wintersport, Olympia und Englischkenntnisse. Danach gab es persönliche Interviews, und die Kandidatinnen und Kandidaten mussten schliesslich noch zum Fitnesstest antreten. Dazu gehörte beispielsweise ein 15-Kilometer-Marsch durch den Schnee, man wollte schauen, wie fit die Freiwilligen sind – und wie robust gegen Kälte und Schnee.

Strengste Quarantänemassnahmen

Seit der Auswahl werden die Freiwilligen in Nothilfe, Covid-Massnahmen oder Servicekultur geschult. Trotz dieser harten Auswahl und langen Vorbereitung ist es für die meisten jungen Menschen offenbar sehr erstrebenswert, am Grossanlass dabei zu sein. Schliesslich steht China dabei im Fokus der Weltöffentlichkeit, und seinem Land dabei zu dienen, ist für die Bevölkerung eine grosse Ehre. Und wohl auch hilfreich für den Lebenslauf.

Eine der lustigeren Aufgaben bei den Vorbereitungen: Mitarbeitende üben die Medaillenzeremonie.

Umgekehrt stellt China das Wohl der Gemeinschaft allerdings über das Wohl der Einzelnen. Das zeigt sich bei aktuellen Covid-Ausbrüchen in zwei Grossstädten, wo Millionen Einwohnerinnen und Einwohner derzeit im ultraharten Lockdown sind und nicht aus den Wohnungen dürfen. Nur für den obligatorischen Massentest gibt es eine Ausnahme, dass daneben die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten nicht überall gewährleistet ist und einige Menschen in prekäre Situationen geraten, wird zur Durchsetzung der Zero-Covid-Strategie offenbar von der Regierung in Kauf genommen.

Auch für einzelne Infizierte kann die rigorose Covid-Behandlung in China schockierend sein. So berichtet der Brite Darryl Chan bei CNN, wie er seit über zwei Wochen in einem Spitalzimmer in Hongkong festsitzt. Er reiste kurz vor Weihnachten für einen neuen Job in die Metropole, geimpft, geboostert, mehrfach getestet und bereit für die 21-tägige Quarantäne. Bei der Ankunft dann die Überraschung: Der Brite wurde positiv getestet, auf Omikron, wie sich später herausstellte. Er wurde zuerst in einem Zimmer festgesetzt, sein Schicksal war ab sofort nicht mehr in seinen Händen. Obwohl er keinerlei Symptome hatte, wurde er mit einer Ambulanz ins Corona-Spital gefahren, wo Chan seither festsitzt.

Der Brite ist 24 Stunden am Tag in einem Zimmer mit zwei anderen Personen eingesperrt, frische Luft gibt es nicht. Die Toilette muss er sich mit den anderen beiden «Mitbewohnern» teilen. Er erhält zu fixen Zeiten Spitalessen geliefert, jeweils mit irgendeinem mysteriösen Fleischprodukt, wie er sagt. Um 8 Uhr morgens weckt ihn eine Melodie und eine Durchsage, erzählt Chan, dann muss er seine Gesundheitswerte übermitteln. Bis zum Mittag sei er mit Mails, Kontakt zu Freunden und Familie und Nachrichten beschäftigt, die Nachmittage seien aber langweilig und hart, immer nur Netflix schauen könne er auch nicht, wie der Brite sagt.

Ein Mittagessen mit Reis, Gemüse und einem Fleischprodukt.

Die Isolation dauert mindestens 10 Tage und wird erst beendet, wenn zwei negative Tests in Folge vorgewiesen werden können. Dann ist die Tortur aber noch nicht beendet, denn nach der Entlassung aus dem Spital folgt obligatorisch eine 14-tägige Quarantäne in einer Isolationseinrichtung. Selbst wenn alles gut geht, wird man also nach einem positiven Test für rund einen Monat weggesperrt, auch ohne je Symptome gehabt zu haben.

Sonderregeln für Olympioniken

Darryl Chans Fall ist eine absolute Horrorvorstellung für jede Athletin und jeden Athleten, zumal gewisse chinesische Regionen noch weitaus striktere Massnahmen kennen als Hongkong. Doch führt ein falsch-positives Testresultat zum Platzen aller Träume der Spiele und Edelmetall? Ganz so schlimm wie für Darryl Chan wird die Sache für die Teilnehmenden zum Glück nicht.

Ein positiver Test muss gemäss den Vorgaben der Organisatoren sofort mit einer weiteren Probe bestätigt werden. Wer keine Symptome hat, wird in ein Isolationszimmer gefahren, hat aber die Möglichkeit, nach wenigen Tagen wieder rauszukommen. Dazu müssen zwei Tests im Abstand von 24 Stunden negativ sein. Im besten Fall sind Sportlerinnen und Sportler so aber doch für mindestens 48 Stunden aus dem Olympia-Rennen.

Im olympischen Dorf gelten weniger strenge Isolationsmassnahmen als ausserhalb der Bubble: Chinas Präsident Xi Jinping machte sich Anfang Januar ein Bild von der Lage vor Ort.

Immerhin können die Isolierten im Gegensatz zu Darryl Chan in ihrem Einzelzimmer die Fenster öffnen und ihr Essen aus einer Menüliste selber auswählen. Zudem dürfen Trainingsgeräte mitgenommen werden, was allerdings ein schwacher Trost ist, wenn man wichtige Spiele oder Rennen verpasst.

Auch wer mit Symptomen ins Corona-Spital muss, darf nach zwei negativen Tests wieder raus, allerdings müssen dann auch andere Vitalwerte stimmen, beispielsweise das Lungenbild. Alles in allem ist ein positiver Test wohl keiner Athletin und keiner Athletin zu wünschen. Oder deren Umfeld, denn auch für enge Kontaktpersonen gibt es strenge Regeln. Sie dürfen zwar weiter an den Spielen teilnehmen, aber immer mit Abstand zu anderen. Essen müssen sie allein, und alle 12 Stunden muss getestet werden.

Leichtere Einreise für Genesene

Nach Beratungen mit dem IOK und den Länder-Delegationen hat China eine wichtige Covid-Regel am Mittwoch gelockert. So hiess es zuerst, dass infizierte Athletinnen und Athleten frühestens zwölf Tage nach ihrer Genesung einreisen dürfen. Nun will ein Expertengremium diese Fälle einzeln beurteilen, sodass auch eine frühere Anreise möglich sein dürfte.

Weil Europa und Nordamerika gerade von der Omikron-Welle überrollt werden, könnte diese Änderung für einige Sportlerinnen und Sportler wohl entscheidend sein, da es viele asymptomatische Erkrankungen geben könnte. «Das ist ein positives Zeichen. Ansonsten hätten wir bei den hohen Ansteckungszahlen davon ausgehen müssen, dass zahlreiche Athletinnen und Athleten, von denen keine Infektionsgefahr mehr ausgeht, um ihren Traum einer Olympiateilnahme gebracht werden», sagt Ralph Stöckli, der Chef de Mission von Swiss Olympic.