Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Sonderweg ohne VerboteDas Schwedenrätsel

Anschein von Normalität in der Pandemie: Schwedens grösster Weihnachtsmarkt in Falun.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Schweden sticht mal wieder heraus. Eigentlich ist das nichts Neues, was Corona-Statistiken angeht: Das Land steht mit seinem Sonderweg seit Beginn der Pandemie im Zentrum der Aufmerksamkeit. Empfehlungen statt Verboten, kein Lockdown, an der Spitze ein stets Gelassenheit ausstrahlender Staatsepidemiologe, dahinter eine passive Regierung – Schwedens Weg bot im Rest der Welt stets Anlass für ideologische Schlachten.

Die Anhänger des Modells priesen die Abwesenheit staatlichen Zwangs und die Betonung individueller Verantwortung, die Gegner verwiesen eineinhalb Jahre lang auf in die Höhe schnellende Todeszahlen.

Nun, am Ende des zweiten Corona-Jahres, machen die schwedischen Statistiken wieder Schlagzeilen. Und diesmal ist einiges anders. Zumindest für den Schnappschuss, der die vergangenen Herbstwochen abbildet. Schweden sei «eines der derzeit am wenigsten gefährlichen Länder Europas», berichtete die Boulevardzeitung «Aftonbladet» heute Dienstag. Und die aktuellen Zahlen geben ihr recht.

In den Statistiken der Johns Hopkins University für die erste Dezemberwoche melden nur 6 von 46 europäischen Ländern weniger Sterbefälle als Schweden. Schweden hat im Moment eine 7-Tage-Inzidenz von knapp 130 – die Nachbarn Norwegen und Dänemark melden drei- bis viermal so hohe Inzidenzen.

Die Pandemie ist endlich Chefsache: Magdalena Andersson, Schwedens neue Regierungschefin.

Die meisten Schweden sind nun kaum weniger erstaunt über diese Diskrepanz als die Nachbarn. So erfreulich die Zahlen sind, so «schwer zu erklären» seien sie, lassen sich schwedische Virologen zitieren. Die vergleichsweise gute Impfquote könnte ein Faktor sein, sie liegt bei 71 Prozent der Gesamtbevölkerung. Andere verwiesen auf die Verzögerung, mit der Corona-Wellen der Vergangenheit Schweden erreicht hatten.

Dass Schweden hinter Finnland das am dünnsten besiedelte Land der EU ist, dürfte generell als Bremse wirken bei der Ausbreitung von Infektionswellen, lässt aber die früheren Todeszahlen in umso düstererem Licht dastehen. Einige Experten spekulieren, ob gerade die hohen Infektionszahlen der ersten Wellen Schweden vielleicht doch eine gewisse Herdenimmunität verschafft hätten. Doch ist das eine unbewiesene Hypothese.

Omikron-Virus sorgt für Nervosität

Die Frage ist, ob der Schnappschuss der letzten Herbstwochen ein Schnappschuss bleibt und auch Schweden bald wieder aufholt, vor allem angesichts des neuen Omikron-Virus. Die Warnsignale sind jedenfalls da: Gerade in der Hauptstadtregion Stockholm schnellten die Infektionszahlen zuletzt wieder in die Höhe. Die Spitäler sind alarmiert. «Wir halten den Atem an», sagte Sven Klassen, Chefarzt der Södersjukhuset-Klinik.

Nun verhalten sich die Behörden aktiver als in früheren Tagen. Das zeigte sich auch an der heutigen Medienkonferenz, bei der die neue Premierministerin Magdalena Andersson persönlich neue Beschränkungen verkündete. Die Botschaft: Die Pandemie ist nun endlich Chefsache.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Nachdem am 1. Dezember auch Schweden einen elektronischen Impfpass eingeführt hat, soll dieser künftig auch in Restaurants und Fitnessstudios vorgelegt werden. Ab Mittwoch gilt zudem eine Maskenempfehlung in Bus und Bahn, und die Menschen sollen möglichst im Homeoffice bleiben. (Lesen Sie auch den Artikel «Schweden verlässt seinen Sonderweg».)

Wenn die Zahlen sich verschlechtern, sollen weitere Restriktionen folgen, unter anderem die beschränkte Öffnung für Lokale und Onlineunterricht an Hochschulen. Karin Tegmark Wisell, Chefin der Gesundheitsbehörde, warnte, man rechne auch in Schweden mit einer «sich verschlechternden Entwicklung».

Staatsepidemiologe sieht sich bestätigt

Staatsepidemiologe Anders Tegnell selbst sah zuletzt noch in den Statistiken eine Bestätigung seines Kurses. Schwedens Zahlen seien europäischer Durchschnitt, sagte er: «Wir sind nicht die Besten und bestimmt nicht die Schlechtesten.» Die Omikron-Variante beobachte auch er «mit Sorge», aber sie werde sicher nicht zu einem Wandel der Corona-Politik führen: Seine Strategie habe schliesslich «in der Vergangenheit funktioniert». Das ist eine Aussage, die zuletzt auch im eigenen Land zunehmend auf Widerspruch gestossen ist.

Pro eine Million Einwohner zählt Schweden 1485 Corona-Tote. Und da sieht seine Bilanz auch nach dem so guten Herbst schlecht aus im Vergleich mit den Nachbarn: Schweden hat im Verhältnis zur Einwohnerzahl noch immer dreimal so viele Tote zu beklagen wie Dänemark und gar siebenmal so viele wie Norwegen.

«Wir sind nicht die Besten und bestimmt nicht die Schlechtesten»: Staatsepidemiologe Anders Tegnell.

Ende Oktober erst hatte die Corona-Untersuchungskommission in Stockholm der schwedischen Corona-Politik die Note «ungenügend» verpasst. Noch schärfer fiel der Bericht aus, den die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften vergangene Woche vorstellte.

Er liest sich wie ein einziges Misstrauensvotum gegen die einstige schwedische Strategie, alle Verantwortung beim Bürger abzuladen – einem Bürger, den man dann im Stich liess. Die Gesundheitsbehörden hätten regelmässig «unklar und widersprüchlich» informiert, heisst es in dem Bericht.

Verantwortlich für die hohen Todeszahlen sind «in erster Linie die allzu milden und verspäteten Massnahmen» der Behörden.

Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften

Wieder und wieder hätten sie versagt: bei ihrer Ablehnung von Gesichtsmasken ebenso wie bei der langen Nichtbeachtung der Ansteckung durch Aerosole und asymptomatische Virusträger. Sie hätten es «versäumt», von den Erfahrungen anderer Länder – vor allem Dänemark, Norwegen und Finnland – zu lernen.

Zusammengefasst: Verantwortlich für die hohen Todeszahlen seien «in erster Linie die allzu milden und verspäteten Massnahmen» der schwedischen Behörden, heisst es im Bericht. Und im November zeigte eine internationale Studie unter Mitarbeit der Universität Uppsala, dass Schweden vor allem im ersten Corona-Jahr ein Netto-Exporteur des Coronavirus war. Empfänger waren die nordischen Nachbarn.

«Wir haben der Welt unsere blau-gelbe Fahrlässigkeit geschenkt», betitelte die Zeitung «Svenska Dagbladet» einen Leitartikel in der vergangenen Woche. Sie sieht deshalb keinen Grund für Hurrarufe. Im Gegenteil: Schweden habe allen Grund, die Nachbarn «als Nation um Verzeihung zu bitten».