Falschnachrichten – Politik will Fake-News-Spreader härter bestrafen

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Falschnachrichten Politik will Fake-News-Spreader härter bestrafen

Mit der Coronakrise schwappte die Fake-News-Welle endgültig in die Schweiz. Der Bund will handeln. Für die Grüne Greta Gysin braucht es Massnahmen im Strafrecht.

Darum gehts

Die Frau spricht direkt in die Handykamera und wirkt besorgt: Sie habe gehört, dass Briefstimmen gescannt und Nein-Stimmen zum Covid-Gesetz geschreddert würden. Das Video ging in den sozialen Medien viral. Die Post sah sich genötigt, die Falschmeldung öffentlich richtigzustellen.

Dass in einer erprobten direkten Demokratie wie der Schweiz solche haltlosen Vorwürfe kursieren, hat eine neue Qualität. Die Polarisierung durch die Corona-Krise könnte eine Erklärung dafür sein.

«Es gibt Anzeichen dafür, dass Falschnachrichten während der Pandemie zunahmen oder dass sie zumindest sichtbarer geworden sind», sagte Medienwissenschaftler Daniel Vogler kürzlich zu 20 Minuten. In einem neuen Bericht zeigt sich der Bund ob der Entwicklung besorgt: «Falschinformation kann öffentlichen Schaden hervorrufen […] und die politische Entscheidungsfindung beeinträchtigen.»

Wenige Möglichkeiten gegen Fake News

Medienministerin Simonetta Sommaruga hat deshalb ihr Departement beauftragt, aufzuzeigen, wie Falschinformationen auf digitalen Plattformen wie Facebook oder Twitter eingedämmt werden könnten.

Bisher sind die Waffen, die im Kampf gegen Fake News angewendet werden, stumpf. Absender von Fake News können allenfalls wegen Diskriminierung, Aufruf zu Hass, Ehrverletzungen, unlauterem Wettbewerb oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit belangt werden. In Österreich hat jüngst ein Arzt, der in einer Sprachnachricht für den Tod von 16 geimpften Patienten verantwortlich gemacht wurde, Anzeige gegen den Urheber der Falschnachricht erstattet.

In der Schweiz beurteilen Rechtsexperten und -expertinnen die Möglichkeit, konkret für Fake News bestraft zu werden, für gering. Oftmals richtet sich die Falschinformation nicht gegen eine bestimmte Person, vielmehr wird etwa in darin behauptet, die Covid-Impfung richte mehr Schaden an als die Krankheit selbst. Ein Fake-News-Artikel im Strafgesetzbuch könnte hier Abhilfe schaffen.

«Gefährlich für die direkte Demokratie»

«Die Desinformation hat in jüngster Zeit bedenkliche Ausmasse angenommen. Das ist sehr gefährlich und bedroht die direkte Demokratie», sagt Greta Gysin (Grüne), Vizepräsidentin der Staatspolitischen Kommission im Nationalrat. Neben der Auslegeordnung zur Regulierung von Facebook und Co., die sie begrüsst, sagt sie: «Wir brauchen strafrechtliche Massnahmen, um Urheber von Fake News zur Rechenschaft zu ziehen.» Wer willentlich Falschmeldungen produziere und verbreite, müsse dafür haften.

Natürlich bewege man sich dabei auf einer Gratwanderung, die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut. Andererseits: «Wenn jemand dem politischen System die gemeinsame Faktenbasis entziehen will, muss der Staat reagieren. «Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass man ohne Konsequenzen Unwahrheiten verbreiten darf.» Sie nimmt auch die sozialen Netzwerke in die Pflicht: «Sie müssen dafür sorgen, dass Fake News rasch als solche gekennzeichnet oder ganz gelöscht werden.»

SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher findet, die Urheber und Urheberinnen von Falschnachrichten müssten die Verantwortung für ihr Tun übernehmen – offline wie online. Oftmals sei aber nicht klar, wer hinter einem Social-Media-Account stecke. «Hier braucht es Transparenzvorschriften, damit wir Verbreiter von Fake News ausfindig machen und zur Rechenschaft ziehen können.»

Wer bestimmt, was Fake News sind?

Den Druck auf die Social-Media-Giganten erhöhen will SP-Nationalrat Jon Pult. Er reicht in der aktuellen Wintersession eine parlamentarische Initiative zum Thema ein. Plattformen sollen für die Verbreitung von Fake News zur Kasse gebeten werden.

Dass der Bundesrat bisher wenig gegen Desinformation getan hat, liegt an der Meinungsfreiheit, die hierzulande grosses Gewicht hat. «Wahrheit und Richtigkeit von Äusserungen sind nicht Ausgangspunkt, sondern Ergebnis eines freien öffentlichen Diskurses», heisst es im neuesten Bericht des Bundes. Gesellschaftlich anerkannte Wahrheiten seien für stetige Infragestellung offen zu halten.

Bei der Abgrenzung zwischen Fake News und diesen «Infragestellungen» tut sich für FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen das zentrale Problem auf: «Wer bestimmt, was eine Falschnachricht ist und was nicht? Eine Zensurbehörde?» Er zweifelt daran, dass per Strafrecht oder mit neuen Regeln für Facebook das Problem eingedämmt werden könne.

Beim Bund heisst es auf Anfrage, dass man erst die Debatte über die Sommarugas Auslegeordnung abwarten müsse, bevor die Frage nach einem Fake-News-Artikel im Strafgesetzbuch geklärt werden könne.

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