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100 Jahre Alessi: 8 DesignsAls Humor die Küche eroberte

Pfeffermühle, Flaschenöffner, Zahnstocherhalter – Designklassiker, die gerne unter den Weihnachtsbaum gelegt werden. Woher genau kommen sie?

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Alles beginnt mit einer Metallwerkstatt einschliesslich Giesserei. Es ist das Jahr 1921, und von so etwas wie Design ist der neu gegründete Betrieb der Fratelli Alessi im piemontesischen Omegna noch weit entfernt. Die Fabrik stellt Messingknäufe her, standardisierte Tabletts und Kaffeekannen.

Die ersten Eigenkreationen stammen aus den Dreissigerjahren, als Carlo Alessi, Sohn des Gründers Giovanni, die Führung übernimmt. Carlo entwirft unter anderem die «Bombé»-Serie, kugelförmige Kannen samt Zuckerdose, und legt den Grundstein zu dem, was Alessi heute darstellt: ein Synonym für italienisches Design.

In dritter Generation ist Alberto Alessi Präsident des Familienunternehmens. Der 74-Jährige sagt über seine Anfänge in den Siebzigerjahren: «Diese Firma erschien mir zu monolithisch, zu grau.» Also habe er das Geschäft mit «ein bisschen Spass» aufgemischt.

Alessi, nebenberuflich Winzer, ist aus seinem Büro zugeschaltet, schwarzer Pulli, Pfeife in der Hand, ein Nussknacker aus dem Erzgebirge im Hintergrund. Es soll an diesem Herbstnachmittag um den 100.Geburtstag des Unternehmens gehen – und um seine ikonischen, oft ironisch verspielten Objekte. Viele stammen aus der goldenen Zeit in den Achtziger- und Neunzigerjahren, als es üblich war, sich zu Weihnachten Alessi-Körbe zu schenken, und kaum eine Hochzeits-Geschenkliste ohne den Teekessel mit Plastikvögelchen auskam.

Dieser Tafelaufsatz aus verschiedenen Elementen entstand aus der Zusammenarbeit mit Zaha Hadid. Weiter unten im Text finden Sie eine List mit 8 weiteren bekannten Designs.

Design war damals kein Massenphänomen, die Konkurrenz entsprechend überschaubar – heute sei der Markt, so drückt es Alessi aus, «interessant». Grosse Namen von Ettore Sottsass über Philippe Starck bis Zaha Hadid, die den blitzblanken Alessi-Kosmos immer weiter glänzen liessen: Diese Phase ist eine Weile her.

2019 geriet das Unternehmen in Schieflage und musste die Belegschaft um ein Viertel reduzieren. Der Patron kommentierte die Lage damals mit nautischen Metaphern. Er fühle sich «wie ein Kapitän auf einem Schiff im Sturm», sagte Alessi dem Handelsblatt. Die Finanzspritze eines britischen Investors half, den Standort Omegna zu halten, wo weiterhin ein Grossteil der Produktion stattfindet.

Wie geht es nun weiter? Alberto Alessi sagt, man arbeite an einer neuen Kollektion kleiner Möbel und Accessoires wie Stühlen oder Kleiderhaken, einem für das Unternehmen neuen Bereich. Und man wolle ein Design-Labor bleiben, ein Ort, wo experimentiert wird. Wie immer – denn das ist längst zum Alessi-Erkennungszeichen geworden – mit einer guten Portion Humor.

Die Espressomaschine

In den ersten fünfzig Jahren hat Alessi, vor allem für Küchenutensilien bekannt, lustigerweise gar keine Küchenutensilien produziert – sondern Brotkörbe und Besteck für das gediegene Esszimmer. Die Wende kam in den Siebzigerjahren mit einer Espressomaschine: Alberto Alessi wollte seinen Grossvater mütterlicherseits ehren, Alfonso Bialetti. Der gilt als Erfinder der «Moka Express», des typisch italienischen Kaffeekochers aus Metall.

Regelmässig präsentiert Alessi eine neue Espressomaschine, berühmt wurde die Caffettiera Pulcina von 2015. Designer Michele De Lucchi gab ihr ein geriffeltes Äusseres und einen V-förmigen Ausguss. Pulcina bedeutet Küken, «und so sieht sie auch wirklich aus», findet Alessi.

Der Flötenkessel

Einer der bekanntesten Alessi-Entwürfe stammt von 1985 und ist ein Wasserkessel, was schon an sich erwähnenswert ist. Denn: Wasserkocher waren in den Achtzigerjahren in Italien kaum üblich (und ihre Ausbreitung hält sich bis heute in Grenzen). Kein Wunder, dass angeblich amerikanische Vertriebspartner die Idee dazu hatten. Wenn ihr es schafft, einen Wasserkocher für 49,90 Dollar zu realisieren, wird das bei uns ein Riesenerfolg, sollen sie zu Alberto Alessi gesagt haben. Der beauftragte Designer Michael Graves und bekam per Post einen Prototyp aus Pappe. Charakteristisch ist der Vogel aus Kunststoff. Am Ende kostete der Kessel mehr als 49,90 Dollar, ein Erfolg wurde er trotzdem.

Die Toilettenbürste

Mit Merdolino wollte Alessi sozusagen ein neues Zimmer betreten, das Bad. Er habe sich, erzählt Alberto Alessi, gefragt: Was ist dort der nützlichste Gegenstand? Die Klosettbürste! Der Entwurf von 1993 stammt von Stefano Giovannoni, bekannt für spielerische Objekte. Er kreierte eine alles andere als diskrete Bürste, die an den Sprössling einer Pflanze erinnert. Gut möglich, dass der Erfolg auch am Namen lag, zumindest in Italien. Merdolino heisst in etwa «Scheißerchen». Schade nur, dass die Lebenserwartung eines solchen Objekts von Natur aus beschränkt ist.

Die Zitronen-Presse

Die spinnenartige «Juicy Salif»-Zitronenpresse gehört zu den bekanntesten Küchenobjekten überhaupt, ihre Geschichte erzählt Alberto Alessi immer wieder gern. Der französische Designer Philippe Starck sollte ein Tablett für Alessi entwerfen, aber aus einem gemeinsamen Mittagessen entstand etwas ganz anderes. Man habe über dieses und jenes gesprochen, auch über den modischen Hang zu frischem Zitronensaft über so ziemlich jedem Gericht. Starck schickte aus dem Urlaub ein Stück Tischdecke aus Papier mit Skizzen zwischen den Tomatenflecken. «Von links beginnend sah man eine Art Tintenfisch, der zu etwas wurde, was einer Zitronenpresse sehr ähnlich ist», erzählt Alessi. Die Juicy Salif ist seit 1990 ein Klassiker im Alessi-Katalog.

Der Drahtkorb

Die Form des Drahtkorbs, der ursprünglich aus versilbertem Messing gefertigt wurde, stammt aus den späten Vierzigerjahren – er ist das älteste Objekt, das bis heute produziert wird und sich gut verkauft. Mittlerweile besteht der Korb aus Edelstahl, entworfen wurde er vom «ufficio tecnico Alessi», einem internen Büro für technische Zeichnungen. Inzwischen gehören nach Angaben von Alberto Alessi mehr als 300 externe Gestalter aus der ganzen Welt zum Firmennetzwerk, von Norman Foster bis zu Patricia Urquiola. An Designschulen rekrutiere man junge Talente, um weiterhin «ein Labor für Gestaltung» zu bleiben.

Die Pfeffermühle

Die Pfeffermühle Twergi fällt sofort auf – als eines der wenigen Stücke aus Holz. Das Designunternehmen vom Ortasee arbeitet hauptsächlich mit Metall, und tatsächlich sei die Twergi-Kollektion 1989 «ein neues Abenteuer» gewesen, so Alberto Alessi. Er habe die alte Holztradition des nahen Strona-Tals wiederbeleben wollen und beauftragte den Designer Ettore Sottsass, der Korkenzieher, Salzstreuer und Schalen entwarf. Die Kollektion war durchaus erfolgreich, das Holzexperiment blieb einmalig: Die Kunden seien nicht bereit, für Holzobjekte dasselbe auszugeben wie für Metall.

Der Korkenzieher

Der Korkenzieher Anna G. von 1994 ist eine Hommage an eine lachende Frau, die tatsächlich existiert – Anna Gili war die damalige Freundin des Designers Alessandro Mendini und hat selbst als Gestalterin gearbeitet. Gili hat oft betont, sie freue sich darüber, das Vorbild eines ikonischen Entwurfs und sozusagen in vielen Küchen auf der ganzen Welt zu Hause zu sein. Aber sie erinnerte auch daran, «dass es der Korkenzieher ist, der wie ich aussieht, und nicht umgekehrt».

Der Wasserkocher

Die Serie Plissé ist laut Alessi die erfolgreichste Kollektion der vergangenen Jahre – und es geht natürlich nicht um Textilien, wie der Name suggeriert, sondern um Utensilien aus Kunststoff wie Wasserkocher. Wobei die Falttechnik, die Designer Michele De Lucchi inspirierte, aus der Couture kommt – was schon ein bisschen lustig ist. Denn was ist weiter entfernt von Glamour als Plastik? Übrigens ein Material, das Alberto Alessi auch für künftige Projekte nicht ausschliessen will. Aber im Kern bleibe man auf Metalle spezialisiert. «Das ist unser wichtigstes Ausdrucksmittel.»