«Die Situation ist kritisch» – Intensivstationen sind am Limit – auch wegen überlastetem Personal

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«Die Situation ist kritisch» Intensivstationen sind am Limit – auch wegen überlastetem Personal

Operationen müssen verschoben werden, IPS-Patientinnen und -Patienten werden früher auf die Normalstation verlegt: Die Lage in verschiedenen Städten spitzt sich immer weiter zu.

Darum gehts

Noch am Montag sagte der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri, dass die Lage in den Spitälern «nicht dramatisch, aber belastend» sei. Nur wenig später hat sich die Situation vielerorts deutlich verschärft. Am Dienstag warnte Stephan Jakob von der Insel-Gruppe Bern im SRF-«Club», dass es «ganz sicher» eine Triage geben werde. Die Kapazitäten hochzufahren wie in der ersten Welle sei wegen des fehlenden Personals nicht mehr möglich, so Jakob.

Auch in Zürich sind die Spitäler am Anschlag. Das Universitätsspital sei zu 98 Prozent belegt, sagt Peter Steiger, der stellvertretende Direktor des Instituts für Intensivmedizin, zu Radio SRF 1. Auch die Intensivstationen der anderen Spitäler seien voll: «Es war wirklich schlimm», sagte Steiger. Wegen personellen Engpässen hätten zudem bereits mehrere Intensivbetten gesperrt werden müssen, sagt Mediensprecherin Manuela Britschgi zu 20 Minuten. «Es wird täglich neu beurteilt, ob Massnahmen wie beispielsweise das Verschieben von Operationen angezeigt sind.»

«Es geht um das Personal, das irgendwann fehlt»

Wie das Basler Universitätsspital schreibt, sei man mit einer ähnlichen Situation konfrontiert: «Unsere Intensivstation ist ebenfalls fast voll belegt – ein knappes Drittel der Betten mit Covid-Patientinnen und -Patienten», sagt Sprecher Nicolas Drechsler. «Das Wort ‹Betten› ist jedoch irreführend. Es geht um das Personal, das irgendwann fehlt.»

Als Folge der hohen Belastung müssten IPS-Patienten und -Patientinnen eventuell verfrüht auf Normalstationen verlegt und Operationen verschoben werden, so Drechsler. Auch die Hirslanden-Gruppe teilt mit, bereits wieder Operationen verschieben zu müssen.

«Unverständnis für Ungeimpfte wächst»

In Bern hat Schutz und Rettung gar den «Code Red» ausgerufen. Sprecher Martin Müller bestätigte auf Anfrage eine Meldung von nau.ch. «Das bedeutet, dass wir Notfallpatienten gleichmässig auf die Spitäler verteilen, um eine lokale Überlastung möglichst zu vermeiden.» Die Alarmstufe habe man in Koordination mit den Spitälern ausgerufen, da diese meldeten, voll zu sein.

Auch im Kantonsspital St. Gallen sei die Lage sehr angespannt, sagt Sprecher Philipp Lutz. Man sei zwar noch nicht überlastet: «Morgen könnte sich die Situation zuspitzen.» Aufstocken könne man die Kapazitäten nicht – das Personal fehle. «Intern wächst das Unverständnis für ungeimpfte Personen», so Lutz.

«Eine Triage ist möglichst zu verhindern»

«Die Situation ist kritisch und entwickelt sich in die falsche Richtung», sagt Rudolf Hauri. Gesamtschweizerisch betrachtet sei die Lage zwar noch nicht dramatisch: «Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es starke regionale Anstiege der Spitalsauslastung gibt.» Die Situation sei sehr dynamisch, so Hauri weiter.

Es sei gut denkbar, dass nun eine Region nach der anderen einen starken Anstieg der Belastung verzeichnen werde: «Wenn regionale Verlegungen nicht mehr möglich sind, müssen IPS-Patienten in weiter entfernte Spitäler transportiert werden.» Das sei eine zusätzliche Belastung für Patienten und Patientinnen und auch für deren Angehörige.

Aus Patientensicht müsse eine Überlastung der Schweizer Spitäler möglichst verhindert werden, sagt SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen, Präsidentin des Dachverbands schweizerischer Patientenstellen. «Die jetzt vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen zielen genau darauf ab, die Spitäler zu entlasten.» Sollten die neuen Verschärfungen ungenügend wirken und drohe die Triage, müsse rasch nachjustiert werden, sagt Wasserfallen. «Dann braucht es strengere Massnahmen.»

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