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Gewalttat in NorwegenTäter von Kongsberg tötete die meisten Opfer in ihren Häusern

Gedenkstätte vor einem Haus in Kongsberg, dessen Bewohnerin von einem offenbar psychisch kranken Mann erstochen wurde.

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Rund eine Woche nach einem Angriff mit fünf Toten in der norwegischen Kleinstadt Kongsberg laufen die Ermittlungen zur Tat auf Hochtouren. Der zentrale Fokus liege auf dem Verhör des Beschuldigten, sagte Polizeiinspektor Per Thomas Omholt am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Man wolle unter anderem mehr darüber herausfinden, was das Motiv des Täters gewesen sei, was seine Gedanken gewesen seien und ob er die Tat womöglich geplant habe.

Man habe ihn am Donnerstag erneut kurz verhört und hoffe, am Freitag damit weitermachen zu können, so Omholt. Die Polizei habe bislang auch mit mehr als 200 Menschen gesprochen. Darunter seien etwa 90 offizielle Zeugenbefragungen gewesen.

Mehrere Annahmen, die in den ersten Stunden und Tagen nach dem Angriff kursierten, haben sich in der Zwischenzeit als falsch herausgestellt, wie neue Erkenntnisse zum Tathergang und zum Täter zeigen.

Opfer starben in ihren eigenen vier Wänden

So war der Täter zwar mit Pfeil und Bogen bewaffnet, alle Todesopfer wurden jedoch erstochen. Bei seinen Angriffen habe der Täter «irgendwann Pfeil und Bogen weggeworfen oder verloren», sagte Omholt. Seine Opfer habe er mit einem «scharfen Gegenstand» erstochen. Welchen, wollte der Polizeiinspektor aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen.

Laut Omholt hat der Täter seine Opfer wahllos getötet. Die meisten von ihnen seien in ihren eigenen vier Wänden ums Leben gekommen. Wie viele genau, liess er offen. Man habe die Toten an unterschiedlichen Orten gefunden, auf den Strassen, aber auch in Häusern, in die der Täter eingedrungen war. Vier Frauen im Alter von 52, 56, 75 und 78 Jahren sowie ein 75-jähriger Mann kamen ums Leben. Drei Menschen mussten verletzt ins Krankenhaus gebracht werden, keiner von ihnen schwebt mehr in Lebensgefahr.

Details zum Tathergang

Zum Tathergang ist bisher Folgendes bekannt: Der Täter verliess am Mittwochabend, 13. Oktober, seine Wohnung in Kongsberg mit Pfeil und Bogen und schoss damit auf mehrere Personen. Zu diesem Zeitpunkt war die Polizei noch nicht benachrichtigt. Um 18.12 Uhr kam eine Notrufmeldung aus einem Supermarkt, der in der Nähe der Wohnung des 37-jährigen Mannes liegt.

Polizisten vor dem Supermarkt in Kongsberg, in welchem der Angreifer Menschen mit Pfeil und Bogen beschossen hatte.

Dort trafen zwei bewaffnete Polizisten um 18.18 Uhr zum ersten Mal auf ihn. Sie wurden mit Pfeilen beschossen und kamen laut einem Polizeisprecher nicht in eine Position, von der aus sie auf ihn schiessen oder ihn festnehmen konnten. Laut den Ermittlern gibt es gute Videos von dem, was im Laden passiert ist, berichtet die norwegische Zeitung «Aftenposten». Während die Beamten Schutzkleidung holten, gelang dem Mann die Flucht über einen von der Polizei nicht gesicherten Hinterausgang.

Danach lief er durch die Innenstadt und feuerte weitere Pfeile auf Personen ab. Schliesslich drang er in der als Künstlerstrasse bekannten Hytegatta in Wohnhäuser ein, wo er mehrere Menschen mit einer Stichwaffe tötete.

34 Minuten nachdem die ersten Meldungen bei der Polizei eingegangen waren, wurde der Täter in einem Hinterhof festgenommen. Insgesamt hatte er mit Pfeil und Bogen auf mehr als zehn Menschen gezielt. Einen Polizisten in Zivil traf er in den Rücken.

Terrormotiv erwies sich als falsch

Der 37-jährige Däne E. B. hat die Tat gestanden. Man wisse mittlerweile viel darüber, was B. in den Tagen vor dem Angriff getan habe, auch woher er Pfeil und Bogen hatte, so Omholt. Noch gibt die Polizei dazu keine weiteren Details bekannt. Er habe «ein paar Tage» vorher über seinen Anschlag nachgedacht.

Die Ermittler gehen inzwischen davon aus, dass er psychische Probleme hat und es grosse Zweifel an seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit gibt. Einen Tag nach dem Angriff hielten Vertreter des norwegischen Geheimdienstes noch einen Terroranschlag für wahrscheinlich. Doch die Hypothese, B. sei zum Islam konvertiert und habe sich radikalisiert, habe sich «abgeschwächt». Es gebe Hinweise, dass er nicht wirklich zum Islam konvertiert sei, sagte Polizeiinspektor Thomas Omholt.

«Wenn wir genauer hinschauen, wird seine Tat kein Terror gewesen sein», sagte auch die norwegische Journalistin Asne Seierstad, die eine Biografie über den Rechtsextremisten Anders Breivik verfasst hat, in einem Interview mit dem «Spiegel» (kostenpflichtiger Artikel). «Wir müssen aufpassen, wann wir von Terror sprechen. Vielleicht benutzen wir den Begriff zu oft.» Wenn es für eine Tat keinen politischen Hintergrund gebe, solle man ihr auch keinen zuschreiben.

Die norwegische Journalistin Asne Seierstad hat eine Biografie über den Rechtsextremisten Anders Breivik verfasst.

Auch wenn sich viele an die Tat Breiviks erinnert fühlten, der in Oslo und auf Utøya 77 Menschen tötete, unterscheide sich der aktuelle Fall stark davon. Breivik habe sein Verbrechen über mehrere Wochen sehr minutiös geplant und darauf geachtet, nicht aufzufallen. Er gilt als geistig gesund. «B. dagegen schien völlig unkontrolliert. Über ihn berichten Nachbarn, dass er im Garten Schwertkampf übte und sie sich vor ihm fürchteten», sagt Seierstad. Leute, die ihn gekannt hätten, hätten gesagt: Er ist krank. Er habe noch nie einen Job gehabt, sei ein absoluter Aussenseiter. Es stelle sich die Frage, was man mit Menschen wie ihm mache.

Warum wurde der Mann von den Behörden nicht stärker ins Visier genommen? Er war dem Geheimdienst im Jahr 2015 als potenziell radikalisierter Muslim gemeldet worden. Die Behörden seien diesem Verdacht damals nachgegangen, hätten es aber für unwahrscheinlich gehalten, dass er eine politisch motivierte Gewalttat begehen würde. Im vergangenen Jahr wurde ihm wegen einer Morddrohung gegen seinen Vater der Besuch seiner Eltern untersagt, und 2012 war er wegen Einbruchs und des Kaufs von Haschisch verurteilt worden.

Zudem stand B. im Verlauf mehrerer Jahre immer wieder im Kontakt mit dem Gesundheitsdienst. Der Verdacht auf eine psychische Erkrankung habe sich nun erhärtet. Zu Details über die psychische Gesundheit des Mannes wollte sich Omholt nicht äussern, um Zeugenaussagen nicht zu beeinflussen.

Eine psychische Erkrankung hätte auch Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit des Angreifers. Der Täter wurde deshalb für die Untersuchungshaft in einer medizinischen Einrichtung untergebracht. Die psychiatrische Begutachtung B.s könnte mehrere Monate in Anspruch nehmen.