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Verteuerter BenzinpreisAutofahrer haben 650 Millionen zu viel bezahlt

Treibstoffimporteure haben die Klimakosten auf die Autofahrerinnen überwälzt: 1,2 Rappen pro Liter zu viel machte das in den letzten Jahren aus.

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Klimaschutz hat ein Preisschild. Für die Autofahrer waren es rund 2 Rappen pro Liter, die sie in den letzten Jahren zusätzlich zahlen mussten. Mit diesem Geld finanzierten die Treibstoffimporteure Klimaschutzmassnahmen, die einen Teil der CO₂-Emissionen aus Benzin und Diesel kompensieren. Für jede eingesparte Tonne CO₂ erhielten sie vom Bund eine Bescheinigung.

Zwischen 2013 und 2020 mussten die Importeure auf Geheiss des Bundes kumuliert 6,2 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Realiter waren es mit 11,2 Millionen fast doppelt so viel. «Wir haben 5 Millionen Tonnen CO₂ mehr reduziert, als wir mussten», bestätigt Marco Berg. Er ist Geschäftsführer der Stiftung Klimaschutz und CO₂-Kompensation (Klik), die im Auftrag der Branche in Schweizer Klimaschutzprojekte investiert, dies in den Bereichen Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Unternehmen. Der Überschuss dürfte gar noch grösser sein, stehen doch aus der Periode 2013 bis 2020 noch Bescheinigungen für etwa 1 Millionen Tonnen CO₂-Reduktionen aus.

Pro Liter 1,2 Rappen zu viel

Insgesamt also belaufen sich die Einsparungen über das Klimaziel hinaus auf rund 6 Millionen Tonnen CO₂. Diese Übererfüllung hat Klik circa 650 Millionen Franken gekostet und das Benzin an der Zapfsäule um etwa 1,2 Rappen pro Liter verteuert. Die Autofahrer haben also jahrelang zu viel Aufschlag bezahlt. Um die Kompensationsverpflichtung zu erfüllen, hätte pro Liter ein Plus von etwa 0,8 Rappen statt 2 Rappen genügt.

Hat die Branche den Autofahrern das Geld aus der Tasche gezogen? Berg bestreitet das: «Es ist sinnvoll, mehr Projekte zu fördern, um auf der sicheren Seite zu sein.» Man wisse im Voraus nie, wie viele Bescheinigungen die geförderten Projekte abwürfen, sprich: wie viel CO₂-Reduktionen sich daraus ergäben. Dieses sogenannte Banking sei gängige Praxis und bezwecke nicht zuletzt, Bussen zu vermeiden, die sonst in die allgemeine Bundeskasse flössen. Zur Einordnung: Erreichen die Treibstoffimporteure ihr Klimaziel nicht, müssen sie pro fehlende Tonne CO₂ 160 Franken zahlenalso in etwa das Doppelte dessen, was es sie im Inland derzeit kostet, in Klimaschutzprojekten eine Tonne CO₂ zu reduzieren. «Das Banking», findet Berg, «liegt damit auch im Interesse der Autofahrer, lassen sich doch so Strafzahlungen vermeiden, die sie teuer zu stehen kämen.»

Umstrittene Anrechnung

Offen ist, was nun mit den überschüssigen Bescheinigungen passieren soll. Geplant ist, dass die Importeure sie sich für die Periode 2021 bis 2024 anrechnen lassen dürfen. Das hätte Folgen. Neue Klimaschutzprojekte würden so «erst mit Blick auf die Zeit nach 2024 nötig»; so steht es in einem Bericht der nationalrätlichen Umweltkommission.

Ermöglichen soll diese Anrechnungsregel ein Passus im CO₂-Übergangsgesetz, das es braucht, weil das Stimmvolk im Juni das revidierte CO₂-Gesetz abgelehnt hat; es soll bestimmte Elemente aus dem bestehenden CO₂-Gesetz weiterführen, bis eine Neuauflage des CO₂-Gesetzes unter Dach und Fach ist. In der Herbstsession hat der Nationalrat das Übergangsgesetz gutgeheissen. Die Zeit drängte: Es soll auf das neue Jahr hin in Kraft treten; der besagte Passus war kein Streitpunkt in der Debatte.

Doch das könnte sich ändern, wenn die vorberatende Umweltkommission des Ständerats, die diesen Donnerstag und Freitag tagt, das Übergangsgesetz berät. Umweltverbände fordern jetzt, dass sich die Treibstoffimporteure nur jene Emissionsreduktionen anrechnen lassen dürfen, die nach 2020 erfolgt sind. «Sonst werden bestehende und neue Klimaschutzprojekte um jene 6 Millionen Tonnen CO₂ weniger gefördert», sagt WWF-Klimaexperte Patrick Hofstetter. Betroffen seien etwa Biogasprojekte, Holzschnitzelfeuerungen und Fernwärmenetze.

Klik-Geschäftsführer Berg widerspricht. Die Branche geht davon aus, dass die Kompensationspflicht bis 2030 weitergeführt wird und sie dafür total 20 Millionen Bescheinigungen benötigen wird. Die 6 Millionen Bescheinigungen aus der Periode 2013 bis 2020 seien gewissermassen eine Vorleistung der Autofahrer, so Berg. Es brauche aber so oder so weitere Anstrengungen und damit neue Investitionen in Klimaschutzprojekte. Die Förderverträge mit den Projektpartnern seien denn auch bereits bis 2030 verlängert worden.

«Eine Doppelanrechnung wäre ein Bschiss und brächte weniger Klimaschutz.»

Patrick Hofstetter, WWF Schweiz

Wie lange die Kompensationspflicht bestehen bleibt, ist politisch indes noch nicht entschieden. Auch nicht, wie stark der Satz steigen wird. Das Übergangsgesetz soll dem Bundesrat das Recht einräumen, ihn bis auf 40 Prozent anzuheben; derzeit liegt er bei 12 Prozent. Mit dem neuen, aber abgelehnten CO₂-Gesetz hätte er bis auf 90 Prozent steigen können. Für WWF-Experte Hofstetter zeigt der Fall, dass die Treibstoffimporteure in der Vergangenheit zu Unrecht über angeblich scharfe Klimaauflagen der Politik gejammert hätten. «Der Bund hätte ihnen viel strengere Klimaziele auferlegen müssen.» Umso stossender sei, dass die Branche nun auch noch dafür belohnt werden solle.

Die Umweltverbände kritisieren zudem, dass die Emissionsreduktionen nun zweimal an die Ziele des CO₂-Gesetzes angerechnet werden, einmal in der Periode 2013 bis 2020 und einmal 2021 bis 2024. «Eine solche Doppelanrechnung wäre ein Anrechnungsbschiss und brächte weniger statt mehr Klimaschutz», sagt Hofstetter. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) dementiert indes. Doppelzählungen könnten nicht auftreten, weil inländische Bescheinigungen nicht an das gesetzliche Verminderungsziel anrechenbar seien. Hierfür entscheidend seien die Emissionen gemäss Treibhausgasinventar sowie im Ausland erbrachte Verminderungen.

Einen anderen Schluss als die Umweltverbände zieht SVP-Nationalrat Albert Rösti: «Dass die Autofahrer bisher zu viel für Kompensationsmassnahmen bezahlen mussten, spricht erneut für den Antrag, den Deckel bei 1,5 Rappen pro Liter zu belassen.» Der Hintergrund: Die Treibstoffimporteure durften bis jetzt wegen der Klimaschutzauflagen maximal 5 Rappen pro Liter auf den Benzinpreis draufschlagen. Die Mehrheit der Parteien will diesen im geltenden CO₂-Gesetz verankerten Deckel beibehalten. Die SVP will ihn bei 1,5 Rappen festsetzen. Im Lichte der neuen Erkenntnis, fordert Rösti, sei es nun am Ständerat, darauf zurückzukommen.