Deutschland hat die Regelung schon - Lohnstopp für Ungeimpfte in Quarantäne auch in der Schweiz?

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Deutschland hat die Regelung schonLohnstopp für Ungeimpfte in Quarantäne auch in der Schweiz?

Ab November bekommen in Deutschland Ungeimpfte, die in Quarantäne müssen, keinen Lohnersatz mehr. Auch hierzulande stösst diese Massnahme auf Sympathien.

Darum gehts

  • In Deutschland soll der Staat für die Quarantäne von ungeimpften Arbeitnehmenden ab November nicht mehr aufkommen.

  • Die Regel trifft auch in der Schweizer Wirtschaft und Politik auf Sympathien.

  • «Angestellte, die sich nicht impfen lassen, nehmen weder die Verantwortung gegenüber ihrem Unternehmen noch gegenüber der Gesellschaft wahr», sagt SP-Nationalrat Mustafa Atici.

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben sich darauf geeinigt: Ungeimpfte, die nach Kontakt mit Corona-Infizierten oder nach der Rückkehr von einer Reise in Quarantäne müssen, sollen ab November keine staatliche Ersatzleistung mehr bekommen. Wenn der Arbeitgeber ihnen den Lohn nicht freiwillig bezahlt für die Quarantäne-Zeit, hätten sie also für diese Zeit einen Lohnausfall.

«Warum sollen andere dafür zahlen, dass jemand für sich entscheidet, sich nicht impfen zu lassen», argumentierte der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Im Wiederholungsfall soll Arbeitgeber reagieren können

Damit erhöht Deutschland den Druck auf Ungeimpfte. Ist das auch in der Schweiz denkbar? Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik hegen Sympathien für diese Lösung, wie sie auf Anfrage sagen.

«Angestellte, die sich nicht impfen lassen, nehmen weder die Verantwortung gegenüber ihrem Unternehmen noch gegenüber der Gesellschaft wahr», sagt SP-Nationalrat Mustafa Atici. Es sei daher wichtig, dass Strukturen geschaffen würden, damit die Menschen sich impfen liessen. «Wenn jemand zum Beispiel in einem Restaurant oder im Logistikbereich arbeitet, erwarte ich, dass sich diese Personen auch impfen lassen.»

«Es würde Sinn machen»

«Es würde Sinn machen, wenn Unternehmen die Arbeitsausfälle nicht mehr entschädigen müssten», sagt auch FDP-Fraktionspräsident Beat Walti. Nicht alle Mitarbeitenden könnten im Quarantänefall ihre Arbeit im Homeoffice erledigen. «Für Unternehmen kann es zu einem wirtschaftlichen Schaden führen, wenn das Personal in dieser Zeit nicht flexibel einsetzbar ist.»

Mit zunehmender Dauer der Pandemie stellt sich laut Walti die Frage, was als Problem der Allgemeinheit abgewälzt werden soll und was als Konsequenz für die Einzelnen gilt. «Wichtig ist dabei aber auch, dass die Phase des Lohnausfalls möglichst kurz gehalten wird.» Als Option schlägt er frühzeitige Tests vor, die im Falle eines negativen Resultats eine schnelle Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglichen.

Im Wiederholungsfall den Lohn streichen

Lukas Schmid vom Thinktank Avenir Suisse hält eine solche Massnahme, wie Deutschland sie einführt, auch in der Schweiz für gerechtfertigt – allerdings nur in Ausnahmefällen. «Ich könnte mir eine Lösung vorstellen, in denen Arbeitgeber in gewissen Fällen von der Pflicht zur Lohnfortzahlung entbunden werden. Etwa, wenn Mitarbeitende wiederholt in Quarantäne müssen und sich partout nicht impfen lassen wollen.»

Um den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen, finde er es aber nicht richtig, den Leuten präventiv einen Lohnstopp anzudrohen. «Das käme einem Systemwechsel beim Umgang mit Krankheitsfällen gleich. Eine generelle Umstellung auf das deutsche Modell ginge für uns deshalb zu weit.»

«Impf-Nötigung»

Andere lehnen einen weitergehenden Druck auf Ungeimpfte dezidiert ab. SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Diana Gutjahr: «Würde die Entschädigung während der staatlich verordneten Quarantäne bei ungeimpften Mitarbeitenden durch die Erwerbsersatzordnung nicht mehr vergütet, käme dies einer Impfnötigung gleich.» Vernünftig wäre ihrer Meinung nach hingegen, wenn die Quarantänedauer überdacht würde.

«Fällt der Test negativ aus oder hat man einen Antikörpernachweis, sollten Kontaktpersonen von Infizierten die Quarantäne sofort wieder verlassen können», so Gutjahr. Die heutige Regelung, die Tests erst am siebten Tag zulasse, sei nicht nachvollziehbar und belaste nebst der unternehmerischen Produktivität auch die Sozialwerke. «In dieser Diskussion vergisst man zudem, dass Geimpfte auch Träger sind und das Virus verbreiten. Deshalb ist die aktuelle Quarantäneregelung dringend zu überdenken.»

Auch der Gewerkschaftsbund ist skeptisch, was den Lohnstopp angeht. «Stand jetzt muss der Arbeitgeber die Kosten für Quarantäne-Ausfälle ja nicht selber tragen, sondern der Lohn wird in dieser Zeit zu 80 Prozent durch die EO-Kasse vergütet», sagt Zentralsekretärin Gabriela Medici. Das sei auch richtig, denn beide könnten ja nichts dafür. Die EO-Lösung ist bis Ende Jahr befristet, wird aber laut Medici «hoffentlich» verlängert. «Lohnstopp bei Quarantäne für Ungeimpfte wäre am falschen Ort Druck aufgesetzt.»

Quarantäne-Regeln

Ungeimpfte

Ungeimpfte Personen müssen nach dem Kontakt mit einer positiv getesteten Person zehn Tage in Quarantäne gehen. Treten nach Ablauf dieser Frist keine Symptome auf, dürfen sie die Quarantäne beenden. Bereits ab dem siebten Tag können sie die Quarantäne verlassen, wenn das Resultat eines PCR- oder Antigen-Schnelltests negativ ausfällt und die kantonale Stelle die verkürzte Quarantäne bewilligt.

Geimpfte

Vollständig geimpfte Personen müssen nach dem Kontakt mit einer positiv getesteten Person während zwölf Monaten nicht in Quarantäne gehen. Gezählt wird ab dem Zeitpunkt der vollständig erfolgten Impfung. Fällt der Test trotz Impfung positiv aus, müssen auch geimpfte Personen in Isolation.

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Hier findest du Hilfe:

Arbeit.swiss, Informationen und Adressen für Stellensuchende

Lohnforderung.ch, Rechte bei fristloser Kündigung

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

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