Datenleck - Impfskeptiker veröffentlichen unzensierte Patientenakte

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DatenleckImpfskeptiker veröffentlichen unzensierte Patientenakte

In einem Telegram-Kanal teilen Impfskeptiker Fotos einer Patientenakte aus einem Berner Spital. Darauf ersichtlich: Namen, Daten und Details von Patienten.

Darum gehts

  • Auf Telegram kursierte am Dienstagabend ein Foto einer Patientenakte aus dem Berner Spital Riggisberg.

  • Darauf sind Namen, Geburtsdaten und andere sensible Angaben ersichtlich.

  • Der Ehemann der betroffenen Patientin ist schockiert.

  • Die Insel Gruppe leitet eine interne Untersuchung ein.

  • Gemäss Rechtsanwalt Adrian Wyss könnte der Täterschaft bis zu drei Jahren Haft drohen.

In einer Telegram-Gruppe, in der mögliche Impfschäden nach der Covid-Impfung diskutiert werden, kursierte am Dienstagabend ein Foto. Darauf zu sehen: Die Patientenakte einer Frau, die ins Berner Spital Riggisberg eingewiesen wurde. Auf der Patientenakte sind der Name der Patientin, ihr Alter, ihr Beruf, ihre Wünsche für die weitere Behandlung und die Kontaktdaten ihres Mannes erkennbar. Zudem sind auf dem Foto auch Namen und Geburtsdaten anderer Patienten auf der gleichen Pflegestation ersichtlich. Ein Bild mit den detaillierten Notizen der Ärzte- und Pflegerschaft über den Krankheitsverlauf der Frau postete der Telegram-Benutzer ebenfalls in die Gruppe.

Grund für den Beitrag: Die Frau habe kurz nach ihrer ersten Covid-Impfung anfangs September ärztliche Betreuung im Spital benötigt. Für die Person, die das Bild gemacht und geteilt hat, gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen der Impfung und der Spitaleinlieferung. Das Bild der geheimen Patientenakte wurde inzwischen wieder aus dem Chat gelöscht – wie viele der rund 29’000 Mitglieder der Gruppe die Akte einsehen konnten, ist unklar.

Ehemann: «Gibt keine Hinweise auf Zusammenhang mit Impfung»

Leserin S.H.* stiess in der Gruppe auf das Bild der Patientenakte: «Ich bin auf Telegram gelandet, weil ich auf Facebook einem Link zu Impfschäden gefolgt bin.». Für sie ist klar: «Das geht einfach zu weit, das greift ins Persönlichkeitsrecht ein.» H: «Wären meine Daten betroffen gewesen, wäre ich auf 180.» Obwohl der Betreiber des Chats im Kanal Pflegepersonal und die Ärzteschaft aktiv zum Teilen von Bildern und Dokumenten auffordert, sei das Bild kurze Zeit nach der Veröffentlichung wieder verschwunden. Der Verfasser des Eintrags auf Telegram habe wohl realisiert, dass er sich strafbar gemacht habe, spekuliert S.H.

Als 20 Minuten – mehrere Stunden nachdem das Spital mit den veröffentlichten Daten konfrontiert wurde – Kontakt mit dem Ehemann der Patientin aufnimmt, reagiert dieser entsetzt: «Ich bin schon sehr überrascht, dass solche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.» Auch seine Ehefrau sei komplett schockiert gewesen. Dass die Spitaleinweisung seiner Frau mit der Impfung in Verbindung stehe, sei nicht erwiesen: «Es gibt keine Beweise für einen Zusammenhang.» Wie das Ehepaar in diesem Fall weiter vorgehen werde, sei noch nicht beschlossen.

Spital leitet interne Untersuchung ein

«Grundsätzlich ist das Veröffentlichen von Patientendaten ein strafbarer Tatbestand und eine Verletzung des Berufsgeheimnisses, dem sich die Mitarbeitenden verpflichtet haben», sagt Petra Ming von der Berner Insel Gruppe, zu der das Spital Riggisberg gehört. Ming bestätigt, dass das Foto einen Ausschnitt des elektronischen Patientendossiers der Insel Gruppe zeige.

Der zuvor unbekannte Fall werde nun intern abgeklärt, eine Compliance-Untersuchung sei eingeleitet worden. «Die Zugriffe auf die Patientendaten werden geloggt», so Ming. Sollte es sich bei der Person, die das Foto gemacht hat, um eine Angestellte oder einen Angestellten der Insel Gruppe handeln, so würde dies personalrechtliche Sanktionen sowie eine Strafanzeige nach sich ziehen.

*Name der Redaktion bekannt

«Täterschaft droht bis zu drei Jahre Gefängnis»

Dr. Adrian Wyss ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Bratschi AG.

Dr. Adrian Wyss ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Bratschi AG.

Bratschi AG

Die Veröffentlichung einer Patientenakte stelle nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Person dar, was zu zivilrechtlichen Ansprüchen führen könne, sondern sei auch strafbar, sagt Rechtsanwalt Dr. Adrian Wyss von der Kanzlei Bratschi AG. «Wird die Patientenakte durch eine im betroffenen Spital angestellte Person Dritten zugänglich gemacht, begeht diese Person eine Verletzung des Berufsgeheimnisses.» Dabei werde der Täter oder die Täterin bei einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft.

Strafmass gleich für Ersteller und Verbreiter

«Es können sich nicht nur die Träger des Berufsgeheimnisses strafbar machen, sondern auch Dritte, welche die entsprechenden Aufnahmen verbreiten», so Wyss. Wer nämlich eine Aufnahme von der er weiss oder zumindest annehmen muss, dass sie vom Übermittler durch eine Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs hergestellt wurde, Dritten zugänglich mache, könne ebenfalls mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert werden. «Damit wird zwischen Ersteller und Verbreiter der Fotografie mit Blick auf das Strafmass nicht unterschieden», sagt der Rechtsanwalt.

Für das betroffene Spital sei ein solches Leck von sensiblen Patientendaten ebenfalls höchst problematisch, insbesondere wenn die fragliche Fotografie von einem Angestellten gemacht wurde. Grundsätzlich könne ein Spital für die strafbaren Handlungen seiner Angestellten selbst nicht verantwortlich gemacht werden. Habe das Spital jedoch nicht genügend Vorkehrungen getroffen, um ein solches Leck zu verhindern, mache es sich unter Umständen privatrechtlich haftbar und begehe zudem eine Verletzung des Datenschutzgesetzes.

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