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Deutschland vor der WahlNoch verstecken sich die Linken hinter Scholz

Die linke Spitze der SPD: Strippenzieher Kevin Kühnert (32, links) mit den Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans (69) und Saskia Esken (60).

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Es ist noch keine zwei Jahre her, da wollte Saskia Esken die Grosse Koalition mit Angela Merkel lieber heute als morgen aufkündigen. Ihrem Rivalen um den SPD-Vorsitz, Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz, hielt die Sozialistin vor, er sei gar kein richtiger Sozialdemokrat. Norbert Walter-Borjans fand, in der aktuellen Schwäche sei es sinnlos, wenn die Partei für 2021 überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufstelle – und wenn, dann bestimmt nicht Scholz.

Auf Wunsch der Mitglieder übernahmen Esken und Walter-Borjans kurz darauf die Partei, Scholz blieb gedemütigt zurück. Kevin Kühnert, der feurige Chef der Jungsozialisten, der hinter den Kulissen den Coup gegen das Scholz-«Establishment» orchestriert hatte, versprach sogleich eine linkere Politik, eine mit «Visionen», was gleichermassen gegen den Pragmatiker Scholz wie dessen Vorbild Helmut Schmidt zielte, den SPD-Kanzler der 70er-Jahre.

Acht Monate später klang auf einmal alles ganz anders. Die SPD regierte immer noch mit Merkel – und Esken, Walter-Borjans und Kühnert kürten Olaf Scholz einmütig zum Kanzlerkandidaten. Die Parteilinke hatte eingesehen, dass sie über keinen eigenen Anwärter mit dem nötigen Format verfügte und die SPD sich selbst verzwergen würde, stellte sie keinen auf.

Am sensationellen Aufstieg der Partei an die Spitze der Umfragen hatte die linke Führung in den letzten Wochen dann durchaus ihren Anteil – nämlich, indem sie hinter dem Kandidaten Scholz vollkommen verschwand. Von Esken oder Kühnert war so gut wie nichts zu hören, und schon gar nie ein kritisches oder böses Wort. Kein linker Zwischenruf sollte die Mitte-Botschaft des möglichen nächsten Kanzlers stören. Kühnert half mit scharfen Tweets an seine fast 300’000 Anhänger vielmehr eifrig mit, Zweifel am Charakter des Unions-Kandidaten Armin Laschet zu säen.

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Scholz habe Esken und Walter-Borjans «versteckt», schimpften CDU und CSU zuletzt immer verzweifelter, damit man nicht merke, wie links seine Partei eigentlich sei. Laschet verglich Kühnert mit der Comicfigur Troubadix, den die Gallier auch immer hätten fesseln müssen, um ihn am falschen Singen zu hindern.

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Programmatisch hat die linke Führung die SPD in den letzten zwei Jahren dominiert. Im Wahlprogramm fordert sie nicht nur höhere Steuern für Reiche, sondern auch eine kräftige Anhebung des Mindestlohns, des Arbeitslosengelds, der Kinderunterstützung, der Pflegegelder und der Renten. Die Mieten will sie für fünf Jahre einfrieren und die Aussenpolitik pazifistischer gestalten. In der Summe ist es eines der linksten Programme seit vielen Jahren.

Parteivize Kühnert setzte zudem durch, dass viele Jungsozialistinnen und Jungsozialisten auf aussichtsreichen Listenplätzen für den Bundestag kandidieren. Gewinnt die SPD dank dem ausgewiesenen Mittepolitiker Scholz die Wahl, wird die neue Fraktion also zusätzlich nach links rücken.

Der Kanzlerkandidat und seine Parteichefs: Olaf Scholz (Mitte) mit Esken und Walter-Borjans.

Dass die SPD mit einem linken Programm und einem eher konservativen Kanzlerkandidaten in die Wahl zog, gab es auch schon früher, etwa 2013 mit Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. 1998 beendete der Pragmatiker Gerhard Schröder die Ära von Helmut Kohl, Parteichef Oskar Lafontaine hatte ihm zuvor ein linkes Programm aufgenötigt. Der Streit zwischen den beiden Alphatieren endete wenige Monate darauf in einem Eklat: Lafontaine legte alle Ämter nieder und trug später entscheidend dazu bei, dass die SPD sich spaltete und die heutige Linkspartei entstand.

Lafontaine hatte damals freilich ein ungleich grösseres Gewicht in der Partei als heute Esken oder Kühnert. Gewinnt die SPD die Wahl, wissen auch die Linken, dass sie dies nicht ihrem Programm, sondern vor allem dem überzeugenden Kandidaten verdanken. Das dürfte Scholz fürs Erste etwas Beinfreiheit verschaffen.

Doch schon bei der Frage nach der richtigen Koalition dürften die ideologischen Gräben schnell aufbrechen. Kühnert und Esken haben in der Vergangenheit immer wieder für eine Regierung mit Grünen und Linkspartei geworben – die gängigen Chiffren dafür lauten «progressives Bündnis» oder «Regierung jenseits der Union». Einer Zusammenarbeit mit der Steuersenkungspartei FDP blicken Genossen wie sie nicht mit Skepsis, sondern mit Grausen entgegen.

Scholz wiederum kann sich eigentlich nicht vorstellen, mit der Linken zu regieren. Aus seiner Sicht weicht diese vor allem in der Aussen- und Sicherheitspolitik zu stark vom bundesrepublikanischen Konsens ab. Eine Koalition mit der FDP (sowie den Grünen) hingegen würde es ihm ermöglichen, linke Forderungen fallen zu lassen, an deren Durchsetzung oder Sinn er sowieso nicht glaubt.

Kühnert wiederum hat bereits angekündigt, dass er sein Amt als stellvertretender Parteichef niederlegen werde, falls Scholz, um Kanzler zu werden, nach der Wahl erneut eine Grosse Koalition mit der Union eingehe. Es ist eine offene Warnung an den ungeliebten Kandidaten, der die Paarung mit den Christdemokraten, die bei der SPD-Linken so verhasst ist, habituell und ideologisch verkörpert wie kein Zweiter.