Junge Erkrankte zögern zu lange - «Je früher die Patienten kommen, desto grösser die Überlebenschancen»

Publiziert

Junge Erkrankte zögern zu lange «Je früher die Patienten kommen, desto grösser die Überlebenschancen»

Covid-Patienten gehen oft zu spät ins Spital. Dann sind sie bereits in einem Zustand, in dem sie intensivmedizinisch behandelt werden müssen.

Darum gehts

  • Weil sie bei Corona-Symptomen zu lange vor einem Arztbesuch zögern, landen einige Patientinnen und Patienten direkt auf der Intensivstation.

  • Laut dem BAG handelt es sich dabei vor allem um jüngere Personen.

  • «Vier bis fünf Tage nach einem positiven Test entscheidet sich, ob Covid-19 einen schweren Verlauf nimmt», sagt Josef Widler, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft.

Erst im letzten Moment holen sich einige Corona-Patientinnen und -Patienten ärztliche Hilfe. Diverse Male hätten Spitäler gemeldet, dass die Corona-Patientinnen und -Patienten nicht mehr über ein normales Spitalbett, sondern aufgrund des bereits sehr schlechten Gesundheitszustands direkt auf die Intensivstation eingewiesen würden, sagte Patrick Mathys, Krisenmanager des Bundesamts für Gesundheit (BAG), an einer Medienkonferenz am Dienstag. Der Bund informierte darüber, dass Infektionszahlen und Hospitalisierungen zurückgehen, die Lage in den Spitälern aber angespannt bleibe.

Dass die Leute erst in letzter Minute ärztliche Hilfe holen, treffe «vor allem auch auf jüngere Personen zu», sagte Mathys. Wahrscheinlich hielten diese ihre Corona-Erkrankung für einen Schnupfen und warteten das Wochenende zuhause ab, obwohl sich ihr Zustand verschlechtert habe. «Wenn sie dann zur Ärztin oder zum Arzt gehen, sind sie bereits in einem Zustand, der einer medizinischen Intervention bedarf.»

Unter-20-Jährige sind am stärksten gefährdet

Mit knapp 500 Fällen pro 100’000 Einwohnerinnen und Einwohnern in den letzten zwei Wochen weist die Altersgruppe der Zehn- bis 19-Jährigen laut dem BAG die höchste Inzidenz auf. Mathys stellte klar, dass schwere Verläufe auch vor Personen ohne irgendwelche Risikofaktoren keinen Halt machten. «Wenn Sie Symptome haben und wenn sich die Symptome deutlich verschlechtern, gehen Sie bitte zur Abklärung zu einer Ärztin oder einem Arzt», rief er auf.

Josef Widler, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft, kennt das Problem. «Vier bis fünf Tage nach einem positiven Test entscheidet sich, ob Covid-19 einen schweren Verlauf nimmt», sagt er zu 20 Minuten. Sei ein Patient positiv getestet, frage er deshalb immer nach Ablauf dieser Frist nach – und veranlasse - wenn nötig – die Einweisung ins Spital. Stelle er bereits bei der Erstdiagnose erhöhte Entzündungswerte oder schlechte Sauerstoffwerte fest, könne auch bereits dann eine Spitaleinweisung nötig werden.

Laut BAG gehören zu den schweren Symptomen: Atembeschwerden oder Kurzatmigkeit; Schmerzen oder Druckgefühl im Brustbereich; Verlust der Sprach- oder Bewegungsfähigkeit. Dann sollte umgehend ein Arzt gerufen werden. Leichtere Symptome wie Fieber, trockener Husten oder Müdigkeit können zu Hause auskuriert werden.

Einer von fünf Intensiv-Patienten stirbt

Dass die Krankheit nach vier bis fünf Tagen in eine kritische Phase eintreten könne, sei schon seit mindestens einem Jahr bekannt, sagt Widler. Trotzdem sei dieses Wissen offenbar noch nicht breit bekannt. «Je früher Covid-Patientinnen und -Patienten mit schwerem Verlauf auf die Intensivstation kommen, desto grösser ist die Chance, dass sie dort lebend wieder rauskommen», sagt Widler. Die Covid-Intensivstation überlebt eine von vier Personen nicht, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete.

Laut BAG-Analysen liegen derzeit vor allem Ungeimpfte auf der Intensivstation. Fühlen sie sich unverwundbar? Josef Widler sagt, er würde eher von unterschiedlichen Temperament sprechen. «Einige Patienten sind sehr ängstlich und kommen bei den kleinsten Symptomen. Andere warten zu und sagen sich, ‹da muss ich kein Theater drum machen, wenn ich eine kleine Grippe habe›.» Zentral sei, dass ein Arzt oder eine Ärztin seine oder ihre Patientinnen und Patienten kenne und bei den Zögerern notfalls interveniere.

Auch Gesundheitspsychologin Irma Heller sagt, junge Menschen könnten eventuell vor einem Arztbesuch zögern, da sie davon ausgingen, dass bei ihnen kaum ein Risiko für einen schweren Verlauf bestehe. «In der Folge bagatellisieren sie vielleicht ernstzunehmende Symptome.» Einen weiteren möglichen Grund sieht sie in einer gewissen Müdigkeit beim Thema Corona.

My 20 Minuten

Als Mitglied wirst du Teil der 20-Minuten-Community und profitierst täglich von tollen Benefits und exklusiven Wettbewerben!

Deine Meinung

58 Kommentare