Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Analyse zum Wahlsieg des Kreml Warum Wladimir Putins Welt nicht in Ordnung ist

Wegen Kontakt mit Corona-Infizierten in Isolation: Präsident Wladimir Putin gab seine Stimme für die Parlamentswahl online ab.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Die Kremlpartei hat die Parlamentswahl gewonnen – was denn auch sonst? Zwar sind es mit rund 50 statt 54 Prozent ein paar Punkte weniger als vor fünf Jahren, doch dank dem russischen Wahlsystem hat Wladimir Putins Partei das Parlament für fünf weitere Jahre auf sicher, absolute Mehrheit inklusive. Und dann sind da ja noch die Kommunisten und die Ultranationalisten, welche die letzten Jahrzehnte immer brav mit dem Kreml gestimmt haben. Ist Wladimir Putins Welt damit nach den Wirren um Oppositionschef Alexei Nawalny wieder in Ordnung?

Keineswegs. Der Präsident müsste die letzten Tage selber zu diesem Schluss gekommen sein in seinem Bunkerbüro, in das er sich zurückgezogen hat. Nicht mal seine Stimme für die Parlamentswahl konnte er persönlich abgeben. Bilder zeigen ihn vor seinem Computer bei der Onlinestimmabgabe. Damit lag er Corona-bedingt ganz im Trend, doch wie Putin abgestimmt hat, bleibt sein Geheimnis: Denn eigentlich braucht man für das Online-Voting ein Handy, das er laut eigenen Angaben nicht besitzt. Egal, Putin hatte sich vor dem Urnengang in Selbstisolation begeben, weil sich, wie er selber sagte, in seinem engsten Umfeld «Dutzende Leute» mit Corona infiziert haben.

Zweiwöchige Quarantäne vor jedem Treffen

Das ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit in Putins Welt. Denn nichts wird in Russland so genau in Szene gesetzt, so genau getaktet und kontrolliert wie das engste Umfeld des Präsidenten. Er tritt in der Öffentlichkeit immer ohne Maske auf und schüttelt ungeniert Hände. Doch die Sorglosigkeit täuscht: Wer ihn trifft, muss sich mehrmals testen lassen, eine zweiwöchige Quarantäne vor einem Treffen ist die Regel. Und dann sind es ausgerechnet seine engsten Mitarbeiter, unter ihnen offenbar vor allem Sicherheitsleute, die sich nicht um die strengen Regeln scheren.

Genau inszenierter Händedruck: Kurz bevor Putin sich in Isolation begab, empfing er im Kreml den syrischen Machthaber Bashar al-Assad.

Auch in der Politik trügt die Fassade von Sicherheit und Kontrolle. Zwar hat der Kreml die liberale Opposition weitgehend ausgeschaltet, die in der Bevölkerung ohnehin nur begrenzten Widerhall findet. Doch die Kommunisten haben rund 20 Prozent der Stimmen geholt und machen klar, dass sie das Zeug hätten, dem Kreml gefährlich zu werden. Und dies, obwohl aufmüpfige, vor allem jüngere Kandidaten vorsorglich von der Wahl ausgeschlossen worden waren.

Solange der ewiggestrige Vorsitzende Gennadi Sjuganow im Amt bleibt, der seit bald 30 Jahren auf den Kreml schimpft und gleichzeitig mit ihm paktiert, kann Putin beruhigt sein. Welchen Kurs die Partei danach einschlägt, ist aber völlig offen. Das Gleiche gilt für die Ultranationalisten: Auch deren Chef Wladimir Schirinowski ist ein treuer Stimmenbeschaffer für den Kreml. Wie Sjuganow ist er mittlerweile Mitte 70, bei den nächsten Wahlen dürften die beiden ihre Partei nicht mehr anführen können.

Die Amtszeitverlängerung dürfte er sich auf Vorrat besorgt haben – sicher ist sicher.

Putin selber ist zwar «erst» 68. Dank einer Verfassungsänderung könnte er bis 2036 im Amt bleiben, also praktisch auf Lebzeiten. Ob er das tun wird, ist offen. Ganz offensichtlich hat der Kreml noch keinen Plan, wie man Putin ablösen könnte. Die Amtszeitverlängerung dürfte er sich auf Vorrat besorgt haben – sicher ist sicher. Doch der Generationenwechsel ist unausweichlich, egal wie viele Exponenten der alten Putin-Garde der Kreml auf die Wahllisten setzt.

Die Kremlpartei Einiges Russland hat sich eine Zweidrittelmehrheit gesichert: Auszählung der Stimmen in Wladiwostok.

Und dann wird das Land wohl auch wieder aus dem Dornröschenschlaf erwachen, in den es nach der Repressionswelle der letzten Monate gefallen ist. Die Massen begehren nicht auf, in der Bevölkerung macht sich stattdessen ein Gefühl von bleierner Stagnation breit. Viele Russen haben sich von diesem Staat verabschiedet, der so sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Sie betrachten ihn längst nicht mehr als Gemeinwesen, in dem sie Verantwortung tragen, sondern kümmern sich nur noch um die eigene Familie und den engsten Freundeskreis.

Viele Russen glauben diesem Staat, der sie so oft belogen und betrogen hat, auch nichts mehr. Das zeigt sich gerade dramatisch bei der Corona-Politik. Wenn neue Massnahmen wie Zertifikats- oder Impfpflicht verfügt werden, ist für viele die erste Frage, wie man die Regel umgehen kann, oder einfach nur, wie hoch die Busse ist. Zwar entwickelte Russland mit Sputnik die erste Impfung gegen die Pandemie überhaupt, die laut unabhängigen Wissenschaftlern gut und sicher wirkt. Doch die russische Impfrate ist extrem tief. Selbst Putin scheint hier seinem eigenen Staat zu misstrauen: Nun werde sich zeigen, was Sputnik tauge, sagte er, als er sich in Isolation verabschiedete. Es klang wie eine Drohung.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Auch in der Politik vertraut er nur auf seinen engsten Machtzirkel. Selbst das eigene Volk betrachtet er offensichtlich als ihm feindlich gesinnt. Anders kann man den Aufwand nicht erklären, den der Kreml betrieben hat, um vor den Parlamentswahlen jeden auszuschalten und mundtot zu machen, der in der Duma etwas hätte fordern können, das dem Kreml nicht passt. Oder auch nur im Wahlkampf bei einem Hinterhoftreffen mit potenziellen Wählern auf den Präsidenten schimpft.

Das war nicht immer so. Als Putin 2001 an die Macht kam, stand er für Aufbruch, für schnelle und auch unkonventionelle Lösungen. Doch statt seine Popularität und die guten Jahre des hohen Ölpreises für einen Aufbruch zu neuen Ufern zu nutzen, gab er sich mit der Verwaltung der errungenen Macht zufrieden. Inzwischen geht es um nichts anderes mehr als darum, diese Macht auch für die nächsten Jahrzehnte abzusichern. Wie ein Russland der Zukunft aussehen könnte, ist schon lange keine Frage mehr, die im Kreml diskutiert wird.