Mehmedi exklusiv im Interview - «Meine Ehefrau hat mir vom Nati-Rücktritt abgeraten»

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Mehmedi exklusiv im Interview«Meine Ehefrau hat mir vom Nati-Rücktritt abgeraten»

Admir Mehmedi spricht mit 20 Minuten exklusiv über seinen Nati-Rücktritt, welche Pläne er in Zukunft verfolgen will und wieso seine Ehefrau ihm zuerst von einem Rücktritt abgeraten hat.

Darum gehts

  • EM-Held Admir Mehmedi spricht erstmals über seinen Nati-Rücktritt.

  • Dass er auch zurückgetreten wäre, wenn er an der EM Stammspieler gewesen wäre.

  • Ausserdem schwärmt er von seiner Ehefrau und den Fussballkünsten seines vierjährigen Sohnes.

Admir Mehmedi, Sie haben Historisches an der EM geleistet, dann der Rücktritt und gleichzeitig noch die Geburt Ihres Kindes. Welcher Moment hat Sie am meisten berührt?

Es waren alles emotionale Momente, aber selbstverständlich mit Abstand die Geburt meines Sohnes Nael.

Sprechen wir zuerst über den Rücktritt aus der Nati. Sie sind erst 30 Jahre alt, was hat Sie dazu bewogen?

Die ersten Gedanken kamen mir vor rund einem Jahr. Ich wollte den Zeitpunkt immer selber entscheiden. Meine Familie ist weiter gewachsen und ich hatte schwere Verletzungen. Es fühlte sich nun nach dem richtigen Zeitpunkt an – egal, wie die EM ausgegangen wäre.

Hatten Sie auch Angst, dass sie künftig vermehrt auf der Bank sitzen werden, wie an der EM?

Nein, ich hatte keine Angst. Ich habe mich in meiner Laufbahn immer durchgesetzt. Ich wäre auch zurückgetreten, wenn ich jedes Spiel 90 Minuten durchgespielt hätte. Ich habe noch zwei, drei gute Jahre als Fussballer vor mir und will die volle Energie nun dem Clubfussball widmen.

Wussten Ihre Mitspieler während der EM von Ihrem Vorhaben?

Nein, ich wollte nicht für Ablenkung sorgen. Ich liess mir nichts anmerken. Für viele Mitspieler kam es wohl auch überraschend.

«Als Nati-Spieler bist du auch Botschafter des Landes»

Im November 2022 steht bereits die WM in Katar vor der Tür. Sie hätten die noch mitnehmen können.

Für mich war jetzt der richtige Zeitpunkt. Ich habe es in den letzten Tagen auch null bereut. Im Gegenteil.

Welche Reaktionen haben Sie zum Rücktritt erhalten?

Unglaublich positive und auch sehr emotionale. Erst am Tage des Rücktritts habe ich wirklich gemerkt, dass ich mit meinen Leistungen etwas hinterlassen habe bei den Leuten. Viele haben sich bedankt, mir gesagt, dass ich als Sportler wie auch als Mensch gut angekommen sei. Das war mir immer sehr wichtig. Als Nati-Spieler bist du nicht nur irgendein Sportler, sondern auch Botschafter dieses Landes.

Vladimir Petkovic ist nun zu Girodins Bordeaux. Hätten Sie die Nati verlassen, wenn Sie das gewusst hätten?

Ja, die Entscheidung hat nichts mit dem Trainer zu tun. Wir hatten stets ein gutes und offenes Verhältnis. Er hat mich auch in schwierigen Zeiten unterstützt, hat mich immer nominiert, wenn ich fit war. Wir hatten kurz vor meinem Rücktritt auch noch ein Gespräch, wo wir uns sehr ehrlich ausgetauscht haben.

Ihr letzter Moment im Nati-Dress war der fünfte Penalty gegen Frankreich. Hätten Sie sich einen besseren Abgang vorstellen können?

Ich habe im Turnier eine Nebenrolle gespielt und trotzdem hatte ich diesen einen Moment, wo ich etwas zu diesem historischen Sieg in einer Hauptrolle beitragen konnte. Ich hatte immer wieder solche Momente – auch als ich der erste Schweizer war, der an einer EM und WM ein Tor gemacht hatte. Es ist schön, dass mir das zum Abschluss auch noch gelungen ist.

Sie sind Teil der goldenen Generation. Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben?

Klar, das ist die talentierteste Nati aller Zeiten. Aber Talent alleine gewinnt ja nichts. Dieses Team hat sich über Jahre gemeinsam entwickelt und der Erfolg ist kein Zufall. Wir waren mehrmals nahe dran, in ein Viertelfinal zu kommen. Ich bin mega stolz, dass ich Teil davon sein konnte.

Was waren die Highlights?

Sicherlich das Debüt im Wembley-Stadion gegen England. Ich als 20-Jähriger und gleich mal gegen Rio Ferdinand gespielt. Auch die Aufnahme ins Team und Gelson Fernandes sowie Valon Behrami, die mir damals vieles vereinfacht haben. Es sind Freundschaften entstanden, die auch nach meiner Nati-Karriere noch anhalten werden.

Was waren negative Momente, auf die Sie gerne verzichtet hätten?

Ganz ehrlich? Ich will auf nichts verzichten. Auch wenn ich meine Emotionen nicht immer gegen Aussen zeige, war jeder Tag im Nati-Dress eine Ehre. Wissen Sie, ich habe diesem Land alles zu verdanken, was ich heute habe und bin. Als kleiner Bub wollte ich immer nur Nati-Spieler sein – das durfte ich nun zehn Jahre lang sein und habe fast 80 Spiele gemacht.

Wie hat sich die Nati während Ihrer Karriere verändert?

Die grössten Veränderungen waren bei uns Spieler. Zuerst bist du ein junger Neuling und plötzlich gehörst du dann zu den älteren Spielern, hast mehr Verantwortung und musst auch ein offenes Ohr haben für junge Mitspieler. Ich wollte nicht nur für die Nati spielen, ich wollte stets dafür sorgen, dass es dem Team und der Stimmung gut geht. Es war auch spannend zu sehen, wie sich Xherdan Shaqiri oder Granit Xhaka von jungen Bursten zu Leadern entwickelt haben.

Wie wichtig ist die angesprochene Stimmung im Team?

Vermutlich der wichtigste Faktor für den Erfolg. Es gibt zwei Spieler, die alleine Spiele oder ganze Turniere entscheiden können: Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Alle Anderen sind ersetzbar und es geht nur über das Team.

Sie gehören auch zu einer Generation von Doppelbürgern in der Nati. Immer wieder ein Thema. Wie fest hat Sie das gestört?

Jeder darf seine Meinung haben und auch äussern. Ich habe mich stets auf meine sportlichen Leistungen fokussiert und bin überzeugt, dass diese Secondo-Generation eine Qualität in die Nati bringt, die man sonst nicht hätte. Gepaart mit den Schweizer Werten, die uns beigebracht wurden, resultierte das in einer erfolgreichen Konstellation.

«Meine Frau hat mir vom Nati-Rücktritt abgeraten»

Sie wurden auch angefeindet, wenn es Misserfolge gab. Etwa wegen des Singens der Hymne.

Wie man den Stolz gegenüber seinem Land auslebt oder zeigt, darf doch jeder selber entscheiden. Ich kann sagen, dass ich, wie auch alle der Jungs in diesem Team, verdammt stolz bin, für die Schweiz zu spielen.

Sprechen wir doch über den Familienmensch Admir Mehmedi. Wie hat Ihre Ehefrau auf den Rücktritt reagiert?

Ihre Meinung war ganz klar. Sie riet mir vom Rücktritt ab und sagte, dass ich die WM im nächsten Jahr noch mitnehmen soll. Wir haben dann viele Gespräche geführt. Schlussendlich konnte sie meine Entscheidung nachvollziehen und hat mich unterstützt.

Sie sind zum dritten Mal Vater geworden. Wie viele Kinder hätten Sie gerne?

Mit dem dritten Kind ist die Planung eigentlich abgeschlossen. Mal schauen, vielleicht möchte meine Frau oder ich noch ein Kind nach meinem Karriereende.

Was gibt Ihnen die Familie?

Es ist das Wichtigste in meinem Leben. Für mich war immer klar, dass ich jung die Frau fürs Leben finden möchte und früh eine Familie gründen möchte. Ich bin froh, dass meine Frau den Fussball als Job sieht und ich Zuhause auch mal komplett abschalten kann. Ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich so eine Frau finden durfte.

Ihre Frau ist kaum in der Öffentlichkeit. Warum?

Nein, ich habe zum Glück eine Frau, die mit mir ein Privatleben teilt und nicht alles in den sozialen Medien veröffentlicht. Ich möchte neben dem Platz auch der Privatmensch Admir Mehmedi sein, mit meiner Familie und nicht immer der Fussballer.

Ist Ihr vierjähriger Sohn Noar schon auf dem Weg zur Fussballerkarriere?

Ich habe ihn kürzlich gefragt, ob er auch eine Karriere wie Papa machen möchte. Und er meinte, dass er viel besser werden wird als ich (lacht).

Wie steht es um sein Talent?

Also für einen Vierjährigen kann er schon ganz gut Dribbeln und hat eine starke Schusstechnik. Im Kindergarten sagt die Lehrerin immer, dass er mit Abstand der Schnellste sei im Rennen und die grösste Ausdauer hat. Das kommt gut.

Würden Sie ihm eine Profifussballer-Karriere empfehlen?

Fussball ist meine Leidenschaft und wenn er das auch verfolgen möchte, würde ich das schön finden. Er soll aber das machen, was ihm Spass macht. Egal, ob er Flöte, Tennis oder Fussball spielen möchte – meine Unterstützung wird er immer haben. Das verspreche ich ihm.

Jetzt können Sie sich fussballerisch voll auf Ihren Club Wolfsburg fokussieren. Dort erwarten Sie auch einen neuen Trainer und sie spielen Champions League. Wie sehen Sie Ihre Situation dort?

Der neue Trainer ist ein sehr angenehmer Typ, hat eine gute Idee vom Fussball. Ich habe zum Verein ein gutes Verhältnis und fühle mich wohl. Aber ich würde lügen, wenn ich schon wüsste, wie die nächsten Jahre aussehen würden.

Sie haben noch ein Jahr Vertrag. Normalerweise gehen jetzt die Verhandlungen los – oder ein möglicher Transfer. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Bis jetzt gab es noch keine Gespräche. Weder der Club noch ich waren sehr glücklich mit den letzten Monaten. Aber ich gehe davon aus, dass ich diese Saison in Wolfsburg verbringen werde.

Ist auch eine Rückkehr in die Schweiz denkbar?

Ja, es ist mein Ziel irgendwann nochmals eine Saison beim FC Zürich zu spielen. Der FCZ ist mein Verein, ich würde es nie übers Herz bringen, ein anderes Trikot zu tragen in der Schweiz – ausser das des FC Winterthur. Aber das ist eine eigene Geschichte.

Was bedeutet der FCZ für Sie?

Sehr viel. Von den Fans, über die Mitarbeiter in der Geschäftsstelle bis zum Ehepaar Canepa. Ich habe eine extrem grosse Verbundenheit zu diesem Club und würde auch sehr gerne künftig in einer Position in diesem Verein arbeiten, wenn es eine Möglichkeit gibt.

Mehmedi möchte noch einmal für den FCZ spielen.

Mehmedi möchte noch einmal für den FCZ spielen.

Andreas Meier

Und was soll es in der Zeit zwischen Wolfsburg und FCZ sein?

Ich würde sehr gerne noch eine andere Kultur kennenlernen, um Erfahrungen zu sammeln. Sei das die MLS in den USA oder eine Liga im Nahen Osten. Ich mache aber nur Sachen, die mich völlig überzeugen. Vielleicht bleibe ich auch in der Bundesliga. Ich will nichts ausschliessen.

Welche Träume haben Sie noch?

Zum Abschluss meiner Karriere nochmals einen Meistertitel mit dem FCZ wäre überragend.

Es gibt mehrere Videos von Ihren Sprüchen, die Ihnen einen Kultstatus eingebracht haben bei den Fussballfans. Freuen Sie sich darüber oder ist Ihnen das unangenehm?

Ich habe mich in meinem Leben noch nie verstellt. Ich habe mich immer so gegeben, wie ich bin und sage immer, was ich denke. Ich finde das wichtig, denn viele junge Spieler machen das nicht mehr, damit sie ja nicht anecken. Wenn etwas lustig rüberkommt oder man die Menschen zum Lachen bringt, ist doch das auch etwas Schönes.

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