Unfall von Schweizer Olympia-Pferd Jet Set - «Einem Pferd kann man das Tragen von Krücken nicht verordnen»

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Unfall von Schweizer Olympia-Pferd Jet Set«Einem Pferd kann man das Tragen von Krücken nicht verordnen»

Nachdem das Pferd des Schweizer Olympioniken Robin Godel in Tokio bei einem Sprung beim Wettbewerb einen Bänderriss erlitt, musste es eingeschläfert werden. Der Veterinär und ehemalige Bündner Kantonstierarzt Rolf Hanimann erklärt, warum Jet Set sterben musste.

Darum gehts

  • Am Sonntag verunglückte das Pferd Jet Set (14) des Schweizer Reiters Robin Godel in Tokio so schwer, dass es eingeschläfert werden musste.

  • Viele Leserinnen und Leser wollten wissen, warum es nicht operiert und gesund gepflegt wurde.

  • Der renommierte Tierarzt Rolf Hanimann erklärt, warum dies nicht möglich war.

Am Sonntagmorgen erreichte eine traurige Botschaft die Redaktion: Bei der Landung nach dem fünftletzten Sprung zog sich das 14-jährige Pferd Jet Set, geritten vom Schweizer Olympia-Teilnehmer Robin Godel, beim Springreiten einen schweren Bänderriss am rechten Vorderbein zu. «Aufgrund der Schwere der Verletzung und den damit einhergehenden Schmerzen musste das Pferd kurz darauf eingeschläfert werden», teilte Swiss Olympic in einem Communiqué mit.

In den Kommentaren zum Artikel kritisierten und hinterfragten viele Leserinnen und Leser die Entscheidung, das Pferd einzuschläfern. «Es ist halt auch tragisch, dass man ein Pferd wegen eines Bänderrisses einschläfern muss. Wenn ich daran denke, was bei Sportlerinnen und Sportlern alles so geflickt werden muss, aber bei einem Pferd rentiert es offensichtlich nicht», lautet ein Kommentar. 20 Minuten wollte es wissen und befragte Rolf Hanimann, langjähriger Bündner Kantonstierarzt und Coaching-Experte, zum Vorfall.

«Wie ein Mensch, der auf den Fingernägeln der Mittelfinger geht»

Auf die Frage, warum man Jet Set einschläfern musste und ihn nicht operieren und gesund pflegen konnte, sagt Hanimann: «Bei einem Pferd sind Frakturen oder Bänderrisse grundsätzlich schwer operabel.» Die Belastungen für diese Körperpartien seien um ein Vielfaches grösser als bei Menschen – Hanimann rechnet mit rund 200 Kilo, die auf einem Vorderfuss lasten und vergleicht dies mit einem Menschen, der auf den Fingernägeln des Mittelfingers gehen müsste. «Das ist eine Frage der Dimensionen», sagt er. Zudem wäre die verletzte Stelle für immer geschwächt.

In der Humanmedizin versuche man, die Funktion eines gerissenen Bandes wiederherzustellen und könne die Patientin oder den Patienten in diesen Prozess einbinden. «Ein Pferd kann man aber nicht auf Krücken herumlaufen lassen», sagt Hanimann. Man könne dem Tier auch nicht verständlich machen, dass es die operierten Stellen längere Zeit schonen müsse – es würde sein verletztes Bein von Anfang an voll belasten. Ein Gips komme bei einem Fluchttier wie dem Pferd zudem nicht in Frage, ebenso wenig wie es wochenlang in einem speziellen Geschirr aufzuhängen: «Das wäre für das Tier mental nicht handelbar.» Die psychisch-mentale Komponente sei hier ebenso wichtig wie die chirurgisch-technische.

«Ohne Einwilligung des Pferdes kein Spitzensport»

Den Vorwurf, ein Pferd leide im Spitzensport unter seinen Aufgaben, lässt er nicht gelten: «Man tut alles, damit die Tiere das möglichst gut vertragen, vom Training bis zur Ernährung». Wenn das Pferd selbst nicht mitmachen wolle, sei heutzutage der Spitzensport mit ihm unmöglich. «Man muss es zudem genauso motivieren wie einen Menschen. Dafür sind nicht alle Tiere gleich gut geeignet.»

Es gebe im Vorfeld eine strenge Selektion, ob das Tier nebst der Belastung auch für die notwendigen Flüge und Ähnliches geeignet sei. Um Missbrauch entgegenzuwirken, würden zudem durch Behörden oder durch die Sportverbände strenge Kontrollen in verschiedenen Bereichen durchgeführt, darunter auch im Dopingbereich.

Zudem werde bei Training und Wettkampf auch die Würde des Tieres respektiert und gewahrt: «Man arbeitet mit dem Tier zusammen. Sonst sind solche Leistungen wie an Olympischen Spielen gar nicht möglich.»

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(trx)

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