Nach BAG-Ankündigung - So reagiert die Politik auf die verschobenen Corona-Lockerungen

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Nach BAG-AnkündigungSo reagiert die Politik auf die verschobenen Corona-Lockerungen

Die Ankündigung von Gesundheitsminister Alain Berset, dass es vorerst mit weiteren Lockerungen nichts wird, sorgt für Ärger. Einige Politikerinnen und Politiker zeigen angesichts der heiklen Lage aber Verständnis.

Darum gehts

  • Der Bundesrat will vorerst keine weiteren Lockerungen der Corona-Massnahmen vornehmen. Bei Politikerinnen und Politikern löst dies unterschiedliche Reaktionen aus.

  • Die SVP zeigt sich unzufrieden und fordert die sofortige Aufhebung der geltenden Massnahmen.

  • Hans-Ulrich Bigler, Chef des Gewerbeverbandes, hätte sich ein anderes Vorgehen des BAG gewünscht.

  • Mitte-Politikerin Ruth Humbel sowie GLP-Mann Martin Bäumle hingegen haben Verständnis für das Aufschieben der Lockerungen.

Am Mittwochnachmittag kündigt Gesundheitsminister Alain Berset an, dass es im Moment zu keinen weiteren Öffnungsschritten kommt. Das Bundesamt für Gesundheit schätze die aktuelle Lage als zu instabil ein. Damit bleiben etwa die Homeoffice-Empfehlung, die Maskenpflicht in den Läden, die Erfassung von Gästedaten in Restaurants oder die Zertifikatspflicht für Clubs bestehen. 20 Minuten hat bei vier Politikerinnen und Politikern nachgefragt, wie sie zum Entscheid stehen.

«Die Taskforce musste bereits einmal zugeben, dass sie falsch lagen»

Bei der SVP zeigt man sich enttäuscht über die Nicht-Lockerung. Im Gespräch mit 20 Minuten erklärt Fraktionschef Thomas Aeschi: «Die SVP hat stets die Aufhebung der Restriktionen ab dem Zeitpunkt gefordert, an dem Ältere und Risikopatienten geimpft sind.» Er gehe davon aus, dass dies aktuell der Fall sei. Nur wenige würden sich trotz Impfung infizieren – und wenn dies geschehe, seien die Krankheitsverläufe meist mild. Die Partei fordert deshalb, dass die aktuell geltenden Massnahmen aufgehoben werden und man nun in die ankündigte Phase drei der Lockerungen eintrete.

Auch Hans-Ulrich Bigler, Chef des Gewerbeverbandes, zeigt sich über den Entscheid wenig erfreut. Für den Alt-Nationalrat aus dem Kanton Zürich basiert dieser auf Mutmassungen. Dies, trotz des Umstandes, dass die Expertinnen und Experten des BAGs selbst optimistisch auf die Lage blickten. Statt der kategorischen Aussetzung der Lockerungen hätte sich Bigler eine Eventualplanung gewünscht, die man in Konsultation hätte geben können. «Es wäre besser, etwas zu tun, als einfach gar nichts» erklärt er gegenüber 20 Minuten. «Wir haben den Lockdown immer kritisiert. Die Taskforce musste bereits einmal bestätigen, dass ihre Modellrechnungen falsch waren. Der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm.»

«Das BAG soll angeben, wie viele Hospitalisierte geimpft sind»

Mehr Verständnis als ihre beiden bürgerlichen Kollegen zeigt Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel für den Entscheid des BAG. «In der Situation, in der wir uns befinden, muss man das wohl so machen.» Schuld an den fehlenden Gestaltungsmöglichkeiten des Gesundheitsministers sei die zu tiefe Impfrate. In seinen ursprünglichen Berechnungen sei der Bundesrat von einer höheren Quote ausgegangen. Dass die Zahl der Hospitalisierungen momentan steige, bereite ihr Sorgen. Es herrsche zudem Ungewissheit bezüglich der Ferienrückkehrer sowie weiterer Mutationen. Ausserdem sei nicht klar, wie sich die Impffreudigkeit in der Bevölkerung entwickelt. Für Humbel ist deshalb klar: «Wir sind in einer heiklen Phase.»

Die aktuellen Entwicklungen werfen nicht zuletzt Fragen bezüglich der Weiterverwendung des Covid-Zertifikats auf. Dieses hätte ja eigentlich noch bis Ende Sommer im Einsatz stehen sollen. Die aktuelle Entwicklung deute jedoch auf eine Verlängerung oder gar Verschärfung hin – auch wenn Humbel eine Zertifikatspflicht für den Restaurantbesuch ablehnt.

Das grosse Ziel muss gemäss der Aargauer Politikerin eine höhere Impfquote bleiben: «Lockerungen können nur erfolgen, wenn wir eine bessere Impfquote haben.» Die Erfahrungen in England – wo die Infektionszahlen mittlerweile trotz Öffnungen wieder sinken – würden Hoffnung machen. Vor allem in ländlichen Gebieten müssten gemäss Humbel nun alle beteiligten Kräfte anpacken, um der Bevölkerung die Impfung schmackhaft zu machen. Um mehr Transparenz zu schaffen, fordert die Mitte-Nationalrätin das BAG deshalb dazu auf, bei den hospitalisierten Covid-Patientinnen und -Patienten anzugeben, ob sie geimpft sind oder nicht.

«Der EM-Effekt hat sich entschärft»

«Ohne Vorsicht könnten wir mit zu hohen Zahlen in den Herbst gehen», sagt auch GLP-Nationalrat Martin Bäumle gegenüber 20 Minuten. Aus diesem Grund sei es das Mindeste, im Moment keine weiteren Lockerungen vorzunehmen. Dass die Impfbereitschaft im Land derzeit abnimmt, beunruhigt den Zürcher Politiker. Den leichten Impfdruck durch den Einsatz des Covid-Zertifikats begrüsst er: Dies garantiere Datenschutz und Wahlfreiheit. Geimpfte würden zudem für ihr Engagement belohnt. Das Covid-Zertifikat solle auf jeden Fall weiterhin im Einsatz bleiben. «Es ist klar geregelt, wo das Zertifikat verwendet werden darf. Wenn überhaupt, sollte dessen Einsatz ausgeweitet werden.»

Mit Blick auf die kommenden Monate betont Bäumle die Wichtigkeit von breitflächigen Tests. In Firmen und Schulen sollen dafür Pool-Tests zum Einsatz kommen. Der weitere Verlauf der Pandemie bleibt für den GLP-Mann aber offen: «Es hängt alles davon ab, wie wir uns bis Mitte/Ende September verhalten.» Seit rund drei Wochen erkenne er in seinem eigenen Modell eine leichte Entspannung: «Der EM-Effekt hat sich entschärft.»

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