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Anpassung der ZivilprozessordnungWas hat der Ständerat gegen die Medien?

Es erscheint ihm als «Ungleichgewicht», dass man bei einem drohenden schweren Nachteil keine Chance hat, eine Berichterstattung abzuwenden: Ständerat Thomas Hefti (FDP, GL).

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Es soll künftig einfacher sein, missliebige Medienberichte zu verhindern. Das hat der Ständerat am Mittwochmorgen so entschieden. Laut Zivilprozessordnung muss jemand heute einen «besonders schweren Nachteil» geltend machen, um die Publikation eines Berichts oder einer Sendung zu stoppen. Künftig genügt ein «schwerer Nachteil».

Das kann die Aufgabe der Medien fundamental behindern, wie ein Fall aus dem Kanton Genf zeigt. Zwei Journalisten wollten auf ihrer Web-Plattform «Gotham City» im Hinblick auf die Abstimmung zum Freihandelsabkommen über einen indonesischen Palmöl-Exporteur berichten. Dessen Schweizer Anwalt, FDP-Nationalrat Christian Lüscher, verhinderte das – wobei das Gericht die Publikation nachträglich guthiess. Doch da war die Abstimmung schon vorüber.

Noch mehr Aufmerksamkeit

Manche Journalisten sehen es als besondere Auszeichnung, wenn jemand ihnen die Publikation eines Artikels oder Sendebeitrags verbietet, und nutzen das, um noch mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. So tat es der «Kassensturz» in den Neunzigerjahren, als eine Pharma-Herstellerin den Beitrag über ein Medikament stoppen liess. Er wurde dennoch gesendet – ohne Ton, grau abgedeckt und mit dem Hinweis «Die Firma XY liess heute den Beitrag über die Firma XY verbieten».

Oder die «Weltwoche», als sie vor zwei Jahren über eine Privatangelegenheit des Walliser Staatsrats Christophe Darbellay berichtete. Für die Printausgabe kam die Verfügung des Gerichts zu spät, doch in der Onlineversion prangten danach schwarze Balken mit den Stichwörtern «zensuriert» und «aufgrund einer Verfügung verboten». Alle Onlineleser eilten wohl so schnell wie möglich zum Kiosk.

Doch nicht immer gehen solche Aktionen für die Zeitung gut aus, häufig kosten sie das Medienunternehmen in einem nachfolgenden Rechtsstreit viel Geld – selbst wenn es am Ende gewinnt. Die Genfer Journalisten warten immer noch auf ihre Parteientschädigung, wie sie dieser Zeitung kürzlich sagten.

«Es genügt doch schon, dass man überhaupt einen Nachteil in Kauf nehmen muss.»

Ständerat Thomas Hefti (FDP, GL)

Nun wollen also die Ständeräte das Wort «besonders» aus dem Gesetz streichen – was für Medien und ihre Fürsprecher ein Angriff auf demokratische Grundrechte darstellt. Wie kam es dazu? Der Glarner Ständerat Thomas Hefti (FDP), der diese Änderung Anfang Jahr in der Rechtskommission beantragt hat, fand es stossend, dass ein schwerer Nachteil nicht genügt, um eine persönlichkeitsverletzende Berichterstattung abzuwenden. «Wir sind hier im Bereich der Widerrechtlichkeit», sagt Hefti. Es gehe nicht um Meinungen, um harte politische Kämpfe. Sondern um Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte. «Es genügt doch schon, dass man überhaupt einen Nachteil in Kauf nehmen muss», sagt Hefti. Es müsse nicht auch noch ein «schwerer Nachteil» sein.

Heftis Antrag fällt dadurch auf, dass seine Biografie keinerlei auffälligen Berührungspunkte mit Medien aufweist. Weder hatte er selber schlechte Presse, noch verteidigte er als Anwalt je Klientschaft gegenüber Medien, wie er selber sagt. Nein, er habe diese Passage einfach als stossend empfunden. «Es erscheint mir als Ungleichgewicht, dass man bei einem drohenden schweren Nachteil keine Chance hat, eine Berichterstattung abzuwenden.»

Niemand hatte sich daran gestört

Carlo Sommaruga stört sich daran, dass der Medienartikel in der Zivilprozessordnung noch nie ein Problem gewesen sei. Der Genfer SP-Ständerat redete am Mittwochmorgen im Rat ausführlich gegen die geplante Änderung an. Weder die Kantone noch die Universitäten oder die Anwälte – keine der betroffenen Gruppen habe sich je über Probleme mit dem Artikel 266 (Massnahmen gegen Medien) beklagt. Es gebe schlicht keinen Handlungsbedarf.

Dass der Ständerat dennoch bereit dazu ist, erklärt sich der Genfer so: «Die meisten der 46 Ständerätinnen und Ständeräte haben irgendwann schlechte Erfahrungen mit den Medien gemacht. Und sie erhoffen sich nun eine stärkere Stellung.» Doch das würden sie damit nicht erreichen, denn gerade medial exponierte Personen wie Politiker würden es weiterhin schwer haben, missliebige Artikel zu unterbinden. Das sagt auch Thomas Hefti: Bei Politikern gebe es in der Regel gute Rechtfertigungsgründe für eine Publikation – mit Blick auf das öffentliche Interesse.

Es gebe schlicht keinen Handlungsbedarf, sagt der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga. Aufnahme vom März 2021.

Auch der Bundesrat lehnt die Änderung ab, wie Justizministerin Karin Keller-Sutter im Rat ausführte. Nicht aus besonderen Gründen. Die Änderung scheint nicht notwendig. Dennoch folgte der Rat mit 30 zu 12 Stimmen der Kommissionsmehrheit und dem Antragsteller Thomas Hefti. Mit Carlo Sommaruga stimmte die linke Ratshälfte plus Hannes Germann (SVP) minus Roberto Zanetti und Daniel Jositsch (beide SP). Nun geht das Geschäft in den Nationalrat.