Kaum Impftermine vergeben - 16- bis 18-Jährige haben null Bock auf die Impfung

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Kaum Impftermine vergeben16- bis 18-Jährige haben null Bock auf die Impfung

Die Zahl der geimpften Personen steigt in der Schweiz täglich rasant an. Nicht so bei den 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen. Erste Kantone ergreifen Massnahmen.

Darum gehts

  • Obschon sich auch 16- bis 18-Jährige gegen Covid-19 impfen lassen können, ist die Bereitschaft dafür in dieser Alterskategorie vergleichsweise gering.

  • Experten glauben, dass dies mit der geringeren Gefahr eines schlimmen Covid-Verlaufs zusammenhängt.

  • Erste Kantone versuchen nun gezielt Massnahmen dagegen zu ergreifen.

Der Kanton Bern schlägt Alarm: Bei den 16- bis 17-Jährigen ist die Zahl der Personen, die sich für eine Covid-Impfung angemeldet haben, tief. Dies zeigt sich etwa an den verfügbaren Impfterminen: «Die Hälfte der Impftermine für diese Alterskategorie sind offen – und das seit Freitag», sagt Gundekar Giebel, Sprecher der Berner Gesundheitsdirektion. Solche Zustände ist man sich im Kanton Bern nicht gewohnt – Termine für die Covid-Impfungen waren bisher jeweils innert Minuten vergriffen.

20’000 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren zählt der Kanton. 6000 davon haben sich online für eine Impfung registriert – jedoch haben sich bisher erst 2700 konkret für einen Termin angemeldet. Was ist mit den restlichen Impfwilligen? «Ich denke, dass viele nicht von den freien Terminen wissen oder zuwarten wollen», so Giebel. In diesem Alter schiele man oft auf die Kolleginnen und Kollegen: «Gehen die nicht, gehen die meisten auch nicht.»

Junge im Fokus

Der Kanton Bern ist nicht der einzige, der eine tiefe Impfbereitschaft bei Jugendlichen registriert. 80 Prozent der 16- und 17-Jährigen im Kanton Solothurn haben sich bisher nicht um einen Impftermin bemüht. Gemäss Güvengül Köz, Kommunikationsleiterin beim Solothurner Fachstab Pandemie, erarbeitet der Kanton bereits Massnahmen. Es gehe darum aufzuzeigen, dass die Impfung die sicherste Massnahme sei, um die Pandemie zu bekämpfen. Dies sei auch im Interesse von Jugendlichen: «Denn die Impfung würde beispielsweise das Risiko von Ausbrüchen an Schulen senken und unter anderem auch das soziale Leben wieder ermöglichen.»

Etwas besser sehen die Zahlen im Kanton Zürich aus. 45 Prozent des Alterssegments sind registriert. Davon ist rund ein Viertel ein erstes Mal geimpft – was 3500 Personen entspricht. Während andere Kantone nun versuchen, Jugendliche gezielt anzusprechen, hat der Kanton Zürich bereits Mitte Mai eine Kampagne lanciert, die Junge in den Fokus genommen hat. Der Schwerpunkt von «Jetzt Impfen» wurde auf Online-Displays und Social-Media-Ads gelegt, sagt Lina Lanz, Sprecherin der Gesundheitsdirektion Zürich. «Aus Umfragen wissen wir, dass jüngere Frauen der Impfung eher kritisch gegenüberstehen.» Genau solche Personen wurden gezielt angesprochen. Gemäss einer Umfrage im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG), waren im Frühling 27 Prozent der Frauen der Impfung kritisch eingestellt. Sie fürchteten sich mehr als Männer (18 Prozent) vor Nebenwirkungen und Langzeitfolgen – beispielsweise Unfruchtbarkeit. Das BAG reagierte und lancierte eine entsprechende Erklär-Kampagne.

Eine andere Wahrnehmung

Woran liegt die kritische Haltung der Jugendlichen zur Covid-Impfung? Andreas Cerny, Infektiologe am Moncucco-Spital in Lugano, vermutet, dass die tiefe Impfbereitschaft bei Jugendlichen mit einer anderen Wahrnehmung der Gefahr zusammenhängt. «Ich kann mir vorstellen, dass die Gefahr des Virus gerade von Jungen nicht so stark wahrgenommen wird.» Damit sich mehr junge Menschen impfen liessen, müsste transparent über die Vorteile, den Nutzen, aber auch über die Nebenwirkungen informiert werden.

Der Infektiologe kann aber auch nicht ausschliessen, dass Verschwörungstheorien oder Gruppen wie die massnahmen-kritische Jugendbewegung «Mass-voll!» Jugendliche vom Impfen abhalten. «Es würde Sinn machen, dieser Frage zum Beispiel im Rahmen eines Forschungsprojekts nachzugehen.» Er denke aber, dass auch junge Personen in der Lage seien, sich korrekt zu informieren und die Instrumente hätten, Vor- und Nachteile der Impfung abzuwägen. Fühlen sich Junge laut Cerny zur Impfung gedrängt, können diese sich auch aus Rebellion dagegen wehren. In diesem Fall hätten sie den Eindruck, dass ihnen die Entscheidungsfreiheit aus der Hand genommen werde.

Hast du oder hat jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?

Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

«Sie haben ja noch Zeit»

Gundekar Giebel, von der Berner Gesundheitsdirektion, ist zuversichtlich, dass Jugendliche in den nächsten Monaten ihre Impftermine buchen werden. Er setzt dabei auch auf den Sommer. Spätestens wenn die jungen Menschen in die Ferien fahren möchten, liessen sich sicherlich viele impfen: «Aber es braucht zwei Impfungen und vier Wochen Pause dazwischen. Da wird die Zeit also langsam knapp vor den Sommerferien.»

Auch Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF), rechnet damit, dass sich Junge zunehmend zu einer Impfung entschliessen könnten. Die Schweiz impfe bisher altersabsteigend. «Sie haben ja noch Zeit, sich die Impfung zu überlegen und sich anzumelden.»

Corona bei Jugendlichen

Gemäss der Statistik fielen bisher rund zehn Prozent aller Covid-Fälle auf Personen zwischen neun und 19 Jahren. Jedoch machte diese Alterskategorie lediglich 0,6 Prozent der Hospitalisierungen aus. Ein Toter ist gemäss den Zahlen des Statistischen Amtes Zürich in diesem Altersbereich in Folge Corona zu beklagen. Obschon eine schlimme Erkrankung an Covid-19 bei Jugendlichen klein ist, empfiehlt das BAG die Impfung auch Personen in dieser Alterskategorie. Dies, weil auch bei Personen unter 20 Jahren teils schwere Verläufe registriert wurden und die Gefahr von Nebenwirkungen gemäss BAG entsprechend tiefer sind.

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