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Corona-Mutation gefährdet ÖffnungPlötzlich steigen die Zahlen wieder – Briten bangen um Pandemie-Ende

Haben sich die Briten zu früh gefreut? Eine Kellnerin serviert Getränke in einem Restaurant in London (12. April 2021).

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Alles sah so gut aus in Grossbritannien. Eine fortgeschrittene Impfkampagne, tiefe Fallzahlen, kaum noch Covid-Todesopfer. Die Rückkehr zum normalen Leben schien zum Greifen nah. Am 21. Juni wollte die Regierung sämtliche Restriktionen aufheben – doch nun ist alles anders: Die indische Coronavirus-Variante B.1.617.2, neu Delta genannt, hat die Lage in kürzester Zeit massiv verschärft.

Jetzt poppen wieder überall im Land neue Corona-Hotspots auf. Die Regierung wird zunehmend nervös und überlegt sich, die Öffnung abzublasen. Wir haben die aktuellsten Zahlen, Stimmen und Prognosen zur unerwarteten Entwicklung auf der Insel zusammengetragen:

Beginn einer neuen Ansteckungswelle

Ende Januar erlebte Grossbritannien den bisherigen Höhepunkt der Pandemie, als sich täglich fast 60’000 Einwohner mit dem Coronavirus infizierten. Danach gingen die Neuansteckungen infolge eines strikten Lockdown und einer gut organisierten Impfaktion stark zurück. Doch ab Mitte April stagnierten die Zahlen. Und jetzt steigen sie sogar wieder stark: In den letzten drei Wochen haben sie sich mehr als verdreifacht, von durchschnittlich 1500 auf 5000 pro Tag. So hoch war dieser Wert seit Ende März nicht mehr.

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Daten des Sanger-Instituts, das in Grossbritannien die Coronavirus-Mutationen überwacht, zeigen, dass sich die Delta-Variante seit Mitte April explosionsartig ausgebreitet hat. Damals war sie noch für 0,7 Prozent aller Ansteckungen verantwortlich, mittlerweile sind es 75 Prozent. Delta hat Alpha (britische Mutation B.1.1.7) als dominierende Variante verdrängt.

Aktuell verdoppeln sich die Zahlen etwa alle 11 Tage. Der R-Wert, der angibt, wie viele andere Personen ein Corona-Infizierter im Durchschnitt ansteckt, liegt inzwischen bei 1,2. Bei einem Wert über 1 ist die Ausbreitung exponentiell. «Dies ist der Beweis dafür, dass eine weitere Welle auf uns zukommt», sagte der Chef der unabhängigen Expertengruppe Independent Sage, David King, dem Sender Sky News.

Delta-Variante ist ansteckender und aggressiver

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die Delta-Variante als infektiöser und möglicherweise unempfindlicher gegen Antikörper ein. Zu diesem Schluss kommen auch britische Fachleute und Behörden. Laut dem Gesundheitsminister Matt Hancock ist sie 40 Prozent ansteckender als die Alpha-Variante. Der führende Epidemiologe Neil Ferguson vom Imperial College London geht sogar von etwa 60 Prozent aus. Es gebe aber noch einen grossen Unsicherheitsbereich, sagte er der Zeitung «Guardian». Möglich seien 30 bis 100 Prozent.

Daten weisen zudem darauf hin, dass Delta mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit schwere Erkrankungen verursacht als die Alpha-Variante. Nach einer Analyse von 38’800 Fällen kam das englische Gesundheitsministerium zum Schluss, dass bei der Delta-Variante das Risiko einer notwendig werdenden Spitaleinlieferung um das Zweieinhalbfache höher liegt.

Weit fortgeschrittene Impfkampagne

Die Zahl der Neuansteckungen steigt stark, diejenige der Hospitalisierungen und Todesfälle aber (noch) nicht. Das ist laut den Behörden der Impfkampagne zu verdanken, die weit fortgeschritten ist. Grossbritannien hat schon 41 Prozent seiner Bevölkerung vollständig immunisiert. Fast 60 Prozent haben mindestens eine Dosis bekommen – mehr als in jedem anderen Land Europas. Nur fünf Staaten weltweit haben pro Einwohner mehr Dosen verabreicht.

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Die Impfstoffe würden den Zusammenhang zwischen Infektionen, Spitalaufenthalten und Todesfällen durchbrechen, sagte Gesundheitsminister Hancock. Es gebe aktuell «nur eine sehr kleine Minderheit» von Patienten, die vollständig geimpft seien. Und diese scheinen laut Hancock auch weniger schwer zu erkranken als Personen ohne Schutz.

Eine Untersuchung des Gesundheitsministeriums hat gezeigt, dass die Impfungen auch vor schweren Verläufen bei der Delta-Variante schützen – allerdings weniger gut als bei der Alpha-Variante. Das Vakzin von Biontech/Pfizer schützt zwei Wochen nach der zweiten Dosis zu 88 Prozent (Alpha: 93 Prozent), das von AstraZeneca zu 60 Prozent (66 Prozent). Drei Wochen nach der ersten Dosis beträgt der Schutz beider Impfstoffe erst 33 Prozent (50 Prozent).

Mit der starken Zunahme der Fallzahlen steigt auch das Risiko von mehr Hospitalisierungen und Todesfällen. Denn auch in Grossbritannien gibt es immer noch viele Menschen, die erst einfach geimpft sind oder noch gar nicht.

Öffnung des Landes auf der Kippe

Aufgrund der sich rasch ausbreitenden Delta-Variante herrscht nun Ungewissheit über Grossbritanniens grosse Lockerungspläne. Die Regierung wollte die letzten Massnahmen ursprünglich am 21. Juni aufheben. Bei diesem langersehnten Öffnungsschritt, den die Briten «Tag der Freiheit» genannt haben, würden alle gesetzlichen Restriktionen für soziale Kontakte aufgehoben werden. Somit könnten Nachtclubs wieder öffnen, auch die Einschränkungen für Veranstaltungen fielen weg.

Doch die wachsende Sorge um die Delta-Variante hat einige Wissenschaftler dazu veranlasst, eine Verschiebung der grossen Lockerungen zu fordern. Auch Gesundheitsminister Hancock schliesst dies mittlerweile nicht mehr aus. Die Regierung sei «absolut offen» dafür, die Aufhebung der Restriktionen falls nötig zu verzögern, sagte er am Sonntag. Auch Massnahmen wie das Social Distancing, die Maskenpflicht und die Homeoffice-Empfehlung könnten laut Hancock über den Juni hinaus bestehen bleiben. Eine endgültige Entscheidung über mögliche Lockerungen wird am 14. Juni getroffen.

Auch die Sommerferien der Briten stehen auf der Kippe. Anfang Juni verschärfte die Regierung die Einreisebestimmungen und riet davon ab, im Rest Europas Ferien zu machen. Dabei wurde auch Portugal von der grünen Liste gestrichenes war bislang das einzige Land, aus dem Briten ohne Quarantäne zurückkehren konnten. Die Reisebranche spricht deshalb bereits von einem «zweiten verlorenen Sommer».

Verkehrsminister Grant Shapps begründete diese «schwierige Entscheidung» damit, dass man sich nebst den steigenden Fallzahlen in Portugal wegen möglicher zusätzlicher Mutationen der Delta-Variante Sorgen mache. Dabei bezieht er sich auf die sogenannte Nepal-Variante, die bereits bei 23 Fällen in England nachgewiesen wurde. Es besteht die Befürchtung, dass die existierenden Impfstoffe gegen sie praktisch wirkungslos sein könnten.

Gefahr für andere Länder

Die aktuelle Entwicklung erinnert an die Situation Ende vergangenen Jahres, als in Südengland die neue Variante B.1.1.7 auftauchte, die sich binnen weniger Monate erst in Grossbritannien und von dort aus in Europa und der Schweiz verbreitete. Innerhalb kürzester Zeit verdrängte sie das Ursprungsvirus fast vollständig. Inzwischen stecken sich hierzulande fast alle Infizierten mit der Alpha-Variante an.

In Grossbritannien war das bis Mitte April auch so. Seither hat sich aber die Delta-Variante durchgesetzt. Sie ist inzwischen für drei Viertel aller Neuansteckungen verantwortlich. Und die Befürchtung ist gross, dass diese Entwicklung anderen Ländern noch bevorsteht. «Es ist durchaus denkbar, dass sich die Variante auch bei uns ausbreitet», meinte Andreas Cerny, Infektiologe am Moncucco-Spital in Lugano. Es sei ein Lauf gegen die Zeit: Je schneller man impfe, desto weniger Probleme habe man in den nächsten Monaten.

Anfang Mai hatte die Delta-Variante in der Schweiz noch einen Anteil von 0,3 Prozent. In den letzten vier Wochen waren es gemäss dieser Übersicht schon 1,1 Prozent. Das klingt nach wenig. Doch bisherige Erfahrungen mit dem Virus haben gezeigt, dass die Zahlen nach einem anfänglich langsamen Anstieg plötzlich explodieren können. Das beste Beispiel dafür ist Grossbritannien. Die jüngste Entwicklung dort zeigt, dass die Pandemie noch längst nicht vorüber ist. «Wir werden erst in einigen Wochen sehen, was in anderen Ländern passiert», sagt der britische Epidemiologe Neil Ferguson.