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Niederlage der alten ParteienDie grüne Welle erfasst nun auch Zagreb

Umweltschützer: Zagrebs neuer Bürgermeister Tomislav Tomasevic.

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Seine rechtspopulistischen Gegner haben es zuletzt mit einer Schmutzkampagne versucht. Tomislav Tomasevic werde Zwangsimpfungen gegen Corona beschliessen, sollte er die Wahl zum Bürgermeister der kroatischen Hauptstadt Zagreb gewinnen. Ausserdem würde Tomasevics links-grüne Bewegung Mozemo! (Wir können!) von finsteren, ausländischen Kräften finanziert, es handle sich um linksradikale Aktivisten, die Böses im Schilde führten. Der 39-Jährige sei auch ein Jugo-Nostalgiker – also jemand, der dem untergegangenen Vielvölkerstaat Jugoslawien nachtrauere. Sein Hund trägt den Namen eines im Zweiten Weltkrieg gefallenen Partisanen.

Es hat nichts genützt. Am Sonntag hat Tomislav Tomasevic die Stichwahl mit 65 Prozent der Stimmen haushoch gewonnen. Zagreb bekommt erstmals einen grünen Bürgermeister. Der rechtsnationale Volksmusiksänger Miroslav Skoro von der sogenannten Heimatbewegung gestand umgehend seine Niederlage ein. Die beiden etablierten Parteien, die sozialdemokratische SDP und die auf nationaler Ebene regierende, konservative HDZ, waren schon im ersten Wahlgang chancenlos.

Eine echte politische Wende

Tomasevic ist ein stadtbekannter Umweltschützer, der seit Jahren gegen die ineffiziente und korrupte Verwaltung kämpft. Er mobilisierte Tausende Menschen gegen die Machenschaften und umstrittenen Bauprojekte des Ende Februar verstorbenen Bürgermeisters Milan Bandic. Gegen ihn hatte die Justiz jahrelang ermittelt, 2014 wurde er kurzzeitig verhaftet und vier Jahre später vom Vorwurf der Bestechung freigesprochen.

Mit der Wahl Tomasevics hat eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Zagrebs eine echte politische Wende herbeigeführt. Sie sind der etablierten und korrupten Parteien überdrüssig, die vor allem von lukrativen öffentlichen Ausschreibungen profitieren und in enger Zusammenarbeit mit dubiosen Baulöwen die Hauptstadt verschandeln. Die kroatische Gesellschaft ist zudem stark polarisiert: Die nationalkonservativen Kräfte verharmlosen die Rolle des verbrecherischen Ustascha-Regimes von Hitlers Gnaden im Zweiten Weltkrieg – in linken Milieus wird dagegen die phasenweise blutige Herrschaft der Kommunisten unter Josip Broz Tito verschwiegen.

Ein begeisterter Wanderer:  Tomislav Tomasevic mit seiner Ehefrau Iva Meric im Kaukasus.

Im Wahlkampf versprach Tomasevic mehr öffentliche Parks, Velowege, eine transparente Stadtverwaltung und ein funktionierendes Verkehrsnetz. Die Stadt brauche bessere Luft und keine pompösen Denkmäler und Springbrunnen, forderte die links-grüne Allianz Mozemo.

Tomasevic hat an der Uni Zagreb Politologie studiert und in Cambridge einen Masterabschluss in «Umwelt, Gesellschaft und Entwicklung» gemacht. Seine grosse Leidenschaft ist das Wandern. In Interviews mit kroatischen Medien erzählt er gern über seine Touren in der Mongolei, in den Anden, in Nepal und auf dem Kilimandscharo. Tomasevic ist mit einer Literaturwissenschaftlerin verheiratet. Nun muss er als Zagreber Bürgermeister sein Hobby wohl zurückstellen.

Er wolle mit seiner grünen Bewegung zuerst die Hauptstadt verändern, dann das ganze Land. Seine Pläne seien ehrgeizig und glaubwürdig, meint die Zeitung «Jutarnji list» in einem Kommentar. Bemängelt wird aber das etatistische und wenig wirtschaftsfreundliche Programm der jungen grünen Politiker von Mozemo.

In Split, der zweitgrössten Stadt Kroatiens, wird der angesehene Physikprofessor Ivica Puljak neuer Bürgermeister.

Der lähmende Status quo ging am Sonntag nicht nur in Zagreb zu Ende. In Split, der zweitgrössten Stadt Kroatiens, wird der angesehene Physikprofessor Ivica Puljak neuer Bürgermeister. Auch dort lehnte die Mehrheit der Wähler die weitere Herrschaft der konservativen HDZ ab. Puljak war Kandidat der Zentrumspartei, die aus einer Bürgerbewegung entstanden ist. Illusionen macht er sich keine. «Die Politik ist komplizierter als das Universum», sagt der Wissenschaftler.

In Budapest regiert seit 2019 mit Gergely Karacsony ein grünliberaler Gegenspieler von Viktor Orban.

Der Triumph grüner, liberaler und bürgernaher Politiker in den grössten Städten Kroatiens bestätigt einen Trend, der auch in anderen Staaten Osteuropas zu erkennen ist. In Budapest regiert seit 2019 mit Gergely Karacsony ein grünliberaler Gegenspieler von Viktor Orban. In der slowakischen Hauptstadt Bratislava hat ein parteiloser Architekt und Musiker das Sagen. Stadtpräsident von Prag ist ein Mitglied der Piratenpartei. An der Spitze der polnischen Hauptstadt steht ein polyglotter und weltläufiger Bürgermeister. Ende 2019 unterzeichneten die vier osteuropäischen Bürgermeister einen «Pakt der freien Städte»: Es ist ein Abwehrbündnis gegen die jeweiligen national orientierten Regierungen.

Die «andere» Bürgermeisterin

Die Einwohner der multikulturell geprägten rumänischen Grossstadt Temeswar haben ihre Lichtgestalt aus Deutschland geholt: Im vergangenen Herbst wählten sie Dominic Samuel Fritz aus dem Kreis Waldshut zum Bürgermeister. In der EU dürfen auch Einwohner, die keinen Pass des jeweiligen Landes haben, zu Wahlen antreten. In Sarajevo wurde Anfang April die 30-jährige Juristin Benjamina Karic zur Oberbürgermeisterin gekürt. Die Sozialdemokratin fühlt sich keiner der drei Nationen (Bosniaken, Serben, Kroaten) zugehörig. Sie bekennt sich zur Gruppe der «Anderen». Das sind Freigeister, die für eine gesamtbosnische und multikulturelle Identität eintreten und das Gekläffe der Nationalisten ablehnen.