Hohes Impftempo beibehalten - Indische Variante könnte Lockerungen bedrohen

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Hohes Impftempo beibehaltenIndische Variante könnte Lockerungen bedrohen

In Grossbritannien macht die indische Mutation teilweise Lockerungen zunichte. Die Schweizer Impfkampagne sei ein Lauf gegen die Zeit, sagen Epidemiologen.

Darum gehts

  • In britischen Städten mussten Lockerungen rückgängig gemacht werden, weil die Fallzahlen mit der indischen Mutation stark zunehmen.

  • Auch in der Schweiz ist die Gefahr einer Ausbreitung der Variante nicht gebannt.

  • «Es ist ein Lauf gegen die Zeit: Je schneller wir impfen, desto weniger Probleme haben wir in den nächsten Monaten», sagt Infektiologe Andreas Cerny.

Social Distancing ist in Grossbritannien jedem selbst überlassen – wer will, kann auch wieder jemanden umarmen. Mit diesen und weiteren Lockerungen nähert sich das Vereinigte Königreich seit rund zwei Wochen der Normalität an. Rund die Hälfte der Erwachsenen ist dort bereits gegen das Coronavirus geimpft. Dennoch droht das Land im Kampf gegen die Pandemie zu stolpern.

Die indische Mutation macht in Grossbritannien laut Experten mittlerweile vielerorts 60 Prozent aller Fälle aus. Am Mittwoch meldete die britische Gesundheitsbehörde fast 7’000 Fälle dieser Variante –mehr als doppelt so viele wie in der Vorwoche.

Verschärfungen in Städten

Die Hospitalisationen nahmen in einigen Gebieten zu, betroffen waren meist ungeimpfte Patienten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die Variante als ansteckender und möglicherweise auch unempfindlicher gegen Antikörper ein.

In acht von der Mutation stark betroffenen Städten wie Leicester und Bolton buchstabierten die Behörden zurück. Den Bewohnerinnen und Bewohnern empfehlen sie etwa Treffen draussen statt drinnen, Social Distancing und sich zweimal wöchentlich testen zu lassen.

Ungeimpfte seien leichte Beute für neue Variante

Kürzlich setzte das Bundesamt für Gesundheit Grossbritannien erneut auf die Quarantäneliste, Indien steht seit Ende April auf der Risikoliste. Epidemiologen sehen auch in der Schweiz die Gefahr der Mutation nicht gebannt. «Es ist durchaus denkbar, dass sich die indische Variante auch bei uns ausbreitet – so wie vor einigen Monaten die britische Variante», sagt Andreas Cerny, Infektiologe am Moncucco-Spital in Lugano. Ungeimpfte seien insgesamt leichte Beute für die neue Variante. Dies zeigten auch Daten aus England. Damit seien junge Menschen und Kinder auch betroffen.

«Es ist ein Lauf gegen die Zeit: Je schneller wir impfen, desto weniger Probleme haben wir in den nächsten Monaten», sagt Cerny. Insgesamt haben in der Schweiz bisher rund drei Millionen Menschen mindestens eine Impfdosis (siehe Box) erhalten. Laut ersten Daten aus Grossbritannien sei der Schutz gegen die indische Variante nach einer kompletten Impfung nur leicht vermindert, sagt Cerny. Die Datenlage sei aber noch nicht sehr solide. «Deshalb sollten wir vorsichtig sein und die neuen Freiheiten massvoll nutzen.»

Zahlen könnten bei Jüngeren noch einmal steigen

Ähnlich schätzt Jürg Utzinger, Epidemiologe und Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts, die Lage ein. «Es ist nicht auszuschliessen, dass sich die indische Mutation ausbreiten könnte und die Infektionszahlen bei der jüngeren, noch nicht geimpften Bevölkerung daher noch einmal steigen könnten.» Utzinger hält eine systematische Überwachung für wichtig. «Sollte es an bestimmten Orten zu einem erhöhten Infektionsgeschehen kommen, müssen wir in der Lage sein, die zirkulierende Virusvariante sofort zu identifizieren oder noch unbekannte Varianten zu entdecken.»

Grundsätzlich hält Utzinger das Risiko einer weiteren Welle aufgrund der indischen Variante jedoch für sehr gering. «Wichtig dabei ist, dass wir das aktuell hohe Impftempo beibehalten und, wenn immer möglich, noch zusätzlich forcieren.»

Verbreitung sei derzeit nicht besorgniserregend

Je mehr Menschen vollständig geimpft seien, desto weniger könnte eine mögliche Ausbreitung der indischen Mutation Verschärfungen erforderlich machen, so Utzinger. «Gefährdet wären die weiteren Lockerungsschritte nur, wenn die Impfung von einem Tag auf den anderen gegen eine neue Variante nicht mehr funktionieren würde.» Zurzeit gebe es glücklicherweise keine Indizien dahingehend.

Hierzulande wurde die indische Mutation laut Daten des Bundesamts für Gesundheit (BAG) bisher knapp 40 mal nachgewiesen. Die Verbreitung in der Schweiz sei derzeit nicht besorgniserregend, aber man beobachte die Ausbreitung genau, sagt BAG-Mediensprecher Yann Hulmann. Daten aus Oxford zeigten, dass die in der Schweiz verwendeten Impfstoffe auch gut gegen diese Variante funktionieren sollten.

Schweiz impft im Rekordtempo

Hunderttausende Impfdosen trafen in den vergangenen Wochen ein. Dadurch impft die Schweiz zurzeit im Rekordtempo und übertrifft die USA sowie die Nachbarländer Deutschland, Frankreich, Italien und Grossbritannien, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Allein die letzte Woche verabreichte die Schweiz 80’000 Dosen pro Tag, was umgerechnet 0,9 Dosen pro 100 Einwohner entspricht. Total haben in der Schweiz bisher rund drei Millionen Menschen mindestens eine Impfdosis erhalten.

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