Pestizid-Initiative-Befürworter stützen sich auf Argument sinkender Spermienqualität

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Studie mit 3000 MännernSpermien-Streit heizt Kampf um Pestizid-Initiativen an

Die Fruchtbarkeit von Schweizer Männern sinkt mit jeder Generation. Das Problem könnten Pestizide sein, so eine neue Studie. Nun wollen die Befürworter der Pestizid-Initiative mit dem Argument Junge an die Urne bringen.

Darum gehts

  • Eine Studie der Uni Genf macht Pestizide für die tiefe Spermienqualität junger Männer verantwortlich.

  • Eine Fruchtbarkeits-Expertin bestätigt die Ergebnisse.

  • Die Befürworter benutzen die Studie nun als Pro-Argument

  • Den Gegnern geht das zu weit.

Die Gegner der Pestizid-Initiative warnen, ohne Pflanzenschutzmittel sei die Lebensmittelqualität gefährdet. Eine Genfer Studie zeigt nun aber, dass die Mittel, die etwa makellose Äpfel garantieren, die Gesundheit des Konsumenten schädigen können. Die Pestizide seien nämlich mitverantwortlich für die schlechte Spermienqualität der Schweizer.

Zwei Drittel haben tiefe Spermienqualität

Zwei Drittel der untersuchten Männer zwischen 18 und 22 Jahren wiesen eine tiefe Spermienqualität auf. Ihre Spermien hatten ein geringeres Volumen, ebenso wiesen die Testpersonen eine tiefe Spermienzahl auf. Pestizide sind gemäss der Studie der Uni Genf einer der Hauptgründe. Die Studie unter der Leitung von Serge Nef und wurde im Fachmagazin «Human Reproduction» veröffentlicht. Das Volumen und die Spermienzahl von Männern, deren Mütter während der Schwangerschaft problematischen Stoffen wie Pestiziden ausgesetzt waren, lagen unter den Referenzwerten der WHO.

Verschlechterung von Generation zu Generation

Brigitte Leeners, Klinikdirektorin der Reproduktions-Endokrinologie des Unispitals Zürich, bestätigt den Befund: «In den letzten 20 Jahren ist von Generation zu Generation eine Verschlechterung in der Fruchtbarkeit zu sehen, viele wissenschaftliche Ergebnisse deuten auf einen Zusammenhang mit Pestiziden und anderen Substanzen mit hormoneller Wirkung in der Umwelt.»

«Wären wir diesen Stoffen weniger ausgesetzt, rechne ich mit einer raschen Verbesserung der Fruchtbarkeitsprobleme», so Leeners. Pestizide stören ihr zufolge wichtige körperliche Entwicklungsprozesse, da sie sich auf das Hormonsystem auswirken. Das sei nicht nur bei den Spermien so. Diese seien aufgrund der leicht erhältlichen Proben einfacher messbar als beispielsweise Eizellen. Auch für Krankheiten von Frauen wie Endometriose bestätigt sie zahlreiche Hinweise auf die negative Wirkung von Pestiziden.

Bio kaufen hilft nicht

Sich während der Schwangerschaft von Bio-Produkten zu ernähren reicht laut Leeners jedoch nicht. «Allein mit dem Konsum hochwertiger Nahrungsmittel kann man sich den Stoffen nicht entziehen. Es ist im Trinkwasser, in Seen, generell überall verbreitet. Sogar Tiere in freier Wildbahn tragen diese Stoffe in sich», sagt Leeners.

Ausserdem reicherten sich die Substanzen über Jahre im Körper an. «Bei der Schwangerschaft werden diese gespeicherten Stoffe freigesetzt. Um die Fruchtbarkeit der Menschheit zu verbessern, wäre deshalb eine Alternative zu den Pestiziden erforderlich.»

«Ein Argument, das auch die Jungen zum Nachdenken bringt»

Die Köpfe hinter der Pestizid-Initiative versuchen bereits, mit dem emotionalen Thema Spermienqualität bis zum 13. Juni für die Vorlage zu mobilisieren. Die 20-Minuten-Abstimmungsumfrage zeigte, dass die 18 bis 34-Jährigen noch weniger zustimmen als Ältere. «Unsere Gegner und Gegnerinnen kehren die Gesundheitsschäden durch Pestizide unter den Teppich. Junge Menschen, die Familie möchten, sind aber direkt von diesem Problem betroffen», sagt Dominik Waser, Komiteemitglied der Pestizid-Initiative. Man werde versuchen, sie über eine Social-Media-Kampagne darauf aufmerksam zu machen. «Synthetische Pestizide schaden der Spermienqualität – das ist sicher ein Argument, das auch die Jungen zum Nachdenken bringt», sagt Waser.

SVP-Nationalrat und Landwirt Marcel Dettling sitzt im Nein-Komitee der Pestizid-Initiative und kann die Beunruhigung verstehen. Die Resultate seien aber nicht aussagekräftig: Es sei unklar, ob die von der Studie verantwortlich gemachten Pestizide in der Schweiz überhaupt zugelassen seien. «Ein Grossteil der schädlichen Stoffe kommt auch in Form von Lebensmitteln aus dem Ausland in die Schweiz. Wenn nun die Produktionskosten und damit auch die Nahrungsmittelpreise wegen der Initiative steigen, macht das den Einkaufstourismus noch attraktiver», so Dettling.

«Unter der Gürtellinie»

Die Landwirtschaft habe sich stark mit den Pestiziden auseinandergesetzt und sei bereits daran, deren Verwendung zu senken, so Dettling. Ausserdem verlange ein kürzlich vom Parlament verabschiedetes Gesetz ohnehin, dass der Pestizideinsatz bis 2027 um die Hälfte reduziert werden müsse. «Unter der Gürtellinie» finde er jedoch, dass die Befürworter ein so emotional aufgeladenes Thema ausschlachteten und die Angst der Bevölkerung schürten.

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