Ex-Kita-Leiter verurteilt - Wird Pädophiler trotz Berufsverbot nach Landesverweisung wieder mit Kindern arbeiten?

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Ex-Kita-Leiter verurteiltWird Pädophiler trotz Berufsverbot nach Landesverweisung wieder mit Kindern arbeiten?

Der ehemalige Leiter einer Allschwiler Kita muss wegen sexuellen Handlungen mit Kindern vier Jahre ins Gefängnis. Trotz Berufsverbots wird der 36-Jährige nach seiner Ausschaffung nach Deutschland wahrscheinlich wieder mit Kindern arbeiten können.

Darum gehts

  • Der damalige Leiter einer Allschwiler Kindertagestätte wurde am 6. Dezember 2019 in flagranti von einer Mitarbeiterin bei einem sexuellen Übergriff erwischt.

  • Seither ist er in Haft und musste sich nun vor Gericht dafür verantworten.

  • Die Strafuntersuchung förderte noch weitere Übergriffe des 36-jährigen Deutschen zutage

Der ehemalige Leiter einer Allschwiler Kindertagesstätte wurde am Donnerstag vom Baselbieter Strafgericht zu vier Jahren Haft verurteilt. Der 36-Jährige wurde der mehrfachen sexuellen Handlung mit Kindern, mehrfachen Schändung, Pornografie und Verletzung des Privatbereichs schuldig gesprochen. Nach der Haft, die von einer ambulanten Therapie begleitet wird, wird der Deutsche für zehn Jahre des Landes verwiesen. Zudem wurde ihm ein lebenslanges Berufs- und Tätigkeitsverbot mit Kindern und Jugendlichen auferlegt.

Ein Freispruch erfolge nur in einem der vier angeklagten Fälle. Angehörige nahmen die Urteilsverkündung im Nebenraum des Gerichtssaals mit Erleichterung auf. Der Beschuldigte bestritt zwei der vier angeklagten Fälle. «Die Aussagen des Beschuldigten waren völlig unglaubwürdig», erklärte Gerichtspräsidentin Irène Läuchli. So hatte ein dreijähriger Bube seinen Eltern gegenüber «aus dem Nichts» Äusserungen gemacht, die unzweifelhaft auf einen sexuellen Übergriff hindeuteten.

«Er hat das Vertrauen der Eltern aufs Sträflichste missbraucht. Er nutzte egoistisch jede sich bietende Gelegenheit, seine Lust zu befriedigen», führte Läuchli aus. «Seine Erklärungen sind abstrus und dass er sagt, er wollte den Kinder etwas Gutes tun, mutet geradezu zynisch an.»

Berufsverbot lebenslang, aber nicht grenzenlos

Seit dem 1. Januar 2019 muss ein lebenslanges Tätigkeitsverbot für pädophile Sexualstraftäter von Gerichten im Falle einer Verurteilung zwingend angeordnet werden. Dies verlangte die Pädophilen-Initiative, die 2014 vom Volk angenommen wurde. Diese kommt nun auch im vorliegenden Fall zum Zug. Für den Verurteilten bedeutet dies, dass er lebenslang keiner Tätigkeit mehr nachgehen darf, bei der er Kontakt zu Kindern und Jugendlichen hat. Allerdings gilt das Berufs- und Tätigkeitsverbot nur in der Schweiz.

Im vorliegenden Fall wird der Verurteilte nach Verbüssung der Haft nach Deutschland zurückkehren, weil er mit einem Landesverweis belegt wurde. Nach heutiger Gesetzgebung werden die deutschen Behörden aber nicht automatisch über das Berufsverbot informiert, das ihm in der Schweiz auferlegt wurde. Für diesen Informationsaustausch, der innerhalb der EU automatisiert ist, fehlt in der Schweiz noch die Gesetzesgrundlage. «Die Schweiz hat aber grosses Interesse, daran teilzunehmen», erklärt Tiziana Fantini, Sprecherin des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI. Ein entsprechendes Bundesgesetz werde aktuell zur Vernehmlassung vorbereitet. «Im aktuellen Kontext benötigen solche Umsetzungen Zeit, da sich die Schweiz und die EU bilateral einig sein müssen.»

Deutsche übernehmen Berufsverbot wohl nicht

Und selbst wenn dies nach Verbüssung der Haftstrafe der Fall sein würde, bleibt eine Vorwarnung wohl wirkungslos. «Nach den bestehenden Rechtsgrundlagen der strafrechtlichen Zusammenarbeit erfolgt keine automatische Übernahme des in der Schweiz verhängten Berufsverbots in Deutschland, wenn der Verurteilte nach Verbüßung einer Haftstrafe in der Schweiz nach Deutschland zurückkehren sollte», teilt eine Sprecherin des Justizministeriums von Baden-Württemberg auf Anfrage mit.

Selbst auf Ersuchen der Schweiz hin, wäre die Übernahme des Berufsverbots wohl nicht möglich. Die völkerrechtlichen Übereinkünfte zur Übernahme von Strafen seien auf freiheitsentziehende Sanktionen beschränkt. Im Einzelfall könnte aber der Bund die Übernahme des Berufsverbots prüfen. Darum müssten aber die Schweizer Behörden in Berlin ersuchen.

Bist du minderjährig und von sexualisierter Gewalt betroffen? Oder kennst du ein Kind, das sexualisierte Gewalt erlebt?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Kokon, Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

Castagna, Beratungsstelle bei sexueller Gewalt im Kindes- und Jugendalter

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Online- und Einzelchatberatung für Kinder und Jugendliche

Opferberatungsstelle Kinderspital Zürich

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Bist du selbst pädophil und möchtest nicht straffällig werden? Hilfe erhältst du beim Institut Forio und bei den UPK Basel.

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