Düstere Aussichten für Festivals - «Wir sind auf dem harten Boden gelandet»

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Düstere Aussichten für Festivals«Wir sind auf dem harten Boden gelandet»

Festivals und die Veranstaltungsbranche sind von der Strategie des Bundesrats schwer enttäuscht. Es ist mit weiteren Absagen zu rechnen.

Darum gehts

  • Der Bundesrat hat weitere Schritte in der Bekämpfung der Corona-Krise bekanntgegeben.

  • Grossveranstaltungen sollen frühestens ab Anfang August wieder möglich sein, die Beschränkungen bei den Besucherzahlen werden schrittweise aufgehoben.

  • Für die Festivals heisst das weiter abwarten – die Aussichten auf einen Festivalsommer ohne Einschränkungen sind düster, die Veranstalter entsprechend enttäuscht.

Der Bundesrat stellte am Mittwoch einen detaillierten Drei-Phasen-Plan vor, wie die Rückkehr zur Normalität gelingen soll (siehe unten). Unkonkret blieb er allerdings bei den Grossveranstaltungen: In der Normalisierungsphase – diese beginnt, wenn alles gut läuft, Anfang August, wenn alle über 16-Jährigen, die das wollen, geimpft sind – sollen Grossveranstaltungen wieder möglich sein, sagte Gesundheitsminister Alain Berset. Die Beschränkungen bei der Teilnehmerzahl sollen dann «schrittweise aufgehoben werden».

Was das für die Openairs, die ihre diesjährigen Ausgaben noch nicht abgesagt haben, konkret heisst, lässt der Bundesrat offen. Ein schwerer Schlag für die Organisatoren, die sich Planungssicherheit und Perspektiven erhofft hatten. «Leider können wir im Moment nicht reagieren. Wir sind mal wieder auf dem harten Boden gelandet und müssen uns jetzt erst sortieren», sagt etwa Roman Pfammatter, operativer Leiter des Openair Gampel im Wallis. Das Festival wäre vom 19. bis am 22. August 2021 geplant.

«Es ist kaum möglich, irgendetwas zu planen»

Auch Stefan Breitenmoser, Geschäftsführer der Swiss Music Promoters Association (SMPA) ist nach der Pressekonferenz des Bundesrates schwer enttäuscht. «Bis weit in den Juli ist bereits jetzt alles abgesagt.» Die wenigen Veranstalter, die nun noch zuwarten, bräuchten aber bis Ende April eine Planungsgrundlage. «Die hat uns der Bundesrat heute wieder nicht gegeben», sagt Breitenmoser. «Nun wird die Veranstaltungsbranche bis am 12. Mai vertröstet. Wenn wir so lange nicht wirklich mehr wissen, ist es kaum möglich, für diesen Sommer noch irgendetwas zu planen.»

Vom sogenannten Schutzschirm sei auch kaum gesprochen worden. «Auch hierzu hätten wir uns Konkretisierungen gewünscht. Der Bundesrat lässt uns einmal mehr hängen», sagt Breitenmoser. Das Parlament hat im Covid-Gesetz einen solchen Schutzschirm für abgesagte Veranstaltungen beschlossen: Der Bund kann künftig einen Teil der Kosten übernehmen, wenn Veranstaltungen aufgrund der Corona-Massnahmen abgesagt oder verschoben werden müssen.

Auch für Herbst und Winter fehlen Perspektiven

Auch das für den Juni angekündigte Covid-Zertifikat für den Immunitätsnachweis komme sehr spät, so Breitenmoser. «Nach 13 Monaten Diskussion mit den Bundesbehörden sind wir konsterniert: Der Bundesrat hat es nicht geschafft, den Veranstaltenden eine Perspektive zu bieten.» Er habe Verständnis, dass keine festen Zeitpläne gemacht werden könnten, jedoch hätte er sich eine provisorische Öffnungsstrategie gewünscht.

Es gehe nicht nur um den Sommer, sondern auch um die Planung für den Herbst und Winter. «Ohne klare Informationen zu den geplanten Massnahmen können die Veranstalter nicht budgetieren. Wir tappen weiterhin im luftleeren Raum.»

«Der Bundesrat betreibt Nullkommunikation»

Diverse grosse Openairs haben ihre diesjährigen Ausgaben bereits abgesagt, darunter etwa das Openair St. Gallen, das Gurtenfestival oder das Greenfield. Wenige Stunden vor der Pressekonferenz hatten die Organisatoren des Züri-Fäschts angekündigt, gar die Ausgabe 2022 um ein Jahr zu verschieben. «Unter diesen Umständen ist zu befürchten, dass weitere grosse Festivals dieses Jahr nicht werden stattfinden können», sagt Breitenmoser.

Enttäuscht zeigt sich auch die Bar- und Clubkommission: «Keine wirkliche Perspektive gibt es weiterhin für grosse Veranstaltungen, die im Sommer 2021 geplant sind», schreibt sie in einer Mitteilung. Diese seien mehr oder weniger davon abhängig, wie schnell das Impfen in der Schweiz vorwärts gehe und ob der geplante Schutzschirm für Veranstaltungen eine weitere Planungssicherheit bieten könne. «Dieser befindet sich aber weiterhin in der Vernehmlassung beim Bundesrat, mit weiteren Absagen von Festivals ist zu rechnen. »

Chancen gibt es noch für kleinere Anlässe. Christoph Bill ist Festivalleiter vom Heitere Open Air in Zofingen. Er hat noch nicht abgesagt, aber auch er ist enttäuscht. «Der Bundesrat betreibt mit der Veranstaltungsbranche eine Nullkommunikation.» Erhofft hatte Bill sich eine längerfristige Perspektive und Konkretisierungen zum Schutzschirm. «Wenn wir mehr wüssten, könnten wir die Schäden senken oder Alternativformate anvisieren. Unsere Branche würde letztere mit Kreativität und Herzblut realisieren, aber auch dafür braucht es ein Fundament von klaren Aussagen. Auf Sand lässt sich nicht bauen.»

Das ist der Drei-Phasen-Plan

Schutzphase
Zurzeit befinden wir uns laut Bundesrat in einer «Schutzphase», bis alle besonders gefährdeten Personen vollständig geimpft sind. Der Bundesrat sieht dies Ende Mai erreicht. Vorher sind gemäss BAG «kaum weitere Öffnungsschritte möglich.»

StabilisierungsphaseAnschliessend kommt die «Stabilisierungsphase»: Das heisst, es sind noch nicht alle Personen geimpft, die sich schützen möchten. Verläuft alles nach Plan, kann ein erster Öffnungstermin am 26. Mai kommen. Dann könnten Hochschulen wieder Präsenzunterricht durchführen und die Home-Office-Pflicht würde durch eine Empfehlung ersetzt.

NormalisierungsphaseDer Bundesrat prognostiziert anschliessend eine «Normalisierungsphase», in der alle, die dies wünschen, geimpft sind. Der Bundesrat geht zu diesem Zeitpunkt von einer Impfrate von 65 Prozent in der Bevölkerung aus. In dieser Phase wären gesamtgesellschaftliche Einschränkungen nicht mehr vertretbar. Bundesrat Berset betonte darum noch einmal den Wert der Impfung.

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