Protest-Aufruf trotz Verbot - «Kommt es gleichzeitig zu Unruhen, stösst die Polizei an ihre Grenzen»

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Protest-Aufruf trotz Verbot«Kommt es gleichzeitig zu Unruhen, stösst die Polizei an ihre Grenzen»

Corona-Gegner wollen sich zahlreich in Altdorf UR treffen, Jugendliche rufen zu Krawallen in der Region Zürich auf: Wie können sich Polizei und Behörden auf das kommende Wochenende vorbereiten?

Gewaltbereite Jugendliche haben sich am Freitagabend in St. Gallen mit der Polizei angelegt.

20 Minuten

Darum gehts

  • Am 10. April 2021 soll eine Demonstration gegen die Corona-Vorschriften in Altdorf UR stattfinden – doch die Behörden haben sie verboten.

  • Nach den Oster-Krawallen in St. Gallen gibt es einen Gewaltaufruf für das kommende Wochenende in Zürich und Winterthur.

  • In der Arbeit mit Jugendlichen helfen Dialogteams, sagt der St. Galler Sicherheitsdirektor Fredy Fässler.

  • Für Demonstrationen sollen konkrete Regeln aufgestellt werden, fordert Jurist Patrice Martin Zumsteg.

Krawall in Zürich und Winterthur, Corona-Demo in Altdorf UR: Im Netz mehren sich die Aufrufe für illegale Veranstaltungen am nächsten Wochenende – die aktuelle Situation bereitet dem St. Galler Sicherheitsdirektor Fredy Fässler Sorgen: «Kommt es an mehreren Orten gleichzeitig zu Unruhen, stösst die Polizei an ihre Kapazitätsgrenzen.» Zwar bestehe eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Kantonen, doch für einen Dauereinsatz sei die Polizei nicht gewappnet, sagt der Präsident der Kantonalen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren. Bei der Arbeit mit jungen Erwachsenen werde die Polizei von Dialogteams begleitet, die dabei helfen, den Jugendlichen die Situation zu erklären – wie beispielsweise die Wegweisungen von Sonntagabend.

Es fehlen konkrete Regeln für Demonstration

Staatsrechtsdozent Patrice Martin Zumsteg hinterfragt das Mittel der Wegweisungen in diesem grossen Ausmass – unsere Grundrechte seien eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben, sagt der Jurist. «Wenn es zulässig ist, am Wochenende in der Zürcher Innenstadt eine riesige Warteschlange vor dem Louis Vuitton Geschäft zu bilden, sollte es auch möglich sein sich für Demonstrationen versammeln zu können.» Es bestehe ein Grundrecht der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Es sollten deshalb konkrete Regeln gestellt werden, wie man trotz Pandemie von diesem Grundrecht unter Einhaltung der Abstandsregelungen Gebrauch machen könne – dies gelte auch für Jugendliche: «Denn nur weil junge Menschen nicht darin geübt sind, an einem politischen Diskurs teilzunehmen, heisst das nicht, dass sie unfähig wären, sich eine Meinung zu bilden.»

Jugend in Entscheidungen miteinbeziehen

Das Hauptproblem im Bezug auf die Jugendlichen sei ihre permanente Unterforderung und Unterschätzung, erklärt Jugendexperte Thomas Kessler: «Die Jungen wollen Verantwortung tragen und in den Entscheidungen miteinbezogen werden.» Die Bedürfnisse der jungen Menschen müssten ernst genommen werden, sonst entlade sich der Frust destruktiv: «Es müssen endlich kreative Lösungen spezifisch für die Jugend her! Es kann nicht sein, dass die Warenhäuser überfüllt sind, aber für die jungen Leute keine Möglichkeit besteht, unter freiem Himmel ein Openair unter bestimmten Regeln zu veranstalten» Die Schweiz sei ein Land der Innovation: «Da muss ausprobiert werden!»

Wie sich die Polizei national vorbereitet, wird nicht kommuniziert: «Zu den eingesetzten Mitteln und den Vorbereitungsarbeiten können wir aus taktischen Gründen keine Stellung nehmen», teilt die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten auf Anfrage von 20 Minuten mit.

Aufrufe zu illegalen Veranstaltungen

In Altdorf war am Samstag eine Corona-Demonstration geplant, wurde aber von den Behörden verboten – für Josef Ender, Sprecher des Aktionsbündnis Urkantone «der Anfang vom Ende der Demokratie». Mit Fahrgemeinschaften und einem «Spaziergang» trotz Verbot hätten sie nichts zu tun. Die Kantonspolizei beobachte die Situation «seit geraumer Zeit aufmerksam» und beurteile die Lage laufend, sagt Mediensprecher Gustav Planzer der Kantonspolizei Uri auf Anfrage von 20 Minuten. Der Urner Regierungsrat richtete zudem am Dienstagabend einen «dringenden Appell» an die Bevölkerung: Den steigenden Fallzahlen soll mit mehr Disziplin, Tests und Impfungen begegnet werden.

Auch in Zürich und Winterthur wird zu illegalen Versammlungen aufgerufen: Jugendliche planen einen erneuten Schlagabtausch mit der Polizei. «Wir machen eine fette Party und f*** die Bullen, wenn sie stürmen kommen», heisst es auf verschiedenen Kanälen. Den Aufruf werde man in die laufende Lagebeurteilung aufnehmen und entsprechende Handlungsrichtlinien und Massnahmen festlegen, sagt Judith Hödl, Medienchefin der Stadtpolizei Zürich. Auch in Winterthur beobachtet die Polizei die Lage.

Hast du oder hat jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?

Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

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