«Mein jüngerer Arbeitskollege verdient 18 Prozent mehr als ich»

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Lohnungleichheit«Mein jüngerer Arbeitskollege verdient 18 Prozent mehr als ich»

Frauen verdienen in der Schweiz im Schnitt 19 Prozent weniger als Männer. 20 Minuten Leserinnen aus unterschiedlichen Branchen erzählen von ihren Erfahrungen.

Darum gehts

  • Frauen erhalten durchschnittlich 1512 Franken weniger als Männer.

  • Die Hälfte dieser Lohndifferenz ist nicht erklärbar.

  • 20-Minuten-Leserinnen aus verschiedenen Brachen erzählen.

Frauen verdienen in der Schweiz im Schnitt 19 Prozent weniger als Männer, wie eine neue Auswertung des Bundesamts für Statistik zeigt. Dabei lässt sich rund die Hälfte des Unterschieds nicht mit Faktoren wie Position oder Dienstalter erklären.

686 Franken weniger Lohn bleiben unbegründet: Diese Lohndifferenz gilt als potenzielle Diskriminierung. Auch 20 Minuten Leserinnen erleben Lohnungleichheit ohne Grund. Frauen aus verschiedenen Branchen erzählen von ihren Erfahrungen:

Detailhandelsfachfrau, 4500 Franken

«Bei unserem Betrieb verdienen die Männer mindestens 500 Franken mehr als die Frauen, das hat mir sogar mein Chef bestätigt. Über die Jahre gerechnet sind das einige tausend Franken, die mir als Frau in der AHV und der Pensionskasse dann fehlen. Ich persönlich finde das eine Frechheit.»

Bauingenieurin, 6400 Franken

«Ich verdiene 6400 Franken. Als Mann bekäme ich wohl mehr: Gleichzeitig wie ich, hat sich ein Studienkollege bei meiner Firma vorgestellt. Ihm haben sie damals 250 Franken mehr Einstiegslohn geboten als mir. Ich habe das angesprochen und es hiess, er würde schneller mehr Verantwortung übernehmen. Es kam genau andersrum. Nur weil ich diesen Missstand angesprochen habe, erhielt ich schliesslich den gleichen Startlohn.»

HR-Spezialistin, 8100 Franken

«Als höhere Fachspezialistin verdiene ich 8100 Franken. Weil ich selber in der HR arbeite, habe ich Zugang zu sämtlichen Gehaltsangaben. Darum weiss ich auch, das ich 18 Prozent weniger Lohn erhalte, als mein 8 Jahre jüngerer Arbeitskollege mit geringerer Ausbildung und weniger Fachwissen.»

Filialleiterin, 4300 Franken

«Als stellvertretende Filialleiterin verdiene ich 4300 Franken im Monat. Eigentlich dürfen wir nicht über den Lohn sprechen im Geschäft. Unsere Vorgesetzten haben uns das verboten – wir machen es natürlich trotzdem. Darum weiss ich, dass meine männlichen Kollegen mehr verdienen als ich.»

Verkäuferin, 4400 Franken

«Ich verdiene 4400 Franken. Mit Abzügen bleiben mir dann noch 3670 Franken – das ist ein Hungerlohn. Männliche Arbeitskollegen verdienen sicher mehr, aber bei uns in der Firma wird strikt nicht darüber gesprochen.»

Logistikerin, 3000 Franken

«In der Logistik bei einem Möbelhaus verdiene ich auf 100 Prozent 5000 Franken. Aber niemand arbeitet Vollzeit. Darum ist es auch schwierig zu sagen, ob Männer und Frauen gleich viel verdienen. Wenn man nachfragt, sprechen die einen vom Bruttolohn und die anderen vom Nettolohn.»

Detailhandelsfachfrau, 3900 Franken

«Als Angestellte bei einem Detailhändler habe ich 3900 Franken verdient. Da wir keinen Mann im Team hatten, ist ein Vergleich schwierig. Theoretisch sollten aber Männer und Frauen etwa gleich viel verdienen. Aber man hat im Geschäft nicht viel über den Lohn gesprochen. Weil es mir sowieso zu wenig war, habe ich gekündigt.»

Sachbearbeiterin, 7130 Franken

«Ich arbeite im HR vom Kanton und verdiene 7130 Franken. Ich kenne die Löhne der Mitarbeitenden und weiss, dass Männer und Frauen gleich viel verdienen. Denn der Kanton hat klare Lohnklassen und Gehaltsstufen und die sind gleich für beide Geschlechter.»

Schweizerische Lohnstrukturerhebung

Die Schweizerische Lohnstrukturerhebung wird alle zwei Jahre vom Bundesamt für Statistik (BFS) durchgeführt. Sie bezieht 1,2 Millionen Arbeitnehmende von 36’000 Unternehmen mit ein und ist laut den Autoren ein repräsentativer Überblick über die Lohnsituation in der Schweiz. Die vorliegenden Werte sind standardisierte Bruttolöhne. Das BFS rechnet mit dem Vollzeitäquivalent von 4,3 Wochen zu 40 Arbeitsstunden. Der Bruttolohn beinhaltet Beiträge an die Sozialversicherung, Naturalleistungen, regelmässige Prämien-, Umsatz- oder Provisionsanteile, Entschädigungen für Schicht-, Nacht- und Sonntagsarbeit und ein Zwölftel des 13. Monatslohns sowie der jährlichen Sonderzahlungen.

Wirst du oder wird jemand, den du kennst, aufgrund des Geschlechts diskriminiert?

Hier findest du Hilfe:

Logib, Lohngleichheits-Analyse des Bundes

Gleichstellungsgesetz.ch, Datenbank der Fälle aus Deutschschweizer Kantonen

Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann

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