Gibt Berset am Terrassen-Krisengipfel nach?

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6 Kantone gegen BundGibt Berset am Terrassen-Krisengipfel nach?

Sechs Kantone wollen sich vom Bundesrat nicht vorschreiben lassen, die Terrassen in Skigebieten zu schliessen. Noch am Donnerstag treffen sie Bundesrat Berset.

Darum gehts

  • Die Terrassen der Skigebiet gehören geschlossen, findet der Bundesrat.

  • Die meisten Kantone folgen dem auch. Sechs Kantone wehren sich hingegen gegen diese Vorgaben.

  • Für sie liegt die Zuständigkeit für den Betrieb der Skigebiete bei den Kantonen selbst.

  • Die Skigebiete in den betroffenen sechs Kantonen freuen sich über die offenen Terrassen.

Für Gesundheitsminister Alain Berset ist die Antwort auf die Frage, ob die Kantone die Terrassen in den Skigebieten offen lassen dürfen, klar: «Es gibt keinen Interpretationsspielraum. Ich gehe davon aus, dass die Kantone sich an Bundesrecht halten», sagte er am Donnerstag.

Das sehen sechs Kantone allerdings anders: Glarus, Obwalden, Nidwalden, Uri, Schwyz und das Tessin wollen ihre Terrassen offen lassen: «Es besteht nach wie vor die Ansicht, dass die Zuständigkeit für den Betrieb der Skigebiete bei den Kantonen liegt und diese auch den Umgang mit den Personenströmen und Abstandsregeln bei Takeaway-Angeboten umfasst», sagt die Nidwaldner Gesundheitsdirektorin Michèle Blöchliger.

«Bewilligung liegt in der Verantwortung der Kantone»

Auch der Urner Regierungsrat Christian Arnold sieht nicht ein, weshalb die Terrassen nach zwei Monaten jetzt geschlossen werden sollen: «Unserer Meinung nach wurde die Verordnung nicht angepasst und folglich sind auch keine Änderungen in der Handhabe nötig.» Entschieden sei aber noch nichts: «Um die rechtliche Auslegung zu klären und dem Bundesrat unsere Argumente darzulegen, findet heute noch ein Treffen mit Alain Berset statt», sagt Arnold. Der Urner Regierungsrat wird dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Die Glarner Regierungsrätin Marianne Lienhard findet ebenfalls klare Worte: «Die Bewilligung der Skigebiete liegt in unserer Verantwortung und ist an die Schutzkonzepte geknüpft.» Glarus möchte sogar noch weitergehen: «Wir haben in der Vernehmlassung eine Teilöffnung der Gastronomie gefordert, im speziellen eine Öffnung der Aussenbereiche», sagt Lienhard.

«Personen verteilen sich mit geöffneten Terrassen besser»

Die bisherigen Erfahrungen in Nidwalden hätten gezeigt, dass die Abstände um den Takeaway-Bereich in Skigebieten besser eingehalten werden könnten, wenn draussen Sitzgelegenheiten mit klaren Regeln zur Verfügung stünden, sagt Blöchliger. «So dürfen sich maximal vier Personen an einen Tisch setzen, zwischen den Tischen gilt ein Mindestabstand von zwei Metern und es herrscht eine Maskenpflicht, bis der Sitzplatz eingenommen worden ist. Die Betreiber haben mit ihrem Personal dafür zu sorgen, dass diese Auflagen eingehalten werden.»

Lob gibt es für die Kantone von SVP-Chef Marco Chiesa (siehe unten). Auch Franz Kenel vom Skigebiet Sattel- Hochstuckli freut sich, dass der Kanton sich für die Skigebiete einsetze. «Auch wenn es Bundesrat Berset gegen den Strich geht: Wir orientieren uns an den kantonalen Vorgaben. Solange der Kanton sagt, dass wir öffnen dürfen, werden wir öffnen. Das ist gerade bei diesem Wetter für uns extrem wichtig.»

Bündner machen nicht mit

In Graubünden hält man dagegen nichts von der Idee, die Terrassen trotz Bundesrats-Entscheid zu öffnen: «Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat und müssen uns an die gesetzlichen Vorgaben halten. Der Bundesrat hat uns klar zu verstehen gegeben, dass Sonderzüge nicht toleriert werden», heisst es von der Kommunikationsstelle. Das Verhalten der anderen Kantone wolle man nicht kommentieren. «Wir sind aber der Meinung, dass wir diese Krise nur miteinander bewältigen können.»

Der Bundesrat will sich vor dem Treffen nicht in die Karten blicken lassen. Vize-Bundeskanzler André Simonazzi sagt lediglich: «Es ist im gegenseitigen Interesse von Bund und Kantonen, dass die Gesetzesordnung respektiert wird. Es ist auch eine Kernaufgabe von Regierungen in einem Rechtsstaat, die gesetzliche Ordnung durchzusetzen.» Der Bund sei «überzeugt, dass die kantonalen Regierungen ihre institutionellen Aufgabe wahrnehmen».

SVP-Präsident Marco Chiesa

«Befürchte, dass der Bund nicht auf die Kantone hört»

Vor einer Woche forderten Sie die Kantone zum Widerstand auf. Finden Sie es gut, dass sich einige jetzt wehren?

Ich glaube nicht, dass dies mit meinem Aufruf zu tun hatte. Ich denke vielmehr, dass die willkürlichen und unverständlichen Entscheide des Bundesrates zu dieser Auseinandersetzung und leider zur Beschädigung des Föderalismus geführt haben. Objektiv betrachtet kann ich keinen einzigen triftigen Grund dafür finden, warum die Bergkantone die Terrassen in den Skigebieten schliessen sollten. Es macht in jeder Hinsicht keinen Sinn, den Menschen das Beisammensein und das Essen an einem Tisch und unter Einhaltung von Schutzkonzepten zu verbieten. Zumal das Ansteckungsrisiko um ein Vielfaches grösser ist, wenn sie sich am Rand der Piste verpflegen – ohne Abstand und in zu grossen Gruppen. Die Kantone haben gezeigt, dass sie in der Pandemie vorsichtig und gewissenhaft vorgehen und für ihre Regionen sinnvolle Massnahmen ergreifen.

Sollen sich weitere Kantone anschliessen und etwa die Öffnung von Gartenterrassen fordern?

Wir haben schon mehrfach erlebt, dass die Stimme der Kantone in Bern übergangen wurde, dass Vernehmlassungen nur Alibi-Übungen waren. Seit Monaten liegt die absolute Macht in unserem Land ausschliesslich in den Händen des Bundesrates. Er bestimmt über unser Leben, unsere sozialen Beziehungen, spricht Arbeitsverbote aus. Keine Petition, keine parlamentarische Kommission, kein souveräner Kanton, nicht einmal unsere direkte Demokratie konnten diesen Zustand beenden. Ich hoffe, dass die Lage nicht eskaliert, zumal die Corona-Politik des Bundesrates in der Bevölkerung immer mehr an Rückhalt verliert.

Was erwarten Sie jetzt vom Bundesrat? Muss er dem Druck nachgeben? Und denken Sie, dass er es tatsächlich machen wird?

Ich fürchte, dass der Bundesrat für die nachvollziehbaren Appelle aus den Kantonen und aus der Bevölkerung taub ist. Das ist gefährlich, denn dies führt dazu, dass immer weniger Menschen bereit sind, die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie mitzutragen. Deshalb muss der Bundesrat ihnen mit Schutzkonzepten endlich mehr Freiheit gewähren. Die Bevölkerung ist dann bereit, besonnen und eigenverantwortlich zu handeln, wenn die Regeln nicht willkürlich und schädlich, sondern sinnvoll und verständlich sind.

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Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Tel. 147

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