Bundesrat lockert – und kriegt Prügel von der Wirtschaft

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Corona-StrategieBundesrat lockert – und kriegt Prügel von der Wirtschaft

Die SVP spricht von Schikane, und auch für Economiesuisse lockert der Bundesrat die Corona-Massnahmen zu langsam. GLP und SP stellen sich dagegen hinter die Regierung.

«Die Öffnungen bergen auch ein Risiko»: Der Bundesrat begründet, wieso die Beizen zu bleiben.

Youtube/Der Bundesrat

Darum gehts

  • Die SVP fährt schweres Geschütz auf: Der Bundesrat schikaniere Betriebe und Bevölkerung weiterhin.

  • Die Wirtschaft verweist auf die Impffortschritte, die einen klaren Exit-Plan möglich machen.

  • «Die Pandemie ist noch nicht vorüber», warnt der GLP-Präsident.

Die Läden dürfen am 1. März wieder öffnen. Auf die Forderung nach einer schnellen Öffnung der Restaurants trat der Bundesrat aber nicht ein: Deren Öffnung erwägt er höchstens, sollte sich die Corona-Lage in den nächsten Wochen super entwickeln. Auch Fitnesscenter oder Kinos bleiben vorderhand zu.

Bundespräsident Guy Parmelin begründete dies mit den Virusvarianten, die sich weiterhin ausbreiteten. «Die epidemiologische Lage ist weiterhin sehr fragil, die Zahlen beginnen wieder zu steigen, der Bundesrat kann diese Entwicklung nicht ignorieren.» Er stellte einen zweiten Lockerungsschritt für den 22. März in Aussicht. Dafür müssen aber strenge Kriterien erfüllt sein.

Wirtschaft fordert schnellere Lockerungen

Zu langsam geht es dem Wirtschaftsverband Economiesuisse: «Angesichts vergleichsweise tiefer Fallzahlen und riesiger wirtschaftlicher Schäden braucht es jetzt eine klare und verbindliche Öffnungsstrategie», schreibt der Verband. Er kritisiert insbesondere, dass die Homeoffice-Pflicht noch nicht aufgehoben wird.

Auch lasse der Öffnungsplan zu viele Fragen offen. «Für viele Unternehmen bleibt unklar, womit sie ab dem 22. März rechnen dürfen.» Immer mehr Personen aus den Risikogruppen seien mittlerweile geimpft und damit ausser Gefahr. «Weil damit auch bei einem erneuten Anstieg der Fallzahlen keine rasche Überlastung des Gesundheitswesens mehr droht, verliert der Staat seine Legitimation, die persönlichen und wirtschaftlichen Freiheiten weiterhin derart stark einzuschränken.»

«Bevölkerung und Betriebe werden schikaniert»

Die SVP wirft dem Bundesrat gar vor, die Kantone und die parlamentarischen Kommissionen zu missachten. Die Partei fordert weiterhin die sofortige Öffnung aller Branchen und Betriebe mit Schutzkonzepten. «Dass der Bundesrat nicht schneller öffnet, ist ein Affront. Die Bevölkerung und Betriebe werden weiter schikaniert», schreibt die SVP.

Dass der Bundesrat nicht einmal die Öffnung der Restaurant-Terrassen erlaube, sei eine reine Machtdemonstration, für die es keine Datenbasis gebe. So liege Graubünden trotz geöffneter Ski-Terrassen bei den massgebenden Indikatoren massiv unter dem Schweizer Durchschnitt. «Die Menschen wollen leben. Mit dieser Politik macht der Bundesrat die gesunde Bevölkerung krank», sagt Präsident Marco Chiesa.

«Neues Hochschiessen der Fallzahlen wäre verheerend»

Andere Stimmen stärken dem Bundesrat dagegen den Rücken. GLP-Präsident Jürg Grossen schreibt auf Twitter, der Bundesrat lasse sich vom Lärm der SVP nicht beirren. Die Lockerungen sind sinnvoll und mit Augenmass. Die Pandemie ist noch nicht vorüber, ein neues Hochschiessen der Fallzahlen wäre verheerend.

Auch die SP begrüsst, dass der Bundesrat «an seinem vernünftigen Kurs festhält und wissenschaftlich abgestützte Öffnungsschritte plant». Zusammen mit der Impfkampagne gebe diese Lockerungsstrategie der Bevölkerung eine Perspektive für Frühling und Sommer. Die Unternehmen erhielten mehr Planungssicherheit. «Zu schnelle Lockerungen würden die Fortschritte der letzten Wochen zunichtemachen», schreibt die Partei.

Auch die Mitte begrüsst, die «wesentlichen Lockerungen» ab dem 1. März. Sie bedauert gleichzeitig, dass der Bundesrat an der für Familien nicht praktikablen 5-Personen-Regel in Innenräumen festhält. Die Partei ruft dazu auf, das bisher Erreichte nicht aufs Spiel zu setzen. «Wir brauchen dringend wieder mehr Zusammenhalt und Solidarität statt Polarisierung und Spaltung in unserem Land.»

Der Bundesrat selbst hatte mit Kritik gerechnet. So sagte Parmelin, dass die Lockerungen vielen nicht weit genug gingen. Aber: «Die von uns ins Auge gefassten Öffnungen bergen erhebliche Risiken, deshalb erwartet der Bundesrat auch, dass die Massnahmen von allen eingehalten und umgesetzt werden.»

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