«Wir gehen mit den Lockerungen ein gewisses Risiko ein»

Medienkonferenz Coronavirus«Wir gehen mit den Lockerungen ein gewisses Risiko ein»

Am Mittwoch fällte der Bundesrat die definitiven Entscheide zur Exit-Strategie aus dem Shutdown. Läden dürfen ab kommender Woche öffnen, Junge haben weniger Einschränkungen beim Sport, aber Restaurants müssen noch zuwarten.

Der Bundesrat hat über die anstehenden Lockerungen entschieden. Am 1. März kommt es zu den ersten, bereits letzte Woche angekündigten, Öffnungsschritten. Sorgen bereitet dem Bundesrat weiterhin die Verbreitung der Virusmutationen.

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Mittwoch, 24.02.2021

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Das wars

Die Medienkonferenz ist beendet. Hier noch einmal die wichtigsten Punkte.

  • Der Bundesrat hat am Mittwoch die ersten beiden Lockerungsschritte präsentiert. Ab 1. März gilt Folgendes: alle Läden dürfen öffnen, Treffen draussen sind erlaubt (bis 15 Personen), unter 20-Jährige dürfen ohne Einschränkungen Sport treiben.

  • Restaurant-Terrassen und -innenbereiche bleiben weiterhin zu.

  • Am 12. März wird die Situation erneut analysiert, am 19. März können erneute Entscheide getroffen werden, je nach dem wie sich die Pandemie entwickelt hat.

  • Der Bundesrat betont, dass man mit den Öffnungen ein gewisses Risiko eingeht. Es sei ein politischer Entscheid, von dem man überzeugt sei, es sei der richtige. Auch, weil das Bedürfnis der Bevölkerung sehr gross sei.

Was sagt der Bundesrat zu den Corona-Demonstrationen?

«Wir leben in einer freien Demokratie, Demonstrationen, an denen man seinem Unmut Luft verschafft, müssen möglich sein», sagt Parmelin.

Wird es Änderungen an der Covid-App geben?

«Ich bin der Meinung, dass sie funktioniert. Ich habe selber auch einmal eine Meldung bekommen», sagt Berset. «Die App ist zur Unterstützung gedacht, sie ist kein Wundermittel.»

Wird der Bundesrat eingreifen, da die Taskforce keine Protokolle über ihre Sitzungen führt?

«Wir müssen klar sehen, die Taskforce arbeitet unabhängig und berät uns», sagt Berset. «Wir können ihnen nicht vorschreiben, wie sie arbeitet.»

Wird der Bundesrat die heute angekündigten Massnahmen wieder zurücknehmen, wenn die Zahlen sich verschlechtern sollten?

«Wir gehen ein gewisses Risiko ein», sagt Berset. «Aber wissen Sie, es geht auch bei uns nicht mehr.» Auch der Bundesrat sei coronamüde. «Ich kann Ihnen aber nicht sagen, wie wir reagieren werden», sagt Berset.

Die Wirtschatfskommission des Ständerates fordert 12 Sonntagsverkäufe. Was sagt der Bundesrat dazu?

«Davon habe ich keine Kenntnis», sagt Parmelin. «Wir werden zu diesem Thema noch unsere Diskussionen führen. Wir arbeiten da auch mit den Sozialpartnern zusammen.»

Die Mutation betrifft oft Kinder, wie passt das zum 1. Lockerungsschritt?

«Wir wussten am Anfang gar nicht, wie sehr Kinder betroffen sind, weil wir nur Menschen mit Symptomen getestet haben», sagt Berset.

«Die Beobachtung ist korrekt, die Mutationen scheinen vor allem Junge stärker zu treffen», ergänzt Masserey. «Wir beobachten die Situation genau und wir wissen, dass wir ein gewisses Risiko eingehen.»

Wieder Berset: «Vergessen Sie nicht, wir gehen ein nicht unwesentliches Risiko mit unserer Strategie ein. Es ist ein politischer Entscheid und wir nehmen das in Kauf.»

Was gibt es für Konsequenzen für Kantone, die offene Terrassen dulden?

«Der Bundesrat hat heute alle Interpretationsmöglichkeiten ausgeräumt», sagt Berset. «Ich glaube, das wird funktionieren, ich glaube nicht, dass sich die Kantone nicht mehr ans Bundesrecht halten werden.»

«Ich gehe davon aus, dass die Kantone die Terrassen schliessen werden», so Berset. «Wenn das nicht mehr funktionieren sollte, wäre mir das neu.»

Hat der Bundesrat Angst davor, dass das Parlament weitere Lockerungen beschliesst?

«Das ist eine berechtigte Frage», sagt Parmelin. «Man muss aufpassen, wenn ein Gesetz geändert wird, ist das etwas anderes, wie wenn eine Verordnung geändert wird. Das Parlament muss sich dessen bewusst sein. Wir werden sehen, was die Kommussionen und das Parlament tun werden.»

Wieso dürfen sich Private (bis 15 Personen) treffen, aber Vereine nicht?

«Wir unterscheiden zwischen privatem Bereich, wo es auch spontane Treffen geben kann und öffentlichem Bereich», sagt ein Vertreter des BAG. «Diese Unterscheidung bleibt und wir bleiben beim öffentlichen Bereich zurückhaltend.»

Vor einem Jahr sagte der Bundesrat, die Schweiz sei gut vorbereitet. War die Schweiz naiv?

«Wir haben damals keine Erfahrung mit einer Pandemie gehabt, das ist so lange nicht mehr passiert», sagt Berset. «Mit einer guten Vorbereitung war unser neues Epidemiengesetz gemeint. Davor war die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen gar nicht geklärt. Die Bewältigung einer Krise bedeutet aber auch: Jeden Tag eine neue Überraschung. Wir versuchen zu reagieren, und uns zu verbessern. Ich hätte nie gedacht, dass es so lange dauern wird. Dass wir im Februar 2021 da sitzen werden und mit Masken im Gesicht über eine 3. Welle spekulieren werden. Auch aus mangelnder Erfahrung. Wir haben auf der Welt sehr sehr viel gelernt.»

Was sagt der Bundesrat denen, die Anlässe planen wollen?

«Ab dem 1. März sind viele Anlässe für Junge ja bereits möglich», sagt Berset. «Für Sport und Kultur gilt ein weiter Planungshorizont. Die Situation ist weiterhin sehr schwierig zu lesen, wir müssen aufpassen und vorsichtig sein. Wenn die Situation sich im März extrem verbessert, dann können wir auf Ende März grössere Freiheiten wieder ins Auge fassen.»

«Aber wir müssen sehen, wir bewegen uns in eine gute Richtung», sagt Berset. «Es wird Zeit brauchen, aber wir sehen in Ländern, die schon viel geimpft haben, dass das eine Perspektive gibt.»

Mit welchen Branchenverbänden hat Parmelin Kontakt?

Parmelin zählt die Tourismusbranche auf, ebenso wie die Exportwirtschaft. «Wir haben regelmässigen Austausch mit der Wirtschaft und den Sozialpartnern.»

Braucht es bei den Härtefällen mehr Einheitlichkeit?

«Wir diskutieren immer mit den kantonalen Direktoren zusammen», sagt Parmelin. «Ja, es gibt gewisse Unterschiede zwischen den Kantonen. In der Frühlingssession des Parlamentes wird es gewisse Entscheide geben, die zu mehr Einheitlichkeit führen können.»

Übt sich der Bundesrat im Widerstand oder im Hellsehen?

«Weder noch, wir haben nur alles in die Entscheidung eingezogen, was wir wissen», antwortet Berset. «Sie können mir dieselbe Frage in ein paar Wochen noch einmal stellen.»

Ist es denkbar, dass Kantone mit Massentests früher lockern dürfen?

«Es gibt keine grossen Differenzen zwischen den Kantonen», sagt Berset. «Im Jahr 2020 war das eine andere Situation, die Unterschiede waren grösser. Klar, wir pushen das Testen so weit wir können. Die Massentests sind sich am entwickeln, aber das wird kein Grund sein für Lockerungen, weil das schweizweit nicht einheitlich ist.» Ausserdem führten Unterschiede zwischen Kantonen zu Verwirrung und Wettbewerbsverzerrung.

Wird es Druck auf die Kantone geben?

«Es gibt ein grosses Interesse für diese Methode, wir denken nicht darüber nach, das obligatorisch zu machen», sagt Masserey.

Wird die Gastro-Öffnung ganz normal im Rahmen des 2. Öffnungsschrittes passieren?

«Ein Szenario könnte sein, dass die Zahlen kontinuierlich sinken, dass wir im März sogar schon tiefer sind, als wir das voraussehen», sagt Berset. «Aber wir haben keine Sicherheit, wir wissen nicht, was passieren wird. Wir werden das weiter begleiten und flexibel bleiben.»

Sind am 12. März bereits genug Erkenntnisse zu der Wirksamkeit des ersten Öffnungsschrittes da?

«Das ist uns bewusst», sagt Berset. «Am 12. werden wir die Auswirkungen des 1. März nicht sehen, aber wir werden noch mehr über die generelle Entwicklung mit den Mutationen wissen. Dann gibt es eine Vernehmlassung, der Entscheid fällt dann am 19. und dann wissen wir sicher schon mehr.»

Was sagt der Bundesrat den Wirten, die zivilen Ungehorsam ausüben wollen?

Parmelin erwähnt die Härtefallregeln, «Es ist mir bewusst, dass es in einigen Kantonen Probleme bei den Auszahlungen der Gelder besteht. Auf der Kantonsebene muss darum vorwärts gemacht werden. Was aber noch dazukommt, ist die psychologische Ebene. Ich hoffe, dass die getroffenen Massnahmen ihnen eine Perspektive geben.»

Was hat der Bund für eine Perspektive für die Wirte?

«Es ist eine schlimme Situation für die Gastronomie, und das schlimmste daran, die Wirte können nichts dafür», so Berset. «Zwei Punkte dazu: die wirtschaftliche Hilfe ist enorm wichtig. Zweitens, wir haben jetzt eine Perspektive und die Situation, auch wenn sie instabil ist, erlaubt langsame Lockerungen.»

Wird der Bund es weiterhin dulden, wenn die Terrassen offen sind?

«Es gibt gewisse Skigebiete, die das tun, aber es sind nicht so viele, die offen sind», sagt Berset. «Wir erwarten aber schon, dass das umgesetzt wird.»

Stehen wir nach Meinung des Bundesrates am Ende der 2. oder am Anfang der 3. Welle'

«Ich bin kein Epidemiologe», sagt Berset. «Wir waren aber ziemlich beeindruckt von der Präzision der Voraussage der Taskforce.» Es gebe derzeit aber verschiedene Unklarheiten, wie beispielsweise die Impfkampagne, die auch ein «Game-Changer» werden werde.

«Aber wir dürfen nicht wieder die Kontrolle verlieren, wie uns das im Herbst passiert ist», sagt Berset. «Wir gehen ein kalkuliertes Risiko ein.»