14- bis 24-Jährige leiden wegen Corona vermehrt unter Depressionen

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Neue Studie14- bis 24-Jährige leiden wegen Corona vermehrt unter Depressionen

Fast 30 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind laut einer neuen Studie von schweren depressiven Symptomen betroffen. Eine Psychologin sieht die soziale Abschottung als Grund.

Darum gehts

  • Die zweite Corona-Welle setzt der Psyche der Menschen stark zu.

  • 18 Prozent der Befragten gaben im November an, unter schweren depressiven Symptomen zu leiden.

  • Besonders häufig treten die Symptome mit 29 Prozent bei den 14- bis 24-Jährigen auf.

  • Der Austausch mit Gleichaltrigen fehle den Betroffenen, sagt Kinder- und Jugendpsychologin Alexandra Ray.

Überall Maske tragen, nur noch ausgewählte Freunde sehen und täglich Meldungen über explodierende Fallzahlen: Im Herbst eskalierte die zweite Coronavirus-Welle in der Schweiz. Sie führte nicht nur zu bisher über 8000 Toten, sie hinterliess auch Spuren in der ganzen Gesellschaft.

Die zweite Corona-Welle setzt der Psyche der Menschen stark zu. Das geht aus einer neuen Umfrage der Swiss Corona Stress Study (siehe Box) der Universität Basel hervor.

Mehr Depressionen als im Frühling

18 Prozent der Befragten gaben im November an, unter schweren depressiven Symptomen zu leiden. Anders sah es im April während des Lockdowns aus. Damals betrug der Anteil von Befragten mit schweren depressiven Symptomen neun Prozent und in der Zeit der Lockerungen im Mai zwölf Prozent.

Besonders häufig (29 Prozent) treten die Symptome bei den 14- bis 24-Jährigen auf. Mit steigendem Alter nehmen die Depressionen ab. So geben bei den über 65-Jährigen nur noch sechs Prozent an, darunter zu leiden.

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20 Prozent maximal gestresst

Auch der psychische Stress nahm zu. Betrug der Anteil an Personen, die maximalen Stress angaben, während des Lockdowns im April rund 11 Prozent, stieg er in der zweiten Welle im November auf 20 Prozent an.

Laut der Studie zählen die Belastungen durch eine Covid-19 bedingte veränderte Situation bei der Arbeit, an der Schule oder in der Ausbildung zu den Haupttreibern von psychischem Stress und depressiven Symptomen. Weitere Faktoren seien die Belastung durch Covid-19 bedingte finanzielle Einbussen, die Belastung durch die Zunahme von Konflikten Zuhause und Zukunftsängste.

Diese Faktoren würden von den Befragten im Vergleich zum Lockdown im April aktuell als belastender gewertet, so die Studienautoren. Als nach wie vor belastend hätten die Studienteilnehmenden die Angst empfunden, dass jemand aus dem engsten Umfeld an Covid-19 schwer erkranken oder sterben könnte sowie die Belastung durch die sozialen Einschränkungen.

«Freizeit und Unterricht verbringen viele alleine im Zimmer»

Alexandra Ray, Kinder- und Jugendpsychologin in der Familienpraxis im Seefeld ZH, stellt fest, dass viele Jugendliche und junge Erwachsene unter der sozialen Abschottung leiden. «Die Freizeit und manchmal auch den Schulunterricht aufgrund von Quarantänen verbringen viele von ihnen alleine im Zimmer.» Der Austausch mit Gleichaltrigen fehle deshalb stark oder finde nur noch online statt.

Oft werde das eigene Zuhause zum Konfliktherd, weil sich die jungen Menschen kontrolliert fühlten. «Die Eltern sind auch ständig zuhause. Daher fühlen sich manche Teenager sowohl schulisch als auch in der Freizeit überwacht.» Das Problem verschärfe sich, wenn die Familie in beengten Wohnverhältnissen lebe. «Ich behandle zum Beispiel einen Jugendlichen, der zu Freunden zog, weil er es zuhause nicht mehr aushielt.»

Tipps gegen Depressionen

Die Umstände können laut Ray zur Folge haben, dass die Betroffenen morgens nicht mehr aufstehen wollen und unter Schlafproblemen sowie Interessens- und Freudlosigkeit leiden. In extremen Fällen würden sie sich sozial zurückziehen und Suizidgedanken entwickeln.

Für die psychische Gesundheit rät Ray: den Kopf in der Natur durchlüften, musizieren, malen und einen geregelten Tagesablauf einhalten. Weiter schlägt sie vor, Abendessen für die Familie zu kochen, Monopoly-Spieleabende und das Pflegen von sozialen Beziehungen über Online-Kanäle. Negative Gedanken solle man stoppen und sich stattdessen etwas Schönes vorstellen.

Das empfiehlt die Taskforce gegen psychische Probleme

Die Corona-Taskforce des Bundes greift in ihrem Policy Brief vom 20. Januar die Swiss Corona Stress Study auf. Um psychischen Problemen vorzubeugen und entgegenzuwirken gibt sie folgende Empfehlungen ab:

1. Reduzierung der Fallzahlen und Verhinderung zukünftiger Pandemiewellen

2. Ausgleich von COVID-19 massnahmenbedingten finanziellen Verlusten

3. Einführung von Gegenmassnahmen zur Stressreduzierung an Schulen/Universitäten

4. Beibehaltung der Kostenübernahme für psychologische/psychiatrische Fernbehandlungen

5. Weitere Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für psychische Gesundheitsprobleme und Behandlungsmöglichkeiten sowie Förderung evidenzbasierter Präventionsmassnahmen wie beispielsweise körperlicher Aktivität

Studie

An der erneuten Umfrage im Rahmen der Swiss Corona Stress Study unter der Leitung von Prof. Dr. Dominique de Quervain beteiligten sich über 11'000 Personen aus der gesamten Schweiz. Die Resultate decken den Erhebungszeitraum vom 11.–19. November 2020 ab. Die erste Umfrage wurde während des Lockdowns im April 2020 durchgeführt.

Hast du oder jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?

Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Tel. 147

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