«Bürgerinnen und Bürger müssen im Internet eindeutig identifiziert werden können»

E-ID-Gesetz«Bürgerinnen und Bürger müssen im Internet eindeutig identifiziert werden können»

Am 7. März stimmt die Bevölkerung über das sogenannt E-ID-Gesetz ab. Am Donnerstag lancierte Bundesrätin Karin Keller-Sutter den Abstimmungkampf.

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Donnerstag, 14.01.2021

Zusammenfassung

Die Medienkonferenz ist beendet. Hier noch einmal das Wichtigste in Kürze.

  • Die Abstimmung über das E-ID-Gesetz findet am 7. März 2021 statt.

  • Bundesrätin Karin Keller-Sutter empfiehlt der Bevölkerung ein Ja in die Urne zu legen.

  • Die E-ID sei notwendig, wenn die Schweiz mit der technischen Entwicklung Schritt halten wolle. Es gehe darum, dass man gegenüber Verifikationsangeboten wie Facebook und Apple konkurrenzfähig werde. «Wir brauchen eine offiziell anerkannte Schweizer Lösung», so Keller-Sutter.

  • Dabei soll der Staat nur die Gesetzgebung und die Einhaltung überprüfen. Die Lösung entwickeln sollen Private. Um dem Fortschritt Rechnung tragen zu können, muss eine Anerkennung alle drei Jahre erneuert werden.

  • Die Benutzung der E-ID ist per Gesetz freiwillig.

Wird die E-ID in Zukunft eben doch zu einem digitalen Pass?

«Ich bin keine Hellseherin. Ich kann nur sagen: Heute ist es kein Ausweisdokument», antwortet Keller-Sutter. «Wir es in 20 Jahren aussieht, wissen wir nicht. Ich kann nicht sagen, was die Zukunft geht. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es mehrheitsfähig wäre, ein Kundenkonto bei einem Detailhändler mit einem Reisepass zu verknüpfen.»

Eine Ergänzung von Dumermuth: «Kein Land kann allein ein Reisedokument definieren. Sie brauchen Ihren Pass nicht um auszureisen, sondern um einzureisen. Es braucht also zwingend internationale Zusammenarbeit.»

Gibt es andere Länder, die ein ähnliches System haben?

«Es gibt kein konkretes Land, das ein Beispiel für die Schweiz wäre. Es gibt beispielsweise in Estland eine E-ID, als zusätzliche Dienstleistungen eingeführt wurden, die es nur online gab», so Dumermuth. «Deutschland hat eine staatliche Lösung, die kaum benutzt wird. Das wird momentan gerade angeschaut. Es gibt unterschiedliche Lösungen, aber es ist schwierig. Das grosse Problem: Wir haben Facebook und Apple, die sehr stark sind. Wenn es nicht gelingt, mit eigenen, regulierten System den Markt zu durchdringen, werden diese Anbieter dominant bleiben.»

«In Schweden wird die E-ID von den Banken angeboten», ergänzt Keller-Sutter. «Dänemark hat ein Private-Public-Partnership, aber Dänemark verpflichtet seine Bürgerinnen und Bürger dazu, sich digital an sie zu wenden.»

Ist die E-ID nicht ein Widerspruch zum Grundsatz, dass man verschiedene Passwörter benutzen soll?

«Die E-ID muss die Sicherheitsauflagen erfüllen», sagt Germann. «Es ist auch wichtig, dass das freiwillig ist. Wenn Sie dem Gesetz nicht vertrauen, können Sie bei Ihren Passwörtern bleiben.»

«Die Passwörter sind heute ein Problem, weil die Leute es bequem haben wollen und darum immer dasselbe Passwort nehmen», ergänzt Dumermuth. «Die E-ID funktioniert ähnlich wie ein Passwort, hat aber natürlich ganz andere Möglichkeiten in Bezug auf die Sicherheit.»

Wie wird die Kommission des Bundes die Anbieter überprüfen?

«Das ist im Gesetz im Artikel 25 festgelegt», so Keller-Sutter. «Die Eidcom wird die Einhaltung des E-ID-Gesetzes überprüfen und dabei unabhängig agieren und kontrollieren. Sie wird auch nicht dem EJPD unterstellt sein. Man kann hier schon Vertrauen haben. Die Firmen haben letztlich ein Interesse, dass sie gut überwacht sind. Das ist auch ein Gütesiegel.»

«Die Anerkennung von Anbietern muss alle 3 Jahre erneuert werden», fügt Dumermuth hinzu. «Zudem gibt es die periodische Überprüfungen und wir haben noch ein neues Datenschutzgesetz. Mit dem E-ID-Gesetz ist der Schutz besser als die Norm.»

Kann der Staat doch flexibel reagieren, wie der Kanton Schaffhausen zeigt?

«Nein», sagt Keller-Sutter, «Das Beispiel Schaffhausen hat gerade gezeigt, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Kantone, Gemeinden und Städte solche Systeme anbieten können.»

Eine Bemerkung von Dumermuth: «Man vergisst, dass der Grossteil des elektronischen Verkehrs auch heute schon über Private laufen. Das ist aufgrund der telekommunikativen Realität unvermeidlich. Schaffhausen ist ein hoch-innovatives Modell. Niemand weiss, ob sich das System durchsetzen wird, aber wenn andere Kantone auch ihre eigenen Systeme bereitstellen, haben wir am Ende einen benutzerunfreundlichen Flickenteppich.»

Welche Kantone sind gegen das E-ID?

«18 Kantone sind für das Gesetz, 2 haben sich enthalten, 6 waren dagegen. Wir haben nicht festgelegt, dass wir darüber kommunizieren», sagt Rathgeb. Jeder Kanton könne aber natürlich seine Position publizieren und Begründen.

Müssen die Anbieter aus der Schweiz sein?

«Sie müssen eine Niederlassung in der Schweiz haben», so Dumermuth. «Das ist, damit man auf sie zugehen kann.»

Wie teuer wird die Lösung?

«Es ist nicht klar, ob die Anbieter einen Preis für ihre Leistung verlangen werden», so Keller-Sutter. «Sollte das der Fall sein, orientiert er sich am Markt. Der Preisüberwacher hat die Möglichkeit, zu intervenieren.»

«Heute gehen wir davon aus, dass die Firmen zahlen. Wenn ich bei einem Versand bestelle, bezahlt der Versand eine Gebühr, nicht ich», fügt Dumermuth hinzu. «Entweder gibt es also Markt, oder dann gibt es die Möglichkeit, per Gesetz den Preis zu regulieren.»

Wie erklärt man einem Bürger, dass die Privaten die Lösung produzieren?

«Die Rolle des Staates ist sehr klar und sehr gross», antwortet Keller-Sutter. «Wir dürfen die E-ID auch nicht mit einem Pass oder einer Identitätskarte verwechseln. Es ist nur eine eindeutige Identifikation, sie gibt Ihnen keine zusätzlichen Rechte, beispielsweise zum Reisen. Wenn Sie sich momentan irgendwo registrieren, geben Sie ihre Daten auch an Private ab. Mit dem E-ID-Gesetz bieten wir nur die Grundlage für eine offizielle Schweizer Lösung.»

Gibt der Staat so eigentlich zu, dass er es nicht selber schafft eine Lösung zu produzieren?

«Die Trennung zwischen Staat und Privat ist eigentlich überholt», sagt Keller-Sutter. «Der Staat hat eine wichtige Aufgabe. Er überprüft und kontrolliert. Muss der Staat selber eine Informatiklösung finden? Dann müsste er eine Ausschreibung machen und den Auftrag auch wieder an Externe vergeben.»

«Wenn eine Vorlage des Bundesrates abgelehnt würde, müsste das Parlament eine neue Lösung finden. Ob eine andere Lösung mehrheitsfähig ist, ist zu bezweifeln», sagt Keller-Sutter. «Und bis wir eine gefunden haben, ist der Zug abgefahren.»

«Wir wissen im Onlinebereicht normalerweise nicht, welche Plattform sich genau durchsetzt», ergänzt Martin Dumermuth vom Bundesamt für Justiz. «Darum braucht es Wettbewerb. Wenn der Staat selber eine Lösung entwickelt, muss er sich aber auf Jahre selber binden.»

Auch Germann will ergänzen: «Ja, wir waren in den letzten 20 Jahren nicht in der Lage, ein System auszuarbeiten. Aber bei den Banken funktioniert es ja auch, dort benutze ich problemlos seit Jahren das E-Banking. Für mich ist es ein Zeichen der Grösse, dass der Staat fremde Lösungen akzeptieren kann. Wo wären wir denn heute mit einem Covid-Impfstoff, wenn der Staat ihn selber entwickelt hätte?»

Eine Wortmeldung noch von Rathgeb: «Für uns ist entscheidend, dass der Staat bei Datenschutz und Sicherheit entscheidet. Dort wo es um Umsetzung geht, soll die Wirtschaft ihren Beitrag leisten. Die Wirtschaft kann das. Und wenn dieser Weg nicht funktioniert, gibt es im Gesetz andere Möglichkeiten.»

Warum braucht es das Gesetz jetzt?

«Es gibt grosse ausländische Firmen, die genau das schon tun, was wir mit diesem Gesetz bezwecken», so Keller-Sutter. «Wir brauchen jetzt eine Schweizer Lösung.»

Die Fragerunde beginnt

Nun bekommen die anwesenden Journalistinnen und Journalisten die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

E-Umzug als positives Beispiel

Ständerat Hannes Germann, Präsident Schweizerischer Gemeindeverband (SGV), schliesst die Referat-Runde ab. Er zählt erfolgreiche Beispiele der Digitalisierung bei Behörden auf: der E-Umzug und die E-Publikation. «Diese Beispiele stehen exemplarisch für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Bund, Gemeinden und Kantonen. Sie wurden gemeinsam entwickelt und kommen letztlich den Bürgerinnen und Bürgern zugute.»

Der Schweizer Gemeindeverband empfiehlt ebenfalls ein Ja am 7. März. «Wir haben eine austarierte Lösung, die ich befürworte», so Germann. Er sei als Parlamentarier dem Gesetz selber kritisch gegenübergestanden. Dann seien im Gesetz Anpassungen zu Sicherheit und Datensparsamkeit vorgenommen worden.

«Private sind schneller und günstiger»

«Der Bund will keine eigene E-ID-Lösung anbieten», so Rathgeb. «Erfahrungen aus anderen Ländern haben gezeigt, dass Private das besser, schneller und günstiger können. Wir sollten nicht noch Jahre zuwarten, sondern die Möglichkeiten jetzt nutzen. Wir brauchen die Lösung jetzt, wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen.»

Die Mehrheit der Kantonsregierungen empfiehlt der Schweizer Stimmbevölkerung am 7. März drum ein Ja.

Mehrheit der Kantone ist dafür

«Eine Mehrheit der Kantonsregierungen ist für die E-ID», sagt Regierungspräsident Christian Rathgeb, Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK). «Wir brauchen die E-ID aber nicht nur fürs Online-Shopping, sondern auch für E-Government. Viele Kantone bieten das schon an. Wir sollen in Zukunft nicht mehr zum Schalter müssen ,um Gesuche einzureichen, Termine zu vereinbaren oder Dienstverschiebungen zu beantragen oder Betreibungsauszüge zu bestellen.»

«Die Prozesse werden dank der E-ID vereinfacht», so Rathgeb. «Auf E-Mail-Adressen basierenden Lösungen reichen nicht mehr. Auch per Post verschickte Passwörter sollen der Vergangenheit angehören. Das Leben für die Bürgerinnen und Bürger wird einfacher, aber auch die Verwaltungen können effizienter arbeiten.»

«Die datenschützerischen Einwände sind berechtigt», so Rathgeb. «Die Vorgaben sind darum streng. Die Daten werden staatlich überprüft und dürfen nicht weitergegeben werden. Jeder und jede darf entscheiden, wem seine Daten zur Verfügung gegeben werden.» Zusätzlich betont Rathgeb noch einmal, was Keller-Sutter gesagt hat: «Die E-ID bleibt freiwillig.»

«Notwendigkeit ist unbestritten»

«Wenn die Schweiz mit der technischen Entwicklung Schritt halten will, brauchen wir eine Möglichkeit, uns im Internet zweifelsfrei identifizieren zu können», sagt Keller-Sutter. «Das ist weitgehend unbestritten.»

Ein Nein zu dieser Vorlage habe laut Keller-Sutter nicht automatisch eine rein staaliche Lösung zur Folge. «Es braucht dann eine neue Vorlage, das würde Jahre dauern.»

«E-ID bleibt freiwillig»

Bundesrat und Parlament hätten deshalb eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet. «Der Bund übernimmt dafür die Verantwortung. Die E-ID ist sicher und praktisch», sagt Keller-Sutter. Sie betont: «Die E-ID bleibt freiwillig.»

Keller-Sutter kommt auf die Einwände der Gegnerinnen und Gegner zu sprechen, beispielsweise die fehlende Trennung zwischen staatlichen und privaten Akteuren. «Diese Diskussion ist fast 20 Jahre alt», so die EJPD-Chefin. «Die Aufgaben werden getrennt, mit einer starken Beteiligung des Bundes. Der Bund führt die Register, die für die Identifikation nötig sind, der Bund prüft auch, ob die gesetzlichen Vorgaben bei Privaten eingehalten werden. Der Staat behält bei der Ausstellung einer E-ID die Hauptverantwortung.»

Die technische Umsetzung wird allerdings Kantonen und Privaten überlassen. «Denn das muss nicht der Bund machen», so Keller-Sutter. Als Träger der E-ID kommen etwa USB-Sticks und Smartphones in Frage. «So ist das System flexibel und kann auch auf zukünftige Entwicklungen reagieren.»

Der Datenschutz sei gewährleistet und zuletzt noch erhöht worden. Anliegen des Konsumentenschutzes, beispielsweise das Einkaufen im Internet ohne E-ID, seien aufgegriffen worden. «Das E-ID-Gesetz ist ein klassicher Kompromiss», so Keller-Sutter.

«Das Internet gehört längst zum Alltag»

Als Erste spricht Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD). «Das Internet gehört für uns längst zum Alltag», sagt Keller-Sutter. «Die fortschreitende Digitalisierung erhielt mit der Corona-Pandemie einen zusätzlichen Schub.»

Für vieles, was man online tue, müsse man sich identifizieren. «Keines der existierenden Verfahren ist aber gesetzlich geregelt», so Keller-Sutter. «Bürgerinnen und Bürger müssen aber im Internet eindeutig identifiziert werden können.»

Die Medienkonferenz beginnt

Christoph Nufer, Kommunikationschef des EJPD, eröffnet die Medienkonferenz.

Das sind die Teilnehmenden

An der Medienkonferenz vom Donnerstag nehmen die folgenden Personen teil:

  • Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD)

  • Regierungspräsident Christian Rathgeb, Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)

  • Ständerat Hannes Germann, Präsident Schweizerischer Gemeindeverband (SGV)

Darum geht es im neuen Gesetz

Im Grundsatz wollen Bundesrat und Parlament die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen, damit elektronische Identifizierungsmittel anerkannt werden. Dies, weil es in der digitalen Welt schwierig ist, einen Beweis für seine Identität zu erbringen — anders als im Alltag, wo es Pass und Identitätskarte gibt.

Deshalb brauche es einen elektronischen Identitätsnachweis, kurz E-ID genannt. Der Bundesrat argumentiert, dass ein staatlich anerkanntes elektronisches Identifizierungsmittel insbesondere für die weitere Entwicklung von Online-Geschäften und E-Government-Anwendungen wichtig sind.

Die Gegner des Gesetzes monieren, dass der Datenschutz ungenügend sei. Zudem werde der Bund zum Datenlieferanten degradiert, denn das Bundesamt für Polizei müsste eine neue Personendatenbank anlegen, um privaten Konzernen die persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung zu stellen.

Das ist die Ausgangslage

Am 27. September 2019 nahmen National- und Ständerat das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz, BGEID) in der Schlussabstimmung an. Kritiker des neuen Gesetzes ergriffen daraufhin das Referendum, das sie im Februar 2020 mit rund 65'000 Unterschriften einreichten. Die Volksabstimmung dazu findet am 7. März 2021 statt. Mit der heutigen Medienkonferenz lanciert Bundesrätin Karin Keller-Sutter den Abstimmungskampf.

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