Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Corona-Krise in ItalienEin Kriegschirurg soll nun Kalabrien helfen

Er weiss, was eine Frontlinie ist: Der Kriegschirurg Gino Strada, Chef der italienischen Hilfsorganisation Emergency.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Gino Strada mag es nicht, wenn die Leute ihn als «Helden» bezeichnen, und erst recht nicht, wenn Spitäler als «Frontlinie» der Pandemie bezeichnet werden. «Ich mag es nicht, weil der Krieg mir nicht gefällt», sagt er. Klingt banal, ist es aber in Anbetracht seiner persönlichen Geschichte nicht.

Strada ist Kriegschirurg, er weiss, wie eine Front aussieht. Mit seiner Nichtregierungsorganisation Emergency hat er in Afghanistan, dem Irak und vielen anderen Konfliktgebieten operiert. Elf Millionen Menschen wurden eigenen Angaben zufolge von der NGO behandelt, nun soll Emergency auch in Kalabrien aushelfen.

Es fehlt an Betten, Personal, Geräten

Die süditalienische Region hat eine der niedrigsten Corona-Raten des Landes – und ist trotzdem von der Regierung von Premier Giuseppe Conte schon Anfang November als «rotes Gebiet» eingestuft worden. Das liegt daran, dass das dortige Gesundheitssystem schlecht ist, so schlecht, dass die Situation schon in normalen Zeiten als Ausnahmezustand betrachtet wird.

Es fehlt an Betten, Personal, Geräten. Ein Fünftel der Einwohner lässt sich ausserhalb der regionalen Grenzen stationär behandeln, Gesundheitsreisen sind ein Massenphänomen. Bisher hat es keine der italienischen Regierungen geschafft, die Bedingungen zu verbessern. Auch nicht die von Conte, der Strada nun um Hilfe gebeten hat.

Während der ersten Welle war Emergency in Bergamo im Einsatz: Im März mussten dort die Toten mit Armeelastwagen zu den Friedhöfen gebracht werden.

Strada ist ein Mann mit hohen Kompetenzen und noch höheren Idealen, ein Kind der 68er-Bewegung und ihrer Träume. Er ist 1948 in der Nähe von Mailand geboren, dort hat er studiert und sich in Unfallchirurgie spezialisiert. In den Achtzigerjahren absolvierte er viele Forschungsaufenthalte im Ausland, danach war er für das Rote Kreuz unter anderem in Pakistan und Somalia im Einsatz – eine Erfahrung, die ihn tief prägte. 1994 gründete er mit seiner Frau Teresa Sarti Emergency, um Opfern von Kriegen, Landminen und Armut eine «kostenlose und qualitativ hochwertige» Behandlung anzubieten.

«Ich bin kein Pazifist, ich bin gegen den Krieg.»

Gino Strada

In Italien ist Gino Strada eine Ikone des Pazifismus – obwohl er über sich selbst sagt: «Ich bin kein Pazifist, ich bin gegen den Krieg.» Sogar ein Asteroid wurde nach ihm benannt, der «(248908) Ginostrada». Wie jede Ikone ist auch Strada nicht frei von Kritik. So wird ihm zum Beispiel vorgeworfen, dass seine NGO, um in bestimmten Gebieten überhaupt tätig sein zu dürfen, mit Regimes verhandle und deshalb nicht neutral sei. Oder dass sie Spenden von Regierungen und Grossunternehmen akzeptiert habe. Auf die Kritiken reagiert Strada meist wortkarg, häufig sagt er: «Lass uns auf die zu erledigende Arbeit konzentrieren.» So wie jetzt.

Schon während der ersten Welle war Emergency in Bergamo im Einsatz, nun soll die NGO ein Feldlazarett in der kalabrischen Stadt Crotone betreiben – «ein erster Schritt», wie es heisst. Nicht alle sind damit zufrieden. Der Antimafia-Staatsanwalt Nicola Gratteri zum Beispiel. Er sagt, es wäre sinnvoller, einige der vielen geschlossenen Spitäler wieder zu öffnen, statt neue Feldlazarette zu errichten. Andere warnen vor einem Imageschaden: «Kalabrien ist nicht Afghanistan.» Fakt ist aber: Schon lange ist Emergency in Kalabrien und anderen Regionen Italiens aktiv, die NGO betreibt dort Arztpraxen für Migranten und ärmere Menschen – dort, wo das Gesundheitssystem nicht hinreicht.

Gesundheit als Menschenrecht

Denn zu den Lieblingsthemen Stradas gehört die Gesundheit als Menschenrecht, eine kostenlose Behandlung inklusive. In Italien ist das Gesundheitssystem zwar öffentlich, aber in manchen Regionen wie zum Beispiel der Lombardei verstärkt sich ein Privatisierungstrend.

Gino Strada ist der Meinung, dass das zu einer schlechteren medizinischen Versorgung auf dem Land geführt habe. Das sei aber nicht das einzige Problem. Während der Pandemie habe er verstanden: «Es ist einfacher, eine Herzchirurgie im Sudan zu eröffnen als in Italien ein Spitalbett.»