«Italien hat im Sommer ja auch nicht die Strände geschlossen»

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Gesperrte Skigebiete?«Italien hat im Sommer ja auch nicht die Strände geschlossen»

Die italienische Regierung will bis Ende Januar die Skigebiete in der Schweiz dichtmachen. Grund ist die Angst vor einer dritten Welle. Die hiesigen Touristiker reagieren erstaunt und sprechen von Willkür.

Die Titlis-Bergbahnen investieren viel Geld in ihr Corona-Schutzkonzept. Im Video siehst du die bestehenden und geplanten Massnahmen.

Darum gehts

  • Italien will die Skigebiete in Europa und damit auch in der Schweiz schliessen.

  • Damit möchte die italienische Regierung einer möglichen dritten Corona-Welle vorbeugen.

  • In Italien sind die Pisten jetzt schon dicht.

  • Für den Tourismus-Verband ist das Vorgehen Italiens unverständlich.

  • Die Schweizer Seilbahnen geben der Forderung keine Chance.

Italien hat Angst vor einer dritten Corona-Welle. Daher schlägt die Regierung harte Massnahmen vor: Die Skigebiete in ganz Europa und damit auch in der Schweiz sollen bis Ende Januar dichtmachen. Denn die Skiferien nach Weihnachten würden die Zahl der Ansteckungen befeuern, so die Befürchtung. Laut der Zeitung «La Repubblica» habe es bereits Gespräche mit den Nachbarländern gegeben. Derzeit ist es in Italien nicht erlaubt, Wintersport zu betreiben.

Bei den Schweizer Touristikern stösst der Ruf der Italiener nach geschlossenen Pisten auf Unverständnis. Nicolo Paganini spricht von Willkür. «Italien hat im Sommer ja auch nicht die Strände geschlossen», sagt der CVP-Nationalrat und Präsident des Schweizer Tourismus-Verbands zu 20 Minuten. «Auch können die Italiener uns nicht vorschreiben, was wir in der Schweiz zu tun haben.»

Fokus auf Schutzkonzepte

Jedes Land müsse laut Paganini autonom bestimmen können, ob es die Skigebiete geöffnet haben will oder nicht. Zudem kämen die Ansteckungszahlen hierzulande kontinuierlich herunter. «Potenzielle italienische Gäste können selber beurteilen, ob die Schweiz als Ferienland für sie sicher ist. Unsere Schutzkonzepte in Hotellerie, Gastronomie und Bergbahnen funktionieren. Und auch die Skischulen werden den Gesundheitsschutz gewährleisten», so Paganini.

Für Berno Stoffel ist das Vorgehen der Italiener unrealistisch. «Eine solche Forderung ist nicht umsetzbar», sagt der Direktor der Seilbahnen Schweiz. Zudem habe es bereits schon vorher solche Bestrebungen auf europäischer Ebene gegeben. Die Gespräche, an denen auch die Schweiz beteiligt war, seien aber im August gescheitert. «Es wird daher kein Alpenabkommen oder ähnliches geben», so Stoffel.

Die Forderung der Italiener nimmt er daher gelassen. «Sie beunruhigt uns nicht.» Er verweist auf das Sicherheitskonzept in den Skigebieten. Dieses werde gut umgesetzt. «Wir bieten unseren Gästen im Winter die bestmöglichste Sicherheit.»

Hast du oder jemand, den du kennst, Mühe mit der Corona-Zeit?

Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Tel. 147

«Kontrovers diskutierte These»

Schweiz Tourismus reagiert zurückhaltend. «Es handelt sich um eine These, die gemäss Medienberichten in Italien kontrovers diskutiert wird. In der Schweiz ist davon offiziell nichts bekannt», teilt Markus Berger, Sprecher der Marketingorganisation, mit. Mögliche politische Diskussionen in einem Nachbarland kommentiere Schweiz Tourismus nicht.

Angeregt werde eine europaweite Koordination der Betriebszeiten sowie Saisoneröffnungen der Wintersportdestinationen. Auch Berger verweist darauf, dass dieser Ansatz bereits im Spätsommer auf europäischer Ebene geprüft und als falscher Weg nicht weiterverfolgt wurde. «Daher dürfte dieser Ansatz auch jetzt nicht realistisch sein. In der Schweiz sind Bundesrat, Behörden und die Tourismusbranche überzeugt, dass der Schweizer Weg für den Moment richtig ist und die Wintersaison sicher stattfinden kann», so Berger.

Im letzten «regulären» Winter 2018/19 haben die Gäste aus Italien 455'000 Hotellogiernächte beigesteuert. Das entsprecht laut Berger einem Anteil von 2,7 Prozent. «Sie sind damit in den Top 10 der wichtigsten Herkunftsländer.»

Düstere Prognosen

Das Vorpreschen Italiens kommt zu einer ungünstigen Zeit. Am Montag hat Schweiz Tourismus für ihre neue Winter-Kampagne geweibelt. Mit dem Slogan «My First Time» will die Marketingorganisation den Schweizern die Winterferien in den Bergen schmackhaft machen. Neben Tourismusminister Guy Parmelin setzt sich auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga für Ferien im eigenen Land und somit auch für den Wintersport ein.

Wie die Kampagne aussieht, erfährst du im Video hier:

So macht Schweiz Tourismus Werbung für die Wintersaison.

Noch sehen die Prognosen für die Wintersaison in den Bergen düster aus: Gemäss einer Ende Oktober von Schweiz Tourismus durchgeführten Branchenumfrage liegt der Buchungsstand für die Weihnachtsferien aktuell 19 Prozent unter demjenigen des Vorjahres. Der Buchungsstand für die Sportferien liegt sogar fast ein Drittel unter jenem des Vorjahres.

Ausserdem lastet der weitgehende Wegfall von Buchungen aus Übersee auf den Zahlen. Es besteht laut Schweiz Tourismus aber weiterhin die Hoffnung, dass einige Einschränkungen bis Weihnachten aufgehoben werden. Innerhalb der Branche seien verschiedene Vorkehrungen getroffen worden, um sich der Situation anzupassen, so der Branchenverband. Neben einer Reduktion der Kapazitäten würden auch Stornierungsbedingungen gelockert.

Schutzkonzept im Skigebiet

Laut dem Schutzkonzept der Seilbahnen Schweiz gilt eine Maskenpflicht auf allen Seilbahnen und Schleppliften. Auch beim Anstehen muss eine Schutzmaske getragen werden – egal ob drinnen oder draussen. Empfohlen wird ein Halsschlauch – eine wintertaugliche Mund-Nasen-Schutz-Variante. Dieser kann beim Fahren schnell und einfach heruntergezogen werden, denn auf der Piste gilt keine Maskenpflicht. In den Wartezonen werden Signalisationen angebracht, um die Gästeströme zu lenken. Wenn nötig kommt Ordnungspersonal zum Einsatz, damit das Anstehen geordnet und ohne grosse Ballungen abläuft.

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