«Habe mich auf dem Platz nie richtig wohlgefühlt»

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Roger Federer«Habe mich auf dem Platz nie richtig wohlgefühlt»

Der Schweizer übersteht gegen John Millman in extremis den ersten Härtetest. Für den Sieg nach über vier Stunden musste er die letzten sechs Punkte gewinnen.

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Mit dem Rücken zur Wand dreht Federer nochmals auf und zieht in den Achtelfinal ein. (Video: SRF)

Die Spannung war um Mitternacht Ortszeit kaum zu überbieten: John Millman schaffte das Break zum 2:1 im fünften Satz, Roger Federer glich unmittelbar danach wieder aus. Es war klar, das nächste Break würde wohl die Entscheidung bedeuten. Millman hatte im siebten Game noch zwei Chancen zum Servicedurchbruch, Federer wehrte aber beide ab.

Im nächsten Game konnte Federer aus einem 0:30 kein Kapital schlagen, ebenso wenig aus einem 30:30 zwei Games später, als ihm noch zwei Punkte zum Sieg fehlten. Und auch im 12. Game stand Federer zweimal zwei Punkte vor dem Sieg, musste dann aber doch ins Champions-Tiebreak, das in Australien im Schlusssatz auf zehn Punkte ausgetragen wird. Am Ende gewann er mit 4:6, 7:6 (7:2), 6:4, 4:6, 7:6 (10:8).

«Er hatte alles richtig gemacht»

Und was dann kam, wird in den Geschichtsbüchern des Australian Open erst recht einen Eintrag finden: Millman spielte gross auf, führte 8:4, ehe Federer die letzten sechs Punkte gewann. «Zum Glück war es ein Super-Tiebreak, sonst hätte ich heute verloren», sagte er erleichtert im Platzinterview mit Jim Courier, «John spielte unglaublich und ich brauchte auch etwas Glück. Ich musste konzentriert bleiben und die richtigen Entscheidungen treffen, er hatte alles richtig gemacht.» Es war Federers 100. Sieg am Australian Open. Und einer, der ganz besonders in Erinnerung bleiben wird. «Ich war ja schon fast bereit, in die Pressekonferenz zu gehen und meine Niederlage zu erklären», sagte er.

Falls es noch einen Beweis für die Zähigkeit John Millmans gebraucht hätte, wurde der allerdings schon im vierten Satz erbracht. Der Australier lag mit 1:2 Sätzen hinten und war bei praktisch jedem eigenen Aufschlagspiel unter Druck. Federer gelang aber kein Break und Millman nützte seine einzige Chance eiskalt. So ging es nach knapp drei Stunden in der Rod-Laver-Arena in den fünften Satz.

Federer war sich von Anfang an bewusst, dass gegen Millman erstmals sein Stehvermögen gefragt sein würde. Alle drei bisherigen Duelle waren eng verlaufen, und der frühere Interclubspieler des TC Zug hatte ihm 2018 ja am US Open eine seiner bittersten Niederlagen zugefügt. Vor allem war Millman an jenem heissen Tag in New York körperlich klar besser.

Fast perfekte Leistung

Im Gegensatz zu den beiden ersten Partien gegen Steve Johnson und Filip Krajinovic war Federer diesmal denn auch weit von einem Blitzstart entfernt, sein Gegner von ganz anderem Leistungsvermögen als der Amerikaner und der Serbe. Federer kassierte rasch das erste Break zum 1:3 und war dann den ganzen Startsatz im Hintertreffen. Bei 3:5 holte er sich mit einem brillanten Returngame das Rebreak, musste dann aber direkt danach seinen Aufschlag zu null abgeben.

Der Australier verdiente sich den Gewinn dieses Durchgangs mit einer fast perfekten Leistung, ganze vier unerzwungene Fehler wies die Statistik aus. Millman stützte sich dabei wie fast immer auf die gleiche Spielphilosophie und verteilte die Bälle auf beiden Seiten fast ausschliesslich crosscourt. «Er hat heute stark dominiert und dafür gesorgt, dass ich mich nie richtig wohl fühlte auf dem Platz», sagte Federer.

Im zweiten Satz holte sich der 38-Jährige vor allem bei Aufschlag Millmans mehr Spielanteile, konnte etliche Male aus einem 30:30 aber kein Kapital schlagen. Im Tiebreak spielte er dann nahe der Perfektion und holte sich so nach knapp eineinhalb Stunden den Satzausgleich. Er war enorm wichtig, weil ein 0:2-Defizit gegen den so konditionsstarken Mann aus Queensland wohl zur gewaltigen Herausforderung geworden wäre.

Energiereserven noch intakt

Durch den Adrenalinschub durch den Sieg dürften die Energiereserven Federers zum Start in die zweite Woche trotz der langen Partie noch intakt sein. Am Sonntag spielt er im Achtelfinal gegen den Ungarn Marton Fucsovics (ATP 67), der auch schon mit ihm in der Schweiz trainierte und für die Grasshoppers die NLA-Interclubmeisterschaft bestritt.

Federer hat beide bisherigen Vergleiche ohne Satzverlust gewonnen, einen davon 2018 ebenfalls im Achtelfinal in Melbourne. Fucsovics ist in starker Form, er hat bisher den jungen Kanadier Denis Shapovalov, den sehr jungen Italiener Jannik Sinner und den Amerikaner Tommy Paul ausgeschaltet.

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