Es ist verständlich, dass sich die Medien auf die vier Missbrauchsfälle konzentrieren, bei denen ein Gutachten dem späteren Papst Benedikt ein nicht adäquates Vorgehen als Bischof vor 40 Jahren vorwirft. Es ist auch wichtig und richtig, Verantwortung einzumahnen. Auch wenn offenbleibt, wie zutreffend eine Auswertung oft recht dürrer Akten nach Jahrzehnten überhaupt sein kann.
Und wie viel Erzbischof Ratzinger wusste oder nicht – die Verantwortung für eine inadäquat handelnde Institution hatte er in jedem Fall. Wie so viele Bischöfe, Landesschuldirektoren, Heimleiter, Sportfunktionäre, Vereinspräsidenten usw. seiner Zeit. Missbrauch sah man weithin viel zu harmlos, auch im aktuellen Gutachten liest man das: Da befürwortet eine bayerische Schulbehörde den Einsatz eines verurteilten Täters, wenn auch nur in der Privatschule.
Die relevante Frage scheint mir zu sein: Haben wir seitdem gelernt, dem Leid der Betroffenen gerecht zu werden? Und: Was können wir noch tun, um Missbrauch zu verhindern? Viel ist geschehen: Enttabuisierung und Transparenz, empathisches Hören auf Betroffene, Ombudsstellen, Präventionsbeauftragte, Klasnic-Kommission . . . Und doch bleiben noch Hausaufgaben.
Der Kirche könnte dabei ein Disziplinarrecht helfen, wie es Ärzte oder Anwälte haben, das den weiteren Einsatz regelt. Das kirchliche Strafrecht ist ja immer noch fast ausschließlich ein Beugerecht: Es zielt darauf ab, dass jemand ein unrechtes Tun beendet . Eine abgeschlossene und bereute Tat ist also so, als hätte sie nie stattgefunden. Das ist christliche Vergebung – aber kein Modell für den Personaleinsatz.
Letztlich hat aber die ganze Gesellschaft das Problem, dass das Recht auf einen Neuanfang im Konflikt mit der Rückfallsgefährlichkeit von Sexualstraftätern steht. Zwischen einer naiven Hoffnung auf das reine Herz des geläuterten Täters und dem Ruf nach Wegsperren auf immer gibt es noch keine allgemein anerkannte Lösung. Sie zu finden wäre wichtiger als die Frage, ob auch Ratzinger damit überfordert war.
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