Österreich

"Morde kommen nicht aus heiterem Himmel"

Heute Redaktion
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In Kitzbühel soll ein 25-Jähriger eine ganze Familie ausgelöscht haben, weil seine Ex ihn verlassen hatte. Eine Expertin erklärt die Hintergründe.

Sonntag, 6 Uhr früh im Nobel-Skiort Kitzbühel. Ein 25-Jähriger betritt die Polizeistation, legt ein Messer und eine Pistole auf den Tisch und gesteht, gerade fünf Menschen getötet zu haben. Der Verdächtige soll nach der Trennung seine Ex-Freundin (19), deren neuen Freund sowie ihre Eltern und Bruder erschossen haben, es gilt die Unschuldsvermutung.

"Heute.at" sprach mit Rosa Logar, Leiterin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, über den tragischen Fall.

"Heute.at": Warum sind Täter bei Beziehungsmorden meistens Männer und die Opfer Frauen?

Rosa Logar: Die Ursachen liegen in der historisch gewachsenen Dominanz von Männern über Frauen. Früher gab es noch massivere Ungleichheiten in der Machtverteilung der Geschlechter. Heute haben wir auf dem Papier eine Gleichstellung zwischen Frau und Mann, doch patriarchalen Strukturen und Muster bestehen immer noch.

Manche Männer empfinden ihre Partnerinnen noch immer als Besitz, sie fühlen sich mitunter auch als Herren über Leben und Tod. Ein typisches Bild ist, dass die Trennung nicht akzeptiert wird – wie auch bei diesem schrecklichen Fall in Kitzbühel. Allgemein sind Scheidungen und Beziehungsenden sehr gefährlich für Frauen in gewalttätigen Beziehungen.

Im aktuellen Fall wurde nicht nur die Frau, sondern ihre ganze Familie getötet – ist das außergewöhnlich?

Nein, das wäre ein Irrglaube. Denn Aggressionen richten sich in vielen Fällen nicht nur gegen die Frau, sondern auch gegen die Familie oder andere Menschen in der Gesellschaft. Jener Mann, der im Sommer im Hauptbahnhof Frankfurt einen 8-Jährigen vor den Zug gestoßen hat, war bereits davor auffällig. Er hatte seine Familie und eine Nachbarin bedroht.

Was löst diese Taten aus?

Solche Morde kommen nicht aus dem "heiteren Himmel". In Kitzbühel soll der Verdächtige seine Ex-Freundin und deren neuen Freund kaltblütig im Schlaf erschossen haben. Das hat mit Affekt nichts zu tun. In diesem Fall kommt zur nicht akzeptierten Trennung auch hinzu, dass die junge Frau bereits mit jemand anders zusammen war. Auch die Unterstützung, die sie durch die Familie erhalten hat, könnte ein Auslöser gewesen sein.

Gibt es Vorzeichen, bei denen man aufpassen sollte?

Neben der Weigerung, ein Beziehungs-Aus zu akzeptieren, können das etwa gezielte Konfrontationen sein. Auch in der Beziehung gibt es Verhaltensmuster, etwa die Isolierung der Partnerin, emotionale Erpressung, Kontrollsucht und Drohungen. Dabei muss es auch nicht zu körperlicher Gewalt kommen. Seelische Gewalt ist oft viel schwerer nachzuweisen, teilweise wird den Opfern einfach nicht geglaubt.

Im Nationalrat wurde das umstrittene Gewaltschutzpaket beschlossen. Können diese Maßnahmen helfen?

Aus Sicht vieler Expertinnen und Experten ist das Gewaltschutzpaket leider eher kontraproduktiv. Es mag gut gemeint sein, doch die Strafverschärfung löst das Problem nicht. Bedauerlich ist auch, dass laut dem Gesetz nur noch die Polizei Fallkonferenzen einberufen darf und auch die Anzeigepflicht kann negative Folgen haben. Uns erscheint das Paket als unausgereift und nicht hilfreich. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn bei der Erstellung mehr auf Expertinnen und Experten gehört worden wäre.

Was kann man konkret zur Prävention tun?

Es ist wichtig, dass alle Institutionen Gewalt ernst nehmen und nicht zuwarten, bis die Situation eskaliert. Relativierungen wie "nur ein Familienstreit" sind hier fehl am Platz. Bei der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie müssen wir mit dem vorhandenen Personal 5.800 Opfer betreuen, pro Opfer und Jahr stehen nur 5,5 Stunden an Hilfe zur Verfügung, das ist einfach zu wenig. Mehr als eine akute Betreuung ist oft nicht möglich, dabei wäre eine mittel- und langfristige Begleitung unbedingt nötig.

Wir sehen immer wieder bei Morden, dass das Gewaltproblem den Behörden bereits bekannt war, doch Anzeigen werden häufig eingestellt und schon bald nach dem Gewaltvorfall erkundigt sich niemand mehr nach den Opfern, weil das Personal fehlt. Um die Gewalt zu stoppen, müssen wir dranbleiben, denn das Problem löst sich nicht einfach auf. Dafür muss die Politik wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen.

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