Wenige Tage vor seiner möglichen Wiederwahl übt der Präsident der europäischen Wirtschaftskammern, Christoph Leitl, Kritik an der Wahlauseinandersetzung im Heimatland. Von außen betrachtet sei es ein „Wahlkampf zum Genieren“ gewesen, befand der langjährige frühere Wirtschaftskammerchef gegenüber der Kleinen Zeitung. „Mir hat das Thema Europa gefehlt, eine geistige Öffnung nach außen und Hinweise darauf, mit welchen europäischen Verbündeten man die Herausforderungen der Gegenwart meistern will.“

Bei Mercosur „in der Populismus-Falle“

Missfallen äußerte die ÖVP-Ikone auch am Veto Österreichs und seiner Partei gegen den Handelspakt mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Leitl sieht Österreich „in der Populismus-Falle“ und kann die Haltung „nicht nachvollziehen“. Immerhin würden sechs von zehn Euro im Export erwirtschaftet. „Es stört mich, dass hier etwas abgelehnt wird, obwohl noch nicht einmal ein Vertragstext vorliegt“. Man könne auf sachlicher Ebene „über alles diskutieren und auch Kritik üben, aber doch nicht zu einem Zeitpunkt, wo noch nicht einmal klar ist, wogegen man eigentlich ist“. Für ihn sei klar: „Scheitert das Abkommen zwischen der EU und diesen südamerikanischen Wirtschaftsmächten, dann steht China schon bereit“. Doch im Gegensatz zur EU, werde China etwa Brasilien sicher nicht dazu verpflichten, sich an das Pariser Klimaabkommen zu halten, „der EU-Mercosur-Pakt sieht das aber sehr wohl vor“.

Zum Dilemma einer türkisen Partnerwahl wollte Leitl nicht Stellung beziehen, ließ aber Sympathie für ein buntes Dreier-Bündnis mit Neos und Grünen erkennen. „Ein solches Projekt würde in Europa mit Interesse aufgenommen werden, weil es etwas Einmaliges wäre.

Zweite Amtszeit als Eurochambres-Präsident

In der kommenden Woche stellt sich Leitl in Brüssel abermals der Wahl zum Präsidenten der Europäischen Wirtschaftskammern Eurochambres. Läuft alles nach Plan wird er für zwei weitere Jahre an der Spitze dieses mächtigen europäischen Interessensverbandes stehen, der europaweit rund 20 Millionen Unternehmen repräsentiert.