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Martin Sonneborn: "Ich hätte aus Ibiza eine Serie gemacht"

Von Alexander Dworzak

Politik

Der deutsche Satiriker und EU-Abgeordnete outet sich als Fan von Österreichs Regierung. Seine Partei zu wählen, sei Protest gegen unsoziale Politik.


Auf einem Korb mit Schwarzwälder Schinken und Kuckucksuhr gründet sich Martin Sonneborns Bekanntheit. Der damalige Chefredakteur des Satiremagazins "Titanic" führte mit diesem Bestechungsangebot, um die Fußball-WM nach Deutschland zu bringen, die übel beleumundete Funktionärskaste vor. 2004 folgte die Gründung von "Die Partei". Sie stellt mittlerweile zwei Abgeordnete im EU-Parlament, auch bei der Wahl in Sachsen verbuchte sie im September Teilerfolge. In Österreich wartet Sonneborn - er trat vor kurzem im Wiener Stadtsaal auf - noch auf den Durchbruch, die "Partei" tritt nicht zur Nationalratswahl an.

"Wiener Zeitung": Das Ibiza-Video bedeutete den Anfang vom Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung. Wie beurteilen Sie den laufenden Wahlkampf in Österreich?
Martin Sonneborn: Mehr als der Wahlkampf interessiert mich, dass Sie nun Spezialisten in der Regierung haben. Ich war gerade in Bergkarabach (zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittene Region, Anm.). Dort wird den Parlamentariern verboten, gut dotierte Nebenjobs in Industrie oder Wirtschaft zu haben. Und sie holen Spezialisten in Ministerämter, nicht verdiente Parteisoldaten. Das scheint in Österreich gerade auch gut zu funktionieren.

Ist Ihnen das Ibiza-Video angeboten worden?
Ich habe zu der Zeit mit Jan Böhmermann SMS ausgetauscht und er war erstaunt, dass ich nichts davon wusste. Anscheinend war ich der Einzige in Deutschland, dem es nicht angeboten wurde.

Was hätten Sie mit dem Video gemacht?
Eine schöne Serie auf YouTube. Und mehr als die sechseinhalb Minuten veröffentlicht.

Wäre das Video nicht eine gute Gelegenheit für den österreichischen Ableger Ihrer Partei gewesen?
Wir kämpfen bereits seit zwei, drei Jahren, an Wahlen teilzunehmen. Aber die Hürden sind sehr hoch. Kleine Schikanen, die wir nicht kennen in den zivilisierten Bundesländern Deutschlands.

Welche sind unzivilisiert?
Um zur EU-Wahl in Deutschland antreten zu können, braucht man 4000 Stimmen landesweit. Damit wir in Bayern an einer Kommunal- oder Landtagswahl teilnehmen, haben wir mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt und es damit nur in fünf von sechs Landesteilen auf die Wahlzettel geschafft. Österreich und Bayern sind auch hier ähnlich.

In welchen Bereichen noch?
Bayern, Sachsen, Österreich - das ist das Gleiche. Sie fühlen sich unterschätzt und haben Weltmachtanspruch.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat anscheinend einen Weltretteranspruch. Ständig bringt er nun Öko-Themen ein. Können Sie auch Vorschlägen etwas Gutes abgewinnen, wenn sie von einem Konservativen kommen?
Ich freue mich über jede gute politische Idee. Aber ich denke nicht, dass Söder ernst zu nehmen ist. Wir betreiben seriösen Populismus, aus Bayern kommt unseriöser Populismus.

Was ist seriöser Populismus?
Wir arbeiten mit populistischen Methoden, spitzen zu, polemisieren und machen Witze. Aber wir haben einen seriösen Ansatz.

Aber Sie haben sich doch als unseriösester Politiker Europas bezeichnet, nun abgelöst von der designierten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
Ich habe damit gespielt, dass ich als unseriös gelte. In Wirklichkeit bin ich aber seriös.

Für seriös oder zumindest wählbar hielten Sie bei der Landtagswahl in Sachsen gleich fünf Prozent der Wähler im Wahlkreis Dresden 7. Der "Partei"-Kandidat lag dort nur um 2,8 Prozent hinter dem SPD-Kandidaten. Darf man über die deutschen Sozialdemokraten noch Witze machen oder sind das zu billige Pointen?
Die SPD fordert die Witze heraus. Sie hat die Ernsthaftigkeit der Situation noch nicht erkannt. Bei der EU-Wahl lagen wir bei jenen, die zum ersten Mal wählen gehen durften, vor der SPD. Die SPD ist kein Gegner mehr.

Wer ist Ihr Hauptgegner?
Wir setzen uns am aggressivsten und erfolgreichsten mit der AfD auseinander. Wir haben dafür gesorgt, dass das Parteienfinanzierungsgesetz in Deutschland geändert wird. Das kostet die AfD jedes Jahr 500.000 Euro, die hatten früher durch Goldverkauf Zusatzeinnahmen. Und wir haben eine Auseinandersetzung mit CDU und CSU. Es gab den Versuch einer Wahlrechtsreform, eine Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen sollte eingezogen werden, um kleinere Parteien wie uns aus dem EU-Parlament zu werfen. Aber die SPD weckt Mitleid. Sie ist tot, die Grünen werden die neue SPD. Wir werden die neuen Grünen.

Aber die Grünen dringen auch ins konservative Wählerspektrum ein.
Die Grünen sind die FDP des kleinen, dummen Mannes und seiner Frau. Gebildete, SUV-Fahrer. Mit den Grünen werden wir uns auch noch beschäftigen, im Moment ist das größere Problem, dass es keine funktionierende Sozialdemokratie gibt. Olaf Scholz, der Parteichef werden will, stünde nicht einmal in der CDU links, sondern in der Mitte. Dabei gibt es Junge und Engagierte, aber die sitzen alle unten. Der Kontakt von der Basis zur Spitze fehlt.

Sehen Sie bei den Kandidaten um den SPD-Vorsitz geeignete Köpfe?
Es ist egal, wer das Rennen macht. Ich glaube nicht, dass sich die SPD erholen wird. Die haben nicht diagnostiziert, für wen sie Politik machen und für wen sie Politik machen müssten. Aus beruflichem Interesse hoffe ich, dass Scholz das Rennen macht.

Ihr Kollege Jan Böhmermann ist mit seiner Bewerbung als SPD-Chef krachend gescheitert. Aus Satiriker-Sicht: Was hat er handwerklich falsch gemacht?
Das war eine spontane Idee, die schnell umgesetzt, aber zu spät angefangen wurde. Ich war in sämtlichen deutschen Parteien parallel und weiß daher, dass es dauert, bis man aufgenommen wird. Böhmermann hätte drei Wochen früher starten müssen, dann wäre er SPD-Chef geworden.

Was machen die anderen Parteien falsch, dass Wähler ihr Kreuz bei Ihrer Satirepartei machen?
Ich definiere uns als Protestpartei für intelligente Wähler, die Dummen wählen die AfD. Uns zu wählen, ist eine Missfallensbekundung gegenüber der unsozialen Politik. In der EU sind seit zwei Jahrzehnten 22 bis 25 Prozent der Bürger arm. Abgesehen von Umwelt- und Infrastrukturproblemen müsste der Reichtum in Deutschland anders verteilt werden.

Das würde auch ein Politiker der Linkspartei sagen. Warum haben Sie nicht dort Karriere gemacht?
Ich habe mich einmal mit Parteichefin Katja Kipping getroffen. Die Dame ist absolut humorlos. Und als Mann habe ich in meiner Partei bessere Chancen.

In Sachsen hat "Die Partei" 1,5 Prozent erreicht - mehr als doppelt so viel wie die rechtsradikale NPD, die auf 0,6 Prozent kam, während es vor vier Jahren noch 4,9 Prozent waren. Haben Sie von Wählern gehört, die von der NPD zu Ihnen gewechselt sind?
Nein. Aber ihnen könnten unsere Plakate mit dem Slogan "Hier könnte ein Nazi hängen" gefallen haben. Die waren eine Reaktion auf ein Plakat der Rechten, wo stand: "Wir hängen nicht nur Plakate." Die NPD ist wie die SPD: Die Zeit ist einfach vorbei. Die AfD ist die coolere NPD.

Im EU-Parlament, dessen Abgeordneter Sie sind, wird Ende Oktober die Kommission bestätigt oder abgelehnt. Worauf stützt sich Ihr Urteil über Frau von der Leyen als "unseriöseste Vertreterin der europäischen Demokratie"?
Dass sie eine erfolglose Ministerin war, will ich ihr nicht vorwerfen, aber ihre Ahnungslosigkeit in Europapolitik. Sie paktierte mit den "liberalen" osteuropäischen Staaten Polen und Ungarn. Gleich am Tag nach ihrer Wahl durch die Regierungschefs hat sie über die Rechtsstaatsverfahren gesagt: "Wir müssen uns an Vorschriften halten, aber niemand ist perfekt." So dummes Gewäsch finde ich schädlich für die EU.

Warum sind Sie im Gegensatz zu Ihrem "Partei"-Kollegen Nico Semsrott, der bei den Grünen angedockt hat, weiter fraktionsloser Abgeordneter?
Es sollte eine starke rechte Fraktion gebildet werden, mit 73 Mandataren. Die grüne Fraktion hatte ebenfalls 73, da sind die Grünen an uns herangetreten. Ich bin lieber fraktionslos, dann habe ich weniger Diskussionen, wenn ich Reden halte.

Sie sind im EU-Parlament Teil der Delegation für die Beziehungen zur Koreanischen Halbinsel. Bemühen Sie sich um eine Reise nach Nordkorea, inklusive Treffen und Bild mit Kim Jong-un?
Tatsächlich hatte ich bereits ein Flugticket, aber die Delegation ist wieder ausgeladen worden. Bei Kim interessiert mich die Möglichkeit, Entscheidungen einfach durchzusetzen.

Das können Sie in China auch beobachten, oder bei afrikanischen Diktatoren.
Das chinesische Außenministerium hat einmal nach einem Spaß von mir im TV dem ZDF meine Hinrichtung empfohlen. Ich würde nicht nach China reisen.

Haben Sie eine satirische Aktion bereut und sich gedacht, da bin ich zu weit gegangen?
Mir fällt keine ein.

Welche Aktion schlug epochal fehl?
Bei der liberalen FDP wollte ich eine kommunistische Plattform in einem Ortsverein gründen und überregional bekannt machen. Mit fünf Freunden hatte ich das bei einem Bier besprochen. Aber ich war der Einzige, der dann in die Partei eingetreten ist.