Steigerung um 13,5%

Daten zeigen: Immer mehr Gewalt an unseren Schulen

Österreich
16.05.2019 18:25

Der handfeste Konflikt an einer HTL in Wien-Ottakring (Video oben) hat erneut zu einer breiten Diskussion über Gewalt an Österreichs Schulen geführt. Aktuelle Zahlen des Innenministeriums machen jetzt deutlich, dass die Sorgen der Menschen nicht unberechtigt sind: Die Gesamtzahl der angezeigten Gewalttaten an den Bildungseinrichtungen des Landes ist im Vorjahr im Vergleich zu 2017 um 13,5 Prozent gestiegen, wie aus den vorläufigen Daten des Ministeriums hervorgeht, das auf Anfrage der „Krone“ auch Informationen über Nationalitäten von Tatverdächtigen bekannt gab. Auffallend sind die Steigerungen nicht nur bei Körperverletzung, sondern auch bei Sexualstraftaten. Und: Vor allem Pflichtschüler sind in zunehmendem Maße mit Gewalt konfrontiert.

Nachdem es immer wieder zu schweren, teils sogar lebensbedrohlichen Auseinandersetzungen unter Schülern gekommen war, waren bereits im November des Vorjahres zum ersten Mal überhaupt konkrete Zahlen zu den angezeigten Delikten in Wien bekannt gegeben worden. Nach neuesten Angaben werden den 700 Wiener Schulen im Jahr 2018 insgesamt 408 mutmaßliche Delikte zugeordnet - ein Rückgang von 1,2 Prozent im Vergleich zu 2017 (413).

1323 Übergriffe gemeldet
Die Zahlen, die das Innenministerium am Donnerstag nach einer Anfrage der „Krone“ freigab, machen aber auch deutlich, wie die Situation für alle Schulen der Republik (sämtliche Bildungseinrichtungen Österreichs inklusive Fachhochschulen, Fahrschulen etc.) aussieht. Österreichweit wurden laut Statistik Austria im Schuljahr 2017/2018 1.332.000 Schüler eingeschrieben. Was Gewalttaten an den heimischen Schulen betrifft, wurden landesweit im vergangenen Jahr 1323 Fälle zur Anzeige gebracht. Gegenüber 2017 (1166) entspricht dies einer Steigerung von 13,5 Prozent, wie den bisherigen Aufzeichnungen des Ministeriums zu entnehmen ist.

Österreichische Staatsbürger führen Ranking an
Bei Schülern mit österreichischer Staatsbürgerschaft stieg die Zahl der mutmaßlichen Delikte demnach um 8,8 Prozent, niedriger war die Steigerungsrate etwa bei Kindern mit türkischem Reisepass mit einem Plus von 2,4 Prozent. Nach absoluten Zahlen liegen Schüler mit österreichischem Pass mit 1014 Delikten deutlich an der Spitze.

Steigerung bei Afghanen, Deutschen, Polen
Dem Trend der letzten Jahre folgend, stammt eine steigende Zahl an Tatverdächtigen aus Afghanistan - hier gab es ein Plus von 28,6 Prozent im Vergleich zu 2017. Bei Schülern mit syrischer Staatsbürgerschaft stieg die Zahl um 12,3 Prozent. Deutlich gestiegen sind auch die Zahlen der Tatverdächtigen aus Russland (+23,2%), Deutschland (+56,3%), dem Kosovo (+100%), Nigeria (ebenfalls +100%), Bosnien-Herzegowina (+158,3%) und Polen (+180%). Bei aus dem Ausland stammenden Verdächtigen handelt es sich jeweils um Zahlen im zweistelligen Bereich  (siehe Aufstellung unten).

Tatverdächtige Schüler nach Nationalitäten:

  • Österreich: +8,8 Prozent (von 932 Tatverdächtigen im Jahr 2017 auf 1014 Tatverdächtige im Jahr 2018)
  • Afghanistan: +28,6% (von 42 auf 54)
  • Russische Föderation: +23,2% (von 56 auf 69)
  • Deutschland: +56,3% (von 16 auf 25)
  • Syrien: +12,3% (von 65 auf 73)
  • Kosovo: +100% (von 9 auf 18)
  • Nigeria: +100% (von 8 auf 16)
  • Bosnien und Herzegowina: +158,3% (von 12 auf 31)
  • Polen: +180% (von 5 auf 14)
  • Türkei: +2,4% (von 41 auf 42)

Aufwärtstrend bei Belästigung und Körperverletzung
Grund zur Sorge bereiten vor allem die hohen Steigerungsraten im Bereich von sexueller Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen. Und auch bei Körperverletzung bzw. bei der Androhung von Gewalt ging der Trend teils deutlich weiter nach oben. So gab es im Vorjahr bei Anzeigen wegen Körperverletzung (§83 StGB) im Vergleich zu 2017 einen Anstieg um 8,2 Prozent bzw. um 66 Fälle (von 803 Anzeigen auf 869). Auffallend hoch die Steigerungsrate von +88,9 Prozent bei Fällen von Schwerer Nötigung (§106 StGB) und +27,2 Prozent bei Gefährlicher Drohung (§107 StGB).

Auffällig ist außerdem der Anstieg bei Sexualdelikten an den heimischen Schulen: Hier wurde bei Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§207 StGB) ein Plus von 50 Prozent im Jahresvergleich verzeichnet. Mit einem Plus von 54,2 Prozent fiel der Anstieg im Bereich der sexuellen Belästigung (§218 StGB) sogar noch etwas höher aus. Waren es 2017 24 Fälle, die zur Anzeige gebracht wurden, zählte das Ministerium hier für 2018 bereits 37 Fälle. Um es in Relation zu setzen: Im Jahr 2016 waren landesweit überhaupt nur 8 Fälle von sexueller Belästigung an Schulen zur Anzeige gebracht worden.

Vermehrt Vorfälle in Kindergarten und Volksschule
Interessant sind die aktuellen Zahlen des Ministeriums auch mit Blick auf die Altersgruppen. Denn die Daten zeigen, dass auch bei den Jüngsten im Alter von 0 bis 9 Jahren - also schon in Kindergarten und Volksschule - Gewalt immer öfter auf der Tagesordnung steht. War der Trend hier mit 106 gemeldeten Übergriffen durch einzelne Kinder am Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 in den Folgejahren wieder deutlich abgeflaut, schnellte die Zahl 2018 wieder nach oben: 103 der Jüngsten wurden im Vorjahr gleich in der Anfangsphase ihrer schulischen Laufbahn gemeldet.

Zum Vergleich: In der Altersgruppe 10 bis 13 gab es 2018 bereits 514 Tatverdächtige, hier ging der Trend in den Jahren seit 2015 (402) konsequent weiter aufwärts. Ähnlich auch die Entwicklung bei den Schülern im Alter von 14 bis 17 Jahren, hier waren 2017 470 Tatverdächtige gezählt worden, im Jahr darauf waren es plötzlich 606. Pflichtschüler, ist aus den Daten abzulesen, sind somit in besonderem Maße mit steigender Gewalt konfrontiert.

„Schüler sollen keine Angst haben müssen“
Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) stellt dazu gegenüber krone.at klar: „Die jüngsten Gewalttaten an österreichischen Schulen zeigen, dass wir in dieser Hinsicht stärker denn je aktiv sein müssen. An unseren Schulen sollen die Schülerinnen und Schüler etwas lernen und keine Angst haben müssen!“

Das Bundesministerium bereite aufgrund der aktuellen Entwicklungen weitere Maßnahmen vor, unter anderem werde das Team der polizeilichen Präventionsbediensteten - Zielgruppe sind hier Jugendliche unter 18 - bis Jahresende von 400 auf mindestens 433 Mitarbeiter aufgestockt. Weiters seien 2018/19 bislang 13 „normverdeutlichende Gespräche“ und rund 300 Präventionsveranstaltungen durchgeführt worden.

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