Klassik

Argerich, Kremer, Maisky: Düstere Kammermusik

Konzerthaus Wien
Konzerthaus Wien(c) imago images/Volker Preußer (Volker Preusser via www.imago-images.de)
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Standing Ovations für lebende Legenden der Zunft im Konzerthaus.

Ist nach Dmitri Schostakowitschs Klaviertrio Nr. 2 aus dem Jahr 1944 eine Zugabe möglich? Nach dieser Zirkusparade des Grauens, bei der das Totengedenken an einen Freund eins wird mit den Schrecken des Weltkrieges und den Gräueltaten an den Juden? Was könnte darauf passen? Ein entrücktes Schubertlied ohne Worte. Martha Argerich begann also mit dem sanften Wogen von „Du bist die Ruh‘“ D 776; Gidon Kremer und Mischa Maisky übernahmen an Violine und Violoncello die Singstimme, zunächst im strikten Wechsel, erst am Ende zusammen. Aber wie! Kremer, mit fast fahlem, zerbrechlich zartem Ton, fiel gleich durch ein bedeutungsvolles Zögern auf, eine Minizäsur nach dem zweiten Ton – so, als würde er den Schlusskonsonanten von „bist“ extra präzise aussprechen und dadurch eine winzige Atempause erzeugen.

Wenn man so will: Hier machte das Wort die Musik, mit einer Prise jenes hinweisenden Vortragsstils, wie weiland Harnoncourt ihn gepflegt hat, oft mit Kremer gemeinsam. Wie klang dieselbe Tonfolge dann bei Maisky? Schon im Heben der Arme lag bei ihm mehr edles Pathos als bei Kremer in der ganzen Phrase. Keine Rede von einem mit der Pinzette verlegten Tonmosaik, hier verströmte ein Opernbariton sonores Legato. Argerich hingegen bewies zu alldem, dass das Klavier zu Recht kurz „Piano“ genannt wird – mit einer fantastischen Fülle an Schattierungen des Leisen nämlich: im anwachsenden und sich wieder beruhigenden Untergrund, im melodischen Widerhall, in der samtenen Bündelung sämtlicher Linien und Kräfte. Seelentrost nach Schostakowitschs so beklemmend jaulenden, schmerzverzerrten Gestalten.

Kremer, Maisky, Argerich: Die als Solisten ebenso wie als Kammermusikpartner (nicht zuletzt im Plattenstudio) in drei langen Karrieren bejubelten Stars zu dritt auf einem Wiener Konzertpodium, das hatte es noch nie gegeben. Im Konzerthaus zeigten sie, wie man individuell bleiben und sich trotzdem zugleich auf die anderen einstellen kann. Es passte zur Dringlichkeit ihrer Musizierweise, dass gerade jene Werke am stärksten wirkten, die das Private und Politische verquickten: neben dem genannten Schostakowitsch-Trio etwa die Violinsonate Nr. 5 von Mieczysław Weinberg, dem lang unterschätzten Freund und musikalischen Blutsbruder Schostakowitschs, mit hohem Katzenjammer, verknoteten Fugati und unter Zwang zum Tanz aufspielender Fiedel. Oder Igor Lobodas „Requiem“ für Geige allein, ein Gedenken an die Opfer des Ukraine-Konflikts.

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