In Gutachten belastet

Missbrauch: Papst Benedikt „hat eindeutig gelogen“

Ausland
21.01.2022 08:00

Das Gutachten zu sexuellem Missbrauch im deutschen Erzbistum München und Freising erschüttert die katholische Kirche. Auch der damalige Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger - der spätere Papst Benedikt XVI. - wird darin schwer belastet. Er soll über die Teilnahme an einer Sitzung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die Wahrheit gesagt haben. Bei dem Treffen wurde beschlossen, einen Priester, der einen Buben missbraucht hatte, zu versetzen. Deutlicher wird der renommierte Kirchenrechtler Thomas Schüller: „Er hat eindeutig gelogen.“

So legte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wast, die das Gutachten verfasst hatte, ein Protokoll vor, wonach Ratzinger - anders als von ihm behauptet - durchaus an der Sitzung im Jahr 1980 teilgenommen hatte. In dem Protokoll würden Dinge stehen, „die nur er wissen kann aus einem Gespräch mit Papst Johannes Paul II.“, betonte Schüller im ARD-„Brennpunkt“ am Donnerstagabend. „Er möchte heute nicht die Wahrheit sehen, sondern er leugnet sie und versucht, alle Verantwortung von sich zu schieben und dadurch brüskiert er die Opfer ein zweites Mal“, kritisierte der deutsche Theologe den emeritierten Papst.

Erzbischof Marx „erschüttert und beschämt“
Der heutige Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx sei da schon weiter. „Er hat wirklich kapiert jetzt, dass er sich auf die Seite der Opfer zu stellen hat“, sagte Schüller. „Ob es zu spät kommt, werden wir sehen.“ Marx hatte sich am Donnerstag für die Missbrauchsfälle in seiner Erzdiözese entschuldigt. „Ich bin erschüttert und beschämt“, sagte er am Donnerstag in München nach der Vorstellung des Gutachtens zu sexuellem Missbrauch.

Von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern ist darin die Rede, vermutet wird noch ein deutlich größeres Dunkelfeld. Die Justiz prüft, ob kirchliche Verantwortungsträger sich strafbar gemacht haben. Die Staatsanwaltschaft München I untersucht derzeit 42 Fälle von Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger, bestätigte die Sprecherin der Behörde, Anne Leiding, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Die Anwaltskanzlei, die das aufsehenerregende Gutachten im Auftrag der Diözese verfasst hat, habe der Staatsanwaltschaft im August 2021 „41 Fälle zur Verfügung gestellt“, sagte Leiding - und einen weiteren Fall im November 2021. „Sie betreffen ausschließlich noch lebende kirchliche Verantwortungsträger und wurden stark anonymisiert übermittelt.“

„Verdachtsmomente“ werden geprüft
Sollten sich auf dieser Basis „Verdachtsmomente hinsichtlich eines möglicherweise strafrechtlich relevanten Verhaltens der kirchlichen Verantwortungsträger ergeben“, würden die entsprechenden Unterlagen bei der Kanzlei angefordert und gegebenenfalls an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergegeben, so Leiding. „Welche strafrechtlichen Normen verletzt wurden, ist noch Gegenstand der Prüfung.“

Neben Joseph Ratzinger wird auch dem ehemaligen Erzbischof Friedrich Wetter konkretes und persönliches Fehlverhalten in mehreren Fällen vorgeworfen. Auch Kardinal Marx wird in zwei Fällen vorgeworfen, sich falsch verhalten zu haben. Der Theologe Daniel Bogner hält seinen Rücktritt für angemessen. Dieser wäre ein „sehr starkes Zeichen dafür, dass die bisherigen Strukturen der Kirche so nicht weiter funktionieren.“

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