Studie

Ein Großteil der Impf-Nebenwirkungen ist nur „eingebildet“

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Eine Metastudie wertete die Zulassungstests für Covid-Impfstoffe aus. Es zeigt sich: Der „Nocebo“-Effekt erklärt bis zu drei Viertel der Beschwerden.

Was ein Placebo ist, weiß fast jeder. Viel weniger bekannt ist sein negatives Pendant, der Nocebo-Effekt. Das typische Beispiel dafür: Ein Proband in einer klinischen Studie bekommt anstelle des Medikaments nur ein Dragee ohne Wirkstoffe verabreicht, verspürt aber trotzdem die Symptome, vor denen der Beipackzettel als Nebenwirkungen warnt.

Auch bei Zulassungstests für Impfstoffe gibt es Kontrollgruppen, denen man nur Kochsalzlösung injiziert. Die Tests zu den später zugelassenen Covid-Vakzinen deuteten schon darauf hin, dass ein Gutteil der Beschwerden keine echten Nebenwirkungen sind, die im kausalen Zusammenhang mit dem Wirkstoff stehen, sondern wohl psychosomatischer Natur. Das Team des israelischen Forschers Ted Kaptchuk hat nun in einer Metastudie den mittleren Anteil quantifiziert, aus zwölf Tests mit in Summe je knapp 23.000 Probanden in Experimental- und Kontrollgruppe (Jama Network Open, 18. 1.).

Das Ergebnis: Nach den Erstimpfungen hatten 35 Prozent der Scheingeimpften Symptome, die den ganzen Körper betreffen – vor allem Müdigkeit und Kopfweh, aber auch Fieber (doch nur wenige Schüttelfrost). Bei den tatsächlich Geimpften waren es 46 Prozent, mit einer breiteren Palette an Symptomen.

Daraus lässt sich mathematisch schließen, dass im Echtfall einer Impfkampagne im Schnitt 76 Prozent der Ganzkörpersymptome dem Nocebo-Effekt geschuldet sind (weil 35/46 = 0,76 ist). Bei lokalen Beschwerden rund um die Einstichstelle, wie Muskelschmerzen, Rötungen oder Schwellungen, ist es nur rund ein Viertel.

Weniger klar lassen sich die Ergebnisse für die Zweitimpfung deuten. Hier kommen zu den Erwartungen der Probanden aufgrund dessen, was sie gehört oder gelesen haben, auch die eigenen Erfahrungen bei der Erstimpfung dazu. Dass die tatsächlich Geimpften dabei öfter unter Symptomen litten, macht sie nun „Nocebo-anfälliger“, die Kontrollgruppe hingegen weniger. Wie viele der zusätzlich gemeldeten Beschwerden bei den tatsächlich Geimpften darauf zurückzuführen sind, bleibt im Dunkeln. Der Gesamteffekt, den die Forscher wie oben errechnet haben, dürfte daher nur eine Untergrenze sein. Er beträgt aber bei den Ganzkörpersymptomen auch hier noch 52 Prozent.

Die Metastudie hat eine Einschränkung: Die klinischen Tests erfassen nur direkte Reaktionen auf die Impfung, keine allfälligen späteren und möglicherweise schwerwiegenderen Folgen. Bei ihnen wäre kein Nocebo-Effekt zu vermuten (die Geimpften denken nicht mehr an die Impfung, auch nicht unbewusst). Solche Folgen werden diskutiert, vor allem eine Herzmuskelentzündung. Sie tritt allerdings sehr selten auf, eher bei jüngeren Menschen, und verläuft dann in der Regel mild. Das statistische Ergebnis würde sich praktisch nicht verändern, wenn man diese bekannten Fälle mit einbezieht. 

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