Tragische Hintergründe

Die Gräueltat eines „braven“ Ehemanns

Oberösterreich
16.01.2022 10:30

Am vergangenen Wochenende kam es in Oberösterreich zu einem abscheulichen Verbrechen: Ein 46-Jähriger tötete seine Frau (42), eine fünffache Mutter. Die „Krone“ recherchierte die Vorgeschichte der Tragödie.

Vor dem Eingang zu dem hübschen Haus in Weißenkirchen im Attergau stehen Kerzen, daneben liegen Blumen. Das Zeugnis dafür, dass etwas Schreckliches geschehen sein muss. Bei dieser Familie, die hier seit sieben Jahren gelebt hat: Daniel (46) und Simone S. (42), die beiden Kinder der Frau aus früheren Beziehungen, die drei gemeinsamen; 18, 16, 14, 9 und 7. Bei dieser Familie, die - laut ihrer Nachbarn - als eine „Musterfamilie“ gegolten hatte.

Trotzdem, mitunter sei von dem Anwesen die Stimme der Frau zu hören gewesen. Wenn sie schimpfte, „wahrscheinlich mit ihren Töchtern und Söhnen, aber bei einer fünffachen Mutter können halt manchmal die Nerven blank liegen“.

Sie galten als ein „perfektes Paar“
Und sonst? „Nein, da war nichts Auffälliges.“ Von Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten will nie jemand etwas bemerkt haben. Und außerdem hätten die zwei ja in ihrer Gegensätzlichkeit perfekt zueinandergepasst: Sie, die Extrovertierte. Er, der Stille.

Und dann das Unverständliche: ER hat am 8. Jänner SIE getötet, um 14.44 Uhr. Vor den Augen IHRES ältesten Buben. Der Gymnasiast saß am Esstisch. Seine Mama stand neben ihm, bereitete eine Jause zu. Und plötzlich kam Daniel S. in den Raum, und er soll geschrien haben: „Du hast mein Leben zerstört!“ – bevor er seiner Frau mit einer Faustfeuerwaffe eine Kugel in den Hinterkopf jagte.

Schon seit dem Vormittag wäre die Stimmung zwischen dem Täter und dem Opfer angespannt gewesen. Es hätte unangenehme Diskussionen gegeben. Über ihr großes Thema: auszuwandern, nach Schweden.

„Ich habe gerade meine Frau erschossen“
Fakt ist: Nach dem Verbrechen rief der Mann – während sich der Bursch und zwei seiner Geschwister, die ebenfalls daheim waren, in einem Zimmer im ersten Stock verschanzten, weil sie fürchteten, er könnte auch sie umbringen – bei der Polizei an: „Ich habe gerade meine Frau erschossen.“ Und als kurz darauf Beamte am Tatort eintrafen, stand er bereits mit erhobenen Händen vor seinem Haus.

Warum? Warum dieses fürchterliche Verbrechen? „Meine Beziehung mit Simone war nicht so glücklich, wie alle dachten“, sagte der 46-Jährige im Verhör, „besonders in den vergangenen Wochen ist sie konfliktbeladen gewesen.“ Warum, warum, warum? Vertraute des Paars glauben, für das Drama Erklärungen zu haben. Die in den Viten der beiden zu finden seien.

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Meine Beziehung mit Simone war nicht so glücklich, wie alle dachten.

Der 46-Jährige im Verhör

Wer war Simone, wer ist Daniel S.? Die Frau wuchs in Salzburg auf, in bestens situierten Verhältnissen. Begann nach der Matura als Bürokraft zu arbeiten. Bekam mit 24 eine Tochter, mit 26 einen Sohn. Aus zwei Kurzzeitbeziehungen. Bis zuletzt war sie mit diesen Männern, die sich immer sehr um ihre Kinder kümmerten, gut befreundet.

Sie lernten einander im Internet kennen
Sie ist also eine alleinerziehende Mutter gewesen, als sie sich 2006 auf Partnersuche machte, auf einer Internet-Plattform. Wo sie mit Daniel S. in Kontakt kam. Einem Deutschen, Büchsenmacher von Beruf, der sich schon beim ersten Treffen unsterblich in die Frau verliebte; und für sie bald sein bisheriges Leben aufgab. Zu ihr zog, sie heiratete. Mit ihr eine Familie gründete. Ihrer Tochter und dem Sohn „von davor“ ein enger Freund sein wollte.

Seine vorgebliche Sanftheit und Gutmütigkeit – „vielleicht war sie nie echt“, meint jetzt eine Freundin der Verstorbenen. Weil der Mann von Jugend an mit „Rauem“ konfrontiert gewesen sei. Mit dem DDR-Regime; mit Schlachtungen von Tieren, im Metzgereibetrieb seiner Großeltern: „Das alles hat ihn wahrscheinlich hart gemacht.“

Wie auch immer, in Österreich fand Daniel S. schnell einen Job, bei den Bundesforsten. Und er arbeitete sich dort rasch hoch, absolvierte Kurse an Fachhochschulen. Wie seine Frau. Die schließlich Waldpädagogin wurde, Kindern und Erwachsenen bei Touren durch die Natur erklärte, welch wichtige Bedeutung Bäume und Kräuter haben. Und das Wild, das der Mann beim Jagen erlegte, verkochte sie zu feinsten Speisen, oder sie räucherte Würste daraus – sogar Nobellokale wurden damit beliefert.

Mutter litt unter schweren Panikattacken
Ja, das Paar schien „gesattelt“. Was nur die besten Freunde der zwei – und natürlich die fünf Kinder – wussten: Die Frau litt, trotz ihrer extremen Lebenslust, an schweren Panikattacken. „Wenn sie sich beim Brotschneiden in den Finger schnitt, glaubte sie, sterben zu müssen – und rief bei der Rettung an“, erzählt eine Vertraute von ihr.

Und gleichzeitig habe sie versucht, „cool“ zu sein: Indem sie sich im Westernreiten ausbilden ließ, indem sie regelmäßig Kampfsport betrieb, indem sie Schießübungen machte. Und sie war sehr gläubig, besuchte oft Messen der evangelischen Friedenskirche; sie setzte sich auf Social-Media-Kanälen für benachteilige Menschen ein - und fürchtete sich dennoch, beinahe manisch, vor Asylwerbern. Das Abdriften, raus aus der Gesellschaft, kam bei ihr mit Corona. Ihre Posts auf Facebook belegen das.

Seit Frühling 2020 veröffentlichte sie ständig Reden von Herbert Kickl, „Analysen“ von selbst ernannten Wissenschaftern über die angeblich todbringende Impfung, und über - ihrer Ansicht nach - Fehlentscheidungen der Regierung. Ihr Mann war ihrer Meinung. „Er sprach häufig davon, dass sich unser Staat gerade zu einer Diktatur entwickeln würde“, so ein Freund von Daniel S.: „und er verglich die Zustände hier beinahe schon mit jenen einst, in der DDR.“ Die Sehnsucht nach absoluter Freiheit, einem Leben in der Einöde - sei schon lange in Daniel und Simone S. gewesen.

Während Pandemie in Schweden verliebt
„Irgendwann wollten sie nach Australien auswandern, bekamen aber nicht die Genehmigung dazu.“ Darum dann 2015 die Errichtung des Hauses im Attergau. In der Abgeschiedenheit. Auf Pump. Aber laufend weniger fühlten sie sich in Österreich wohl. 2021 fuhren sie zweimal nach Schweden, wo es keine Lockdowns gab. Und sie verliebten sich in dieses Land. Aus unterschiedlichen Gründen: Die Frau glaubte, im Süden des Landes das totale Glück finden zu können. Der Mann träumte von einem Aussteiger-Dasein in einer Selbstversorger-Kommune, im Norden.

Ein Plan, der bei Simone S. Panik auslöste. Wie bei dem ersten Trip in ihre „Wunschdestination“, als der Van der Familie in einem Tunnel wegen eines Staus „gefangen“ war, sie infolge völlig ausflippte, aus dem Wagen sprang und hysterisch um Hilfe schrie.

„Sie wurde immer unsicherer“
Fest steht: Das Haus der Familie in Oberösterreich sollte verkauft werden. Eben - wegen der Übersiedelung nach Schweden. Allerdings: Die beiden ältesten Kinder der Frau weigerten sich, mitzugehen, und auch die 14-jährige Tochter des Paars. Und Freundinnen von Simone S. rieten ihr ohnehin dazu, sich diesen Schritt genau zu überlegen: „Tatsächlich, sie wurde immer unsicherer, ob es richtig wäre, ihre Heimat zu verlassen; noch dazu, weil es ja vielleicht in Österreich doch keine Impfpflicht geben wird.“ Ihr Mann hingegen hielt das Vorhaben, auszuwandern, für „fixiert“ - und hatte deshalb bereits im Dezember seine gut bezahlte Stelle gekündigt.

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Tatsächlich, sie wurde immer unsicherer, ob es richtig wäre, ihre Heimat zu verlassen; noch dazu, weil es ja vielleicht in Österreich doch keine Impfpflicht geben wird.

Eine Freundin des Mordopfers

Kurz danach teilte die 42-Jährige ihm mit, dass ein Umzug nicht mehr infrage komme. Weil das Anwesen im Attergau nicht veräußerbar wäre für die Summe, die sie beide bräuchten, um ihre Kredite abzudecken und in der Ferne mit einem „finanziellen Polster“ neu beginnen zu können. Sie wollte also in ihrem Haus bleiben. Und in ihrem gewohnten Leben. Das Daniel S. vermutlich gehasst hat. Genauso, wie am Ende seine Frau.

Die drei ältesten Kinder von ihr wohnen nun bei dem Vater des Buben, der die Tat mit ansehen musste. Die zwei jüngsten bei der Mutter des Opfers. Daniel S. sitzt mittlerweile in der Justizanstalt Wels in Untersuchungshaft. Er weint angeblich viel - und gilt als suizidgefährdet.

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