Literatur

Fliegen mit Minervas Eule

Peter Strassers „Eine Hölle voller Wunder“ ist ein lautes Nachdenken über Geist, Seele und die Endlichkeit des Lebens in einer von Rationalität bestimmten Welt. Autobiografisches wird dabei mit philosophischen Diskursen verquickt.

Als „spätes Philosophieren“ deklariert sich das neue Buch des Grazer Philosophen Peter Strasser, und das ist in einem doppelten Sinn gemeint: Strasser denkt bewusst in einer Spätzeit, in der jahrhundertealte Traditionen an Kraft verlieren (und bezieht sich dabei auf die Eule der Minerva, die nach Hegel ihren Flug erst in der Dämmerung beginnt), und er schreibt als „alt gewordener Philosoph“, der auch eigene frühere Positionen kritisch sieht und relativiert. Ganz zu Recht lautet der Untertitel „Philosophieren“, denn man kann Peter Strasser quasi beim Denken zuschauen und wird mitgenommen in seine Denkbewegung, und nicht „Philosophie“, denn das Buch ist weder ein Verschubbahnhof von Begriffen noch will es gar ein System entwickeln. Das macht den Reiz der Lektüre aus.

Problematisch ist der Titel des Buches: „Eine Hölle voller Wunder“. Er bezieht sich explizit auf einen Aphorismus aus dem Buch „Die verfehlte Schöpfung“ des rumänisch-französischen Denkers E. M. Cioran, der aber doch etwas anders lautet: „Wir sind am Grund einer Hölle, von der jeder Augenblick ein Wunder ist.“ Das Groteske ist freilich, dass Peter Strasser der Weltsicht, die Ciorans Aphorismus ausdrückt, auf Seite 224 explizit eine Absage erteilt. Warum also trägt das Buch dann diesen Titel?

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