The Weeknd
Aufgedreht

„Dawn FM“ von The Weeknd: Feier der Endlichkeit

Radiohören mit The Weeknd. Oder: wie aus einem Antihelden der neue King of Pop wird.

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Gute Popmusik erzählt immer noch die schönsten und tragischsten Geschichten: Am Ende von „After Hours“, dem letzten The Weeknd-Album von 2020, liegt der Musiker und Songwriter Abel Tesfaye alias The Weeknd allein in der Wüste vor den Toren der Glücksspielstadt Las Vegas, gezeichnet vom toxischen Popstarleben zwischen Ruhm, Drogensucht und Exzess (nachzuhören im Überhit „Blinding Lights“). „Dawn FM“, das achte Album des 31-jährigen Kanadiers, setzt nun, zwei Jahre später, da ein, wo „After Hours“ aufgehört hat; es beginnt mit Vogelgezwitscher, pastoralem Gesang und grellem Eighties-Synthiepop, während man mit The Weeknd die Straße eines ereignisreichen Lebens entlangfährt. Denn: Die 16 Songs folgen der Logik des fiktiven Radiosenders 103.5 Dawn FM (als Moderator fungiert der Schauspieler Jim Carrey), den man, wie der Künstler jüngst in einem Interview erklärte, am besten auf dem eigenen Weg ins Jenseits hört – quasi als popmusikalische Sterbebegleitung. Und das ist durchaus tröstlich gemeint.

Während The Weeknd sein Faible für Retro-Spielereien mit aktuellem R&B vermengt und sich als legitimer Erbe eines Michael Jackson („A Tale by Quincy“) in Stellung bringt, bleibt von „Dawn FM“ die sehr gegenwärtige Erzählung, dass man auch als nerdiger Antiheld zum King of Pop avancieren kann, wenn man es schafft, seine Unzulänglichkeiten (Drogen, Depression, kaputte Beziehungen) in eine hörenswerte Geschichte zu verpacken. The Weeknd weiß eben nur zu gut, dass die wahre Erlösung erst im Jenseits wartet. Bis dahin schenkt er uns überlebensgroße Popmusik.

Von RAF Camora über "Squid Game" bis Adele: Alle Aufgedreht-Kolumnen lesen Sie unter profil.at/aufgedreht.

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Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.