Der Mutterkonzern von Opel, Peugeot und Fiat-Chrysler Stellantis sieht die Autobranche angesichts schärferer Klimavorgaben unter zunehmendem Kostendruck. "Es wurde beschlossen, der Automobilindustrie eine Elektrifizierung aufzuerlegen, die 50 Prozent Mehrkosten gegenüber einem konventionellen Fahrzeug verursacht", sagte Konzernchef Carlos Tavares in einem am Mittwoch auf der Konferenz Reuters Next veröffentlichten Interview.

Gerade Volumenhersteller wie Stellantis, die Fahrzeuge in großer Stückzahl zu erschwinglichen Preisen auf den Markt bringen, könnten die höheren Kosten nicht auf die Verbraucher abwälzen und seien zu massiven Einsparungen gezwungen.

Die Kosten seien jenseits dessen, was die Industrie tragen könne, betonte Tavares. In den nächsten fünf Jahren müssten die Unternehmen Produktivitätssteigerungen um zehn Prozent pro Jahr verkraften - in einer Branche, die an jährliche Steigerungsraten zwischen zwei und drei Prozent gewohnt sei. Die Autobauer könnten zwar höhere Preise verlangen und weniger Autos verkaufen oder geringere Gewinnspannen akzeptieren. Beides würde jedoch zu Beschäftigungsabbau und sozialen Spannungen führen, so Tavares weiter.

Gewerkschaften in Europa und Nordamerika warnen schon seit längerem, dass Zehntausende Arbeitsplätze verloren gingen, sollte die Transformation nicht abgefedert werden. "Die Zukunft wird uns zeigen, wer dies verkraften kann und wer scheitern wird", sagte Tavares und fügte hinzu: "Wir führen die Branche an ihre Grenzen."

Kosten für E-Autos werden sinken

Analysten schätzen allerdings, dass die Kosten für Elektroautos auf Dauer sinken werden, da sich Akkus verbilligen. Sie gehen davon aus, dass batteriegetriebene Fahrzeuge und Wagen mit Verbrennungsmotor in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Kostengleichheit erreichen dürften. Bis dahin müssen Hersteller, die ihr Geld bisher vor allem mit herkömmlichen Antrieben verdienen, eine Durststrecke überstehen.

Die traditionellen Hersteller stehen zudem unter dem Druck des US-Elektroautobauers Tesla und Start-ups wie Rivian, die an der Börse hoch bewertet sind und es dadurch bei der Mittelbeschaffung leichter haben. Der Druck der Investoren wird durch die Politik der Regierungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen noch verstärkt. Die Europäische Union, Kalifornien und andere Länder wollen den Verkauf von Verbrennerfahrzeugen bis 2035 beenden. Großbritannien hat dies bereits fünf Jahre früher vor.

30 Milliarden in Fahrzeugentwicklung

Gleichzeitig investiert die Branche viele Milliarden in neue Antriebe, die Vernetzung und Technologien für selbstfahrende Fahrzeuge. Stellantis, der aus der Fusion des französischen Autobauers PSA und des italienisch-amerikanischen Konkurrenten Fiat Chrysler hervorgegangen ist, hat 30 Milliarden Euro bis 2025 für die Entwicklung neuer Fahrzeugarchitekturen, den Bau von Batteriefabriken und die Sicherung von Rohstoffen bereitgestellt.

Konkurrent Volkswagen geht allein für die bis zum Ende des Jahrzehnts in Europa geplanten sechs Batteriezellfabriken und die Sicherung der Rohstoffmengen dafür von bis zu 30 Milliarden Euro aus, wie Technik-Vorstand Thomas Schmall auf der gleichen Reuters-Veranstaltung sagte. Bei den Wolfsburgern sorgt gerade die von Konzernchef Herbert Diess angestoßene Debatte über einen möglichen Abbau von bis zu 30.000 Stellen für massiven Streit mit dem Betriebsrat.