Der erste Zauber ist schnell verflogen. Nur kurz währte die Harmonie von SPD, Grünen und FDP nach dem Beschluss, offiziell über eine Koalition zu verhandeln. Von „Möglichkeitsräumen“ hatte FDP-Chef Christian Lindner gesprochen. Das war vor dem Wochenende. Diese Woche hörte sich das anders an. „Man darf sich keiner Illusion hingeben, dass es bei Bewertungsunterschieden bleiben wird“, warnte Lindner und sprach von einem „Zweckbündnis“. Vor dem Auftakt der Koalitionsverhandlungen am Donnerstag kehren die Parteien zurück in den Modus des Taktierens. Schließlich geht es nun nicht mehr um grobe Linien, sondern um die Feinheiten. Da sind auch Erwartungen des eigenen Klientels zu erfüllen.

Das müssen alle Beteiligten erfahren. Die Grünen hatten das Sondierungspapier so interpretiert, dass der Kohleausstieg schon 2030 erfolge. Doch ist in dem Dokument von „idealerweise 2030“ die Rede. Im Empörungskanal Twitter gab es harte Debatten. So werden jetzt jede Menge Scheinforderungen aufgebaut, um für die Gespräche Verhandlungsmasse zu haben. Und die eigene Basis zu beruhigen.



„Meine Kritik daran ist bekannt; dieser Indikator schafft nicht automatisch mehr Sicherheit“, stellte Grünen-Ko-Chefin Annalena Baerbock das im Zuge der Nato vereinbarte Ziel infrage, zwei Prozent der Wirtschaftskraft in den Verteidigungsetat zu stecken. Die FDP sieht das kritisch. Auch an anderer Stelle legte Baerbock nach. Die Voraussetzungen seien für die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nordstream 2 von Russland nach Deutschland seien nicht erfüllt, so die Grünen-Politikerin. Die SPD sieht das anders.

Dreihundert Politiker verhandeln in 22 Arbeitsgruppen über das Koalitionspapier. Bis zu acht Wochen könnten sich die Gespräche hinziehen. Stichtag ist der 16. Dezember, dann beginnt in Brüssel der letzte EU-Gipfel dieses Jahres. Dort soll schon Olaf Scholz als Bundeskanzler anreisen.

So geht es bei allem öffentlichen Drama längst auch um Personalien. FDP-Chef Lindner bringt sich mit markigen Sprüchen für die Schwarze Null für das Finanzministerium in Position. Den einflussreichen Job hätte auch Grünen-Ko-Chef Robert Habeck gern eingenommen, er könnte mit einem Klima- und Energieministerium entschädigt werden. Das um die Energie geschrumpfte Wirtschaftsressort könnte mit der Landwirtschaft verknüpft werden, so ist es schon im Ampel-Land Rheinland-Pfalz, wo FDP-Generalsekretär Volker Wissing bis März als eben dessen Minister amtierte. Annalena Baerbock wird als Außenministerin gehandelt, Europastaatssekretärin könnte die ehemalige Europaabgeordnete Franziska Brantner werden.