(Fast) alles ist gut - so lautete die Botschaft, die der Gemeindebund in Sachen Bodenverbrauch aussendet. Gemeindebund-Präsident Bürgermeister Alfred Riedl präsentierte beim Österreichischen Gemeindetag ein Positionspapier zum Bodenverbrauch, das in erster Linie nicht das Thema selbst, sondern die Diskussion darüber in den Mittelpunkt stellt und Anstoß daran nimmt. Insbesondere die Neos hatten zuletzt gefordert, den Bürgermeistern die Regelungskompetenz zu entziehen.

Es stimme nicht, dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister willkürlich Entscheidungen treffen bzw. überfordert seien. Die Raumordnungsgesetze auf Länderebene gäben einen klaren Rahmen vor.

Das Gegenteil hat gerade Graz vorgelebt: Flächenwidmungsplan und Stadtentwicklungskonzept werden komplett überarbeitet, eine Mehrheit im Gemeinderat hat die Reißleine gezogen, um der "Bauwut" Grenzen zu setzen. Allerdings: Auch hier hielt die Bürgermeisterpartei - in diesem Fall die ÖVP - bis zuletzt an der einmal getroffenen Entscheidung fest.

Lokale Entscheidungen - die eine, wie die andere. Viele sagen, die Grenzen müssten auf Bundesebene strenger gezogen werden. Der Gemeindebund widerspricht: "Es wäre ein Anschlag auf die Gemeindeautonomie, wenn die Schreibtischbürokraten in Wien über die Gestaltung des Dorfes im ländlichen Raum entscheiden würden", sagt Präsident Riedl.

Aus Sicht des Gemeindebundes:

  • Die Raumordnungs- und Flächenwidmungskompetenz müsse hoheitliches Recht der Gemeinden bleiben.
  • Die Gemeinden bekennen sich dazu, mit Grund und Boden behutsam im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger umzugehen.
  • Der Gemeindebund fordert vom Landes- und Bundesgesetzgeber sinnvolle und geeignete Instrumente, um Brachflächen, Leerstände und ungenutztes Bauland zu mobilisieren.
  • Der Gemeindebund fordert den Bund auf, für einheitliches Datenmaterial im Zusammenhang mit dem Flächenverbrauch zu sorgen.

Die Zahlen und Fakten, die die Debatte prägen:

  • Der WWF warnt im Bodenreport 2021: Alle zehn Jahre wird etwa die Fläche Wiens neu verbaut. Verbaut werden pro Minute fast 100 Quadratmeter Boden, pro Tag 13 Hektar. Der Flächenfraß bedrohe Umwelt, Gesundheit und Ernährungssicherheit.
  • Das Nachhaltigkeitsziel von maximal 2,5 Hektar Bodenverbrauch pro Tag, ist seit dem Jahr 2010 allein in Wien um 42.000 Hektar überschritten worden.
  • Fast ein Fünftel der bewohnbaren oder landwirtschaftlich geeigneten Fläche Österreichs ist bereits verbaut. Das Umweltbundesamt weist darauf hin, dass rund 40 Prozent der neu in Anspruch genommenen Fläche auch versiegelt werden, also betoniert, asphaltiert oder gepflastert. Die Folgen: Damit kann der Boden wichtige Funktionen, wie die Fähigkeit Wasser zu speichern und zu verdunsten, Schadstoffe zu filtern und Kohlenstoff zu binden, nicht mehr erfüllen.
  • Die Zersiedelung wächst weiter an und bewirkt hohe Folgekosten, Kanal-, Verkehrs- und sonstige Versorgungssysteme werden nicht oder nur langsam an die extreme Verbauung angepasst.
  • Der Bodenverbrauch beschleunigt die Krimakrise, die Unwetterkatastrophen des Jahres 2021 zeugen von den steigenden Gefahren.
  • Raumordnungsgesetze sind nicht nach einheitlichen, nach diesen Gefahren ausgerichteten Richtlinien ausgestaltet, auch im Steuersystem fehlt es an entsprechenden Ansätzen.
  • Eine zentrale Datenbank für ungenützten Leerstand, die die Steuerung ermöglichen würde, fehlt.
  • Ein "altes" Thema: die Einkaufszentren. Mit rund 1,6 Quadratmetern Einkaufsfläche pro Kopf liegt Österreich im EU-Spitzenfeld.

Der Gemeindebund verabschiedete ein Papier, wonach die Gemeinden für den Erhalt der Produktivität der landwirtschaftlichen Flächen, für Biodiversität und für Maßnahmen, um erhöhtes Hochwasserrisiko und Hitzeeffekte abzuwehren oder zu mildern, eintreten. Den eigenen Entscheidungsspielraum will man sich aber wahren, um "Entwicklungschancen" nützen zu können.

Vom Landes- und vom Bundesgesetzgeber will man statt strikter Obergrenzen "sinnvolle und geeignete Instrumente, um Brachflächen, Leerstände und ungenutztes Bauland zu mobilisieren" und damit aktiv Flächenmanagement betreiben zu können.