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Die Covid-Rate in Großbritannien sinkt, die Verwirrung wächst

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik
Hunderttausende Briten wurden per App in Quarantäne geschickt.
© reuters / Carl Recine

Die Impfbereitschaft unter jüngeren Menschen lässt nach. Experten sind uneins bei den Prognosen über den weiteren Verlauf der Pandemie.


Landesweites Rätselraten hat in Großbritannien zu Wochenbeginn die Nachricht ausgelöst, dass die Zahl der gemeldeten positiven Tests zuletzt deutlich gesunken ist, statt weiter zu wachsen. Selbst die Regierung und ihre Berater hatten vorige Woche noch die Erwartung geäußert, dass die Infektionsrate auf der Insel sich stetig und bedrohlich erhöht wird.

Gesundheitsminister Sajid Javid war davon ausgegangen, dass die Zahl der gemeldeten täglichen Infektionen von den schon erreichten 50.000 Fällen im August 100.000 übersteigen würde. Tatsächlich war die Zahl aber am Sonntag auf 29.000 gesunken. Am Montag betrug sie dann 25.000.

Als Zeichen dafür, "dass unser Land den Gipfel der dritten Welle überschritten hat", feierte am Montagmorgen bereits Londons konservative "Times "die Verringerung der Fälle über mehrere Tage - auch wenn sie hinzufügte, dass diese Entwicklung "etwas mysteriös" sei.

Professor Paul Hunter, ein Covid-Experte der Universität von East Anglia, erklärte, es sehe nun "gut aus, zumindest für diesen Sommer". Allerdings müsse man "noch ein paar Tage abwarten", um zu sehen, welche Folgen die Aufhebung des Lockdown zu Beginn der vergangenen Woche für England haben wird.

Die Lockerung werde zweifellos für mehr Infektionen sorgen, sagte Hunter. Andererseits hätten gerade die Schulferien begonnen, was diese Entwicklung wieder ausgleichen könne: "Ich bin guter Hoffnung, dass es nicht zu der mächtigen Zunahme an Infektionen kommen wird, die uns alle Welt verheißen hat."

Andere Forscher sind skeptischer. Sie verweisen darauf, dass die Zahl der Tests in jüngster Zeit leicht gesunken ist, was womöglich das Bild der Lage verzerre. Eine andere Vermutung ist, dass die anhaltende Hitzewelle der vergangenen Woche mit der Verlagerung des Lebens nach draußen zu weniger Ansteckungen geführt hat.

Er befürchte noch immer, dass die Zahlen wieder steigen würden, meint der Edinburgher Epidemiologie-Professor Mark Woolhouse: "Es gibt bei uns noch immer mindestens acht Millionen Erwachsene, die keine einzige Impfdosis erhalten haben. Und dann sind da natürlich all die Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren." Das verschaffe dem Virus ein weites Wirkungsfeld.

Quarantäne-Ausfälle lassen Wirtschaft Alarm schlagen

Im Lager der Lockdown-Gegner hat das Sinken der Zahlen wiederum Hoffnungen geweckt, dass sich gegen die Pandemie auch ohne Restriktionen, nur auf der Basis weitreichender Impfungen, ankommen lasse. Nach Berechnungen des Statistischen Amtes verfügen mittlerweile 92 Prozent aller Erwachsenen in Großbritannien über Antikörper gegen Covid-19 - sei es durch Erkrankung oder mindestens eine Impfung.

Sorge hat allerdings in der Regierung ausgelöst, dass immer weniger jüngere Leute bereit sind, sich impfen zu lassen. Auch ist das Problem bislang ungelöst, dass hunderttausende Menschen sich derzeit isolieren müssen, weil die Gesundheitsbehörden sie per App dazu aufgefordert haben. Auch am Montag suchte das Kabinett neue Ausnahmeregelungen einzuführen, um möglichst vielen Menschen die zehntägige Absonderung zu ersparen.

Sprecher aus Industrie und Wirtschaft warnen schon, dass im Verlauf der entstandenen Produktions- und Lieferprobleme im August "ganze Supermärkte kollabieren" könnten. Mehrere Eisenbahngesellschaften kündigten zu Wochenbeginn an, dass sie die Zahl ihrer Züge verringern müssten, weil es an Personal fehlt.

Weiter angestiegen ist in den vergangenen Tagen auch die Zahl der Krankenhauspatienten. Sie hat sich von weniger als tausend im Juni auf mehr als 5.000 erhöht. Gegenwärtig werden täglich mehr als 900 Covid-Patienten neu eingeliefert. In manchen Städten, wie im nordirischen Belfast, stoßen Spitäler schon wieder an die Grenzen ihrer Kapazität.