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Kaum Anträge wegen Impfschäden

Von Daniel Bischof

Politik

Seit Jahresbeginn wurden wegen Covid-19-Impfungen in Österreich drei Anträge nach dem Impfschadengesetz gestellt.


Berichte über Todesfälle und Impfschäden tauchten im Zuge der Corona-Impfkampagne zuletzt immer wieder auf. Rechtlich aber schlugen sich die Negativmeldungen in Österreich bisher kaum nieder: Seit Jahresbeginn wurden drei Anträge wegen Covid-19-Impfungen nach dem Impfschadengesetz eingebracht. Das gab das Gesundheitsministerium auf Anfrage gegenüber der "Wiener Zeitung" bekannt.

Was ist das Impfschadengesetz?

Das 1973 erlassene Gesetz regelt, wann der Bund für Impfschäden haftet. Es ist auch auf die Covid-19-Impfung anwendbar. Ersatzpflichtig sind nur Schäden, die eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Leichte Impfreaktionen wie Müdigkeit, Schmerzen bei der Einstichstelle oder Unwohlsein zählen nicht dazu. Der überwiegende Teil der bisher gemeldeten vermuteten Reaktionen bei Covid-19-Impfungen entfällt laut dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Basg) auf solch "milde bis moderate" Impfreaktionen.

Bei einer schweren Körperverletzung oder einem Schaden mit Dauerfolgen aufgrund einer Covid-19-Impfung kann der Bund hingegen haftbar werden. Ersetzt werden unter anderem die Behandlungs- und Rehabilitationskosten, auch eine Beschädigten- sowie Witwen- und Waisenrente kann zugesprochen werden.

Betroffene können den Antrag auf Ersatz schriftlich oder mündlich beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einbringen. Wird er abgelehnt, können in nächster Instanz die Verwaltungsgerichte angerufen werden.

"Das ist für die Betroffenen angenehmer, als einen aufwendigen Zivilprozess gegen ein Pharmaunternehmen anzustrengen", sagt Rechtsanwalt Andreas Eustacchio zur "Wiener Zeitung". Allerdings habe das Impfschadengesetz einen Nachteil: So könne der Betroffene bei einem Impfschaden etwa nicht Schmerzengeld und den durch die Berufsunfähigkeit entgangenen Gewinn geltend machen. Dieser müsse zivilrechtlich eingeklagt werden, erklärt er.

Wie relevant ist das Impfschadengesetz?

Beim Impfschadengesetz handle es sich zwar nicht um totes Recht, sagt Eustacchio. Anträge seien bisher aber äußerst selten gewesen: "Bevor ein Impfstoff auf den Markt gelangt ist, wurden bislang stets intensive präklinische und klinische Untersuchungen durchgeführt. Daher lagen auch kaum Fälle wegen Impfschäden vor", sagt der Rechtsanwalt.

In den vergangenen zehn Jahren gab es laut dem Gesundheitsministerium pro Jahr rund zehn Anträge. Meistens wurden die Ansuchen abgewiesen, nur ein bis zwei Fälle wurden jährlich als Impfschaden anerkannt. Auch die Covid-19-Impfungen, die eine schnellere Zulassung durchlaufen haben, haben bisher zu keinen großen Veränderungen geführt. Insgesamt hat es laut dem Gesundheitsministerium heuer bisher acht Erstanträge nach dem Impfschadengesetz gegeben. Drei davon betrafen Covid-19-Impfungen, der Rest entfiel unter anderem auf eine Hepatitis B- und eine Pneumokokken-Impfung.

Die drei Anträge wegen der Corona-Impfungen würden sich noch im Ermittlungsstadium befinden, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. "Es wurden Anträge auf Leistungen beziehungsweise auf Anerkennung eines Impfschadens nach dem Impfschadengesetz gestellt. Konkrete Ansprüche wurden nicht geltend gemacht." Bei zwei Impfungen handle es sich um den Impfstoff von AstraZenaca und einmal um jenen von Biontech/Pfizer.

Wie viele Ansprüche wurden bisher anerkannt?

Mit 1. Jänner 2021 bezogen 89 Personen laufende Geldleistungen nach dem Impfschadengesetz - 56 davon wegen einer seit dem Jahr 1980 nicht mehr empfohlenen Pockenimpfung. 2020 beliefen sich die budgetären Kosten auf 4,4 Millionen Euro.

Von 1990 bis 2020 gab es laut Gesundheitsministerium 804 Erstanträge nach dem Impfschadengesetz. Bisher wurden 411 Impfschäden anerkannt. Ein Großteil - 340 Fälle - betraf Anträge nach TBC-Impfungen in den Jahren 1991 bis 1993. Damals wurden zumeist Einmalzahlungen erbracht.

Wie sind die Thrombosefälle einzuordnen?

Bisher traten laut Basg in Österreich acht Blutgerinnungsstörungen in zeitlicher Nähe zu einer AstraZeneca-Impfung auf. Auch der Tod der 49-jährigen Pflegerin in Niederösterreich wird darunter eingestuft.

In einem Verfahren nach dem Impfschadengesetz muss der Betroffene einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Impfschaden darlegen. Der Verwaltungsgerichtshof spricht von einer "Kausalitätswahrscheinlichkeit". Die Europäische Arzneimittelagentur hat bereits festgestellt, es gebe nach den bisherigen Daten einen kausalen Zusammenhang zwischen den Blutgerinnungsstörungen und dem Impfstoff von AstraZeneca.

"Besteht keine andere, wahrscheinlichere Ursache für die Thrombose, wären die Voraussetzungen des Impfschadengesetzes bereits erfüllt", erklärte der Zivilrechtler Andreas Kletecka von der Uni Salzburg im "Standard". Auch Eustacchio meint: "Wegen der nun vorliegenden Bestätigung eines Kausalzusammenhangs bestehen für Impfgeschädigte durchaus Chancen auf Entschädigung nach dem Impfschadengesetz."

Haften die EU-Staaten auch für Impfschäden?

Debatten gab es zuletzt darüber, ob und inwieweit die EU den Corona-Impfstoffherstellern zugesichert hat, ihnen die Prozesskosten und Schadenersatzzahlungen wegen möglicher Impfschäden zu ersetzen.

Die EU-Kommission hat Teile des Vertrages zwischen ihr und AstraZeneca öffentlich gemacht. Rechtsanwalt Eustacchio liest aus den ungeschwärzten Passagen eine "eindeutig zeitlich, geografisch und betragsmäßig unbeschränkte Haftungsübernahme" der EU heraus. Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, meinte hingegen in der "Presse": "Eine Entschädigung erfolgt nur unter ganz bestimmten, in den Abnahmegarantien ausnahmsweise festgelegten Bestimmungen." Eine generelle Haftungsübernahme durch die EU gebe es nicht, erklärte Selmayr.

Bei einem Schadenersatzanspruch müsste jedenfalls zunächst AstraZeneca geklagt werden. Wird der Konzern zu einer Zahlung verurteilt, haben die EU-Staaten laut öffentlich gemachter Verträge Regress zu leisten, meint Eustacchio. Im Streitfall muss aber ein Gericht anhand des Vertrages zwischen AstraZeneca und der EU-Kommission entscheiden, ob und inwieweit tatsächlich eine Haftungsübernahme gegeben ist.